Welche Symptome weisen auf einen Östrogenmangel hin?
Univ.-Prof.in Dr.in Doris Gruber: Während der Umstellung der Wechseljahre kann der ganze Körper beeinträchtigt werden. Jede Frau hat unterschiedlichste Feinabstimmungen, was die Beschwerden anbelangt, aber fast allen ist gemeinsam, dass die Psyche leidet. Außerdem sind Hitzewallungen, Mund- und Scheidentrockenheit, Haarausfall, Gewichtsproblematik, Libidoverlust, Augentrockenheit sowie Gelenk- und Muskelschmerzen Themen, welche die Frauen beschäftigen.
Wie viele Frauen leiden unter dieser Symptomatik?
Ein Drittel hat wirklich sehr starke Beschwerden, da leidet der Alltag darunter, sie schlafen schlecht und sind in Berufs- und Familienleben beeinträchtigt. Ein Drittel leidet unter moderaten Beschwerden, während ein Drittel keine Beschwerden hat. Bei den ersten 2 Dritteln muss etwas getan werden, Studien sagen aber, dass nur ein Drittel behandelt wird, hier liegt eine Diskrepanz vor. Es muss nicht sofort zu Hormonen gegriffen werden, es gibt pflanzliche Alternativen, auch Änderungen im Lebensstil, wie etwa auf weniger Stress achten, können helfen. Die betroffenen Frauen leiden oft unter einer Mehrfachbelastung, müssen länger arbeiten und Stunden aufstocken, das ist dann nicht einfach, mit diesen Beschwerden den Anforderungen standzuhalten.
In welchen Fällen sollte eine Hormonersatztherapie begonnen werden, und wie lange ist sie fortzuführen?
Viele Frauen kommen und sagen: „Ich habe schon sehr viel probiert.“ Immer, wenn dieser Satz fällt, sollte mit Hormonen begonnen werden, sofern eine gewisse Bereitschaft von Seiten der Patientin da ist. Dann beginnt man mit einer milden Therapie und kontrolliert nach ein paar Monaten, wie es ihr damit geht. Die Hormonersatztherapie ist keine Therapie für alle Ewigkeit, sondern eine intermittierende Therapie, solange die Beschwerden vorliegen. Da kann man immer wieder Auslassversuche unternehmen: ob es schon zur Verbesserung der Problematik gekommen ist. Zeigt der Körper dann noch immer Wechselbeschwerden, muss eben wieder auf eine milde Therapie zurückgegriffen werden.
Welche hormonellen Therapieoptionen stehen dafür zur Verfügung?
Alle Hormongruppen, die nun fehlen, also Östrogen, Progesteron und die Androgene, sind für die Hormonersatztherapie geeignet. Das Progesteron ist das erste, das ausfällt. Es gibt verschiedene Formen, wie man das zuführen kann, oral, vaginal oder topisch, dasselbe gilt für das Östrogen. Bei den Androgenen tun wir uns ein bisschen schwer, weil wir keine Androgenformulierungen für die Frau haben. Aber am Ende des Tages ist auch das Androgen ein Thema für die Frau, weil es ja fehlt – aber wir haben keine explizit für die Frau zugelassene und von den Krankenkassen bezahlte Androgenformulierung.
Welche Bedeutung hat die Hormonersatztherapie im Zusammenhang mit Osteoporose?
Wenn jemand durch Osteoporose belastet ist, also familiär, oder bereits Osteoporose hat, dann schützen Östrogene den Knochen. Sie können den Knochen nur bedingt wieder aufbauen, sondern maximal den Status quo aufrechterhalten. Östrogene sind in diesem Sinn nicht anabol, aber sie verschlechtern die Situation nicht, und hier ist vielen schon geholfen. Es gibt aber auch Alternativen, denn wenn die Frauen sonst keine Probleme haben, wollen sie nicht unbedingt Hormone nehmen.
Wann bestehen Kontraindikationen für die Hormonersatztherapie?
Handfeste Kontraindikationen sind kardiovaskuläre Erkrankungen, entweder aktuelle oder durchgemachte, sprich Embolien, Thrombosen, Gefäßerkrankungen jeglicher Art sowie Insulte. Hier sollte man vorsichtig sein, denn es handelt es sich um bereits vorgeschädigte Gefäße. Kommen dann noch Hormone hinzu, machen sie das Geschehen nicht besser. Vorsichtig sein muss man auch bei durchgemachten Krebserkrankungen, aber im Grunde gibt es hier nicht viele Kontraindikationen. Diese haben sich in den letzten Jahren ziemlich reduziert, weil die Benefits doch überwiegen.
Welche Alternativen sind für betroffene Patientinnen verfügbar?
Wenn jemand Hormone nicht nehmen will oder zu einer Risikogruppe gehört, dann gibt es auch nichthormonelle Therapieoptionen. Erst kürzlich ist der neue NK3-Rezeptor-Antagonist Fezolinetant auf den Markt gekommen, der sehr gut gegen Hitzewallungen wirkt und auch im höheren Alter verschreibbar ist. Für den Knochen gibt es viele andere Optionen wie die Einnahme von Bisphosphonaten, Kalzium und Vitamin D. Phytopharmaka sind ebenfalls eine Alternative in jedem Alter.
Vielen Dank für das Gespräch!