Kassenärzte erhalten mehr Freiheit

Wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Entscheidungsfreiheit über die Wahl der Therapie sowie der dazu notwendigen Heil- und Hilfsmittel ist für 98 % der niedergelassenen Ärzte zentral. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von ARZT & PRAXIS. Konkret ist für 94 % die Entscheidungsfreiheit über die Therapie „sehr wichtig“ beziehungsweise zu 4 % „wichtig“ (siehe Grafik). Die Freiheit bei der Wahl der Heil- und Hilfsmittel ist für 88 % „sehr wichtig“ und für 10 % „wichtig“. Kern für diese Autonomie ist die Freiberuflichkeit des Arztes, und die Grundlage dafür schafft die wirtschaftliche Unabhängigkeit, sagen 74 % der Ärzte („sehr wichtig“) beziehungsweise 24 % („wichtig“). Eine überwältigende Mehrheit von 94 % wünschen sich zudem einen Abbau von Bürokratie und die Verlagerung der Verantwortung zum einzelnen Arzt.

Ein zentraler Schritt, um diese Forderungen der Ärzte zu erreichen, wird nun in Wien ab Anfang Juli umgesetzt: Niedergelassene Ärzte können künftig frei entscheiden, welchen Ordinationsbedarf sie wirklich brauchen. Dafür erhalten Sie im Juli die dazu reservierten Geldmittel direkt ausbezahlt und müssen keine standardisierten Sachleistungen der Krankenkasse mehr beziehen. Während die neue Österreichische Gesundheitskasse derzeit den Honorardruck auf die Ärzte erhöhen will und mit der Fusion der Gebietskrankenkassen auf Zentralisierung setzt, ist das für MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, ein wichtiger Schritt zu mehr Entscheidungsfreiheit und weniger Bürokratie.

Die Neuregelung sei aber auch ein wichtiger Schritt, um den Bezug des Ordinationsbedarf zu erleichtern, sagt Steinhart: „Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder Beschwerden von Ärztinnen und Ärzten über den zentralen Einkauf von Ordinationsbedarf durch die Gebietskrankenkasse. Einmal hat die Qualität der Produkte nicht gepasst, einmal wurde zu wenig geliefert, ein anderes Mal zu viel, aber das Falsche. Auch die Gebietskrankenkasse war immer wieder mit dieser Kritik konfrontiert.“ Das bestätigt auch die aktuelle Umfrage: So gaben 20 % der Befragten an, dass bisher ein gewünschtes Produkt nicht verfügbar war, 18 % kritisierten, dass zu wenig geliefert worden war, 16 % bemängelten, dass man keine Auswahlmöglichkeiten hatte und 9 % kritisierten umgekehrt, dass man viel wegwerfen musste, weil zu viel geliefert worden war.

Also hat man nach Auswegen gesucht und diese in Form einer Dezentralisierung gefunden. Steinhart: „Was nur wenige wissen, ist, dass die Ausgaben der Krankenversicherung für den Ordinationsbedarf immer Teil des gesamten Honorartopfes der Ärzte waren.“ Die Lieferungen an die Ordinationen waren also keineswegs gratis. Kaufte die Kasse zu viel oder falsche Produkte oder zu teuer ein, ging das zulasten des Honorartopfes. Bei einer Gesamtsumme von rund 4,5 Millionen Euro war das nicht wenig. Künftig sollen die Ärzte diesen Honorarposten nach einem speziellen Schlüssel direkt ausgezahlt bekommen und das einkaufen können, was sie tatsächlich benötigen. Bleibt unter dem Strich etwas übrig, ist es ein Gewinn für die einzelne Ordination. Geht es sich nicht aus oder braucht es künftig andere und teurere Produkte, wurde ein Mechanismus definiert, um die Zahlungen der Kasse erhöhen zu können.

Steinhart: „Ab Juli 2020 bekommen niedergelassene Kassenärzte mit einem WGKK-Vertrag den finanziellen Gegenwert des von den Kassen im Vorjahr bezogenen Ordinationsbedarfs plus Inflationsabgeltung ausbezahlt. Die Zeit der Zuteilung von Gebrauchsmaterialien durch die WGKK an die Ordinationen ist damit vorbei. Anschließend müssen sich Kassenärzte selbst um die Beschaffung aller für den Ordinationsbetrieb benötigten Produkte kümmern. Das klingt vielleicht aufwändig, aber wenn einmal das Bestellmuster einer Ordination klar ist, wird der Aufwand sicher deutlich geringer.“ Die Ärztekammer arbeite hier zudem an Lösungen, um ihre Mitglieder zu unterstützen.