Krankenkassensteuerung: Rüffel vom Rechnungshof

In zwei Ende März veröffentlichen Berichten beschäftigte sich der Rechnungshof (RH) mit den finanziellen Steuerungsmitteln der Krankenversicherung sowie deren Finanzzielen für die Jahre 2009–2014 und übte darin scharfe Kritik.* So weist er im Beitrag „Finanzielle Steuerung der Krankenversicherung“ auf die fehlende Glaubwürdigkeit der Steuerungsinstrumente hin. Die Prognosen im Prüfungszeitraum seien aufgrund des Prinzips der kaufmännischen Vorsicht immer pessimistischer ausgefallen, als es der Realität entspräche. So konkludiert der RH, dass „den Instrumenten der Gebarungsvorschau […] trotz hohem Aufwand und hohem Detailgrad die erforderliche Glaubwürdigkeit für die Nutzung zur Steuerung“ fehlte. „Die Prognoseabweichungen betrugen — bezogen auf den ersten Prognosezeitpunkt – im Schnitt der Jahre 2009 bis 2013 rd. 592,07 Millionen Euro und waren damit zu hoch, um die notwendigen Informationen für eine Steuerung zu bieten“, ist konkret im RH-Bericht zu lesen. Diese Abweichung sei so hoch gewesen, dass dadurch die Gebarungsvorschau keine geeignete Grundlage zur Steuerung darstellte. Der RH kritisiert auch, dass selbst unter Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips derartige Ungenauigkeiten nicht zu rechtfertigen seien.

Hinsichtlich der Finanzziele des Kassensanierungspakets 2009–2013 wird konkludiert, dass diese „spätestens ab 2011 aufgrund der tatsächlichen Entwicklung nicht mehr zur Detailsteuerung der Krankenversicherungsträger geeignet“ waren. Gleiches gelte für die festgelegten Ausgabenobergrenzen zwischen 2012 und 2016. Die Ausgabensteigerung im „No policy change“-Szenario seien mit 5,2% zu hoch angesetzt worden, wodurch auch die angesetzten Ausgabendämpfungen von etwa 1,372 Milliarden Euro nicht realistisch gewesen seien. „Dennoch wurden die Ausgabenobergrenzen unverändert in das Zielsteuerungssystem des Hauptverbandes und der Krankenversicherungsträger übernommen. Diese Systeme verloren damit in wesentlichem Ausmaß ihre Wirkung als Steuerungselemente“, so der RH-Bericht.

Keine nachhaltige Sanierung in Wien

Im Bericht wird auch darauf eingegangen, dass die Steiermärkische Gebietskrankenkasse (StGKK) eine Sanierung erreicht hätte, die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) hingegen nicht: „Die WGKK profitierte im Zeitraum 2009 bis 2013 erheblich von Bundesmitteln (677,05 Mio. Euro) und konnte dadurch ihr Reinvermögen verbessern. Anders als die StGKK erreichte sie jedoch keine nachhaltige Sanierung“, ist zu lesen. Die Ursachen seien zwar zu etwa zwei Drittel an der von der WGKK nicht beeinflussbaren schlechten Beitragsentwicklung gelegen, zu einem Drittel aber an internen, einer Steuerung zugänglichen Bereichen.

Operative Steuerung nicht ausreichend

Im Bericht zu ausgewählten Steuerungsbereichen in der Krankenkasse wird vom RH kritisiert, dass die wichtigsten Bereiche, die ärztliche Hilfe und Heilmittel, für die Gestaltung der Finanzen nicht ausreichend gewesen seien, um die Ziele der Gesundheitsreform 2012 zu erfüllen bzw. eine nachhaltige Finanzierung sicherzustellen. Auch die Angebotsstruktur der ärztlichen Hilfe sei zu starr geregelt für eine Anpassung an regionale Strukturen und neue Erfordernisse der Primärversorgung.

* Quelle: Rechnungshofbericht, Vorlage vom 31. März 2016, Reihe Bund 2016/3
Krankenkassen-Finanzierung: Die Rechnung geht nicht auf
Falsche Finanzziele und eine missglückte Sanierung: Das Fazit des Rechnungshofs in seinen aktuell zwei Berichten zu den Krankenkrassen ist fatal und kann in einem Satz beschrieben werden: eine dauerhafte Sanierung ist bis jetzt nicht gelungen.
Die Rechnungshofberichte unterstreichen klar die Kritikpunkte der Ärztekammer, denn nicht nur an der finanziellen, sondern auch an der operativen Steuerung der Krankenkasse wird kein gutes Haar gelassen. Die Note: ein eindeutiges „Nicht Genügend“ beim Thema nachhaltige Finanzierung, denn die Mittel zur Versorgung der Bevölkerung reichen bei Weitem nicht aus. Das Zeugnis: ein „Sitzenbleiben“ bei der Gesundheitsreform.
Dass so etwas auch nicht mit falschen Finanzzielen verborgen bleibt, beweist die gescheiterte Sanierung der Wiener Gebietskrankenkasse: Auch hier ist das Urteil der Rechnungshofprüfer ein „Ungenügend“: Dass die vernichtenden Ergebnisse ein Umdenken in den Köpfen der politisch Verantwortlich bewirken, ist trotzdem unwahrscheinlich – denn die bekommen die Fehler nie selbst zu Gesicht, für sie bleiben die Probleme am Papier, während Arzt und Patient die Probleme in der buchstäblichen Praxis zu spüren bekommen: überbordende Bürokratie und eine mangelnde Finanzierung, und damit zu wenig Kassenverträge. All das beschleunigt eine Zweiklassenmedizin, bei der Kassenärzte nur noch als Massenabfertiger gesehen werden. So wird der klassische Hausarzt schnell die zweite Wahl, mehr Klasse kann den Patienten dann nur noch der kassenlose Wahlarzt bieten.
Die empfohlene Behandlung für die Finanzierungsverantwortlichen: Nachsitzen und Nachhilfe bei der Ärztekammer, denn leider ist es nicht das erste Mal, dass die Krankenkasse bei einer Rechnungshofprüfung glatt durchgefallen ist.
Der Vergleich zwischen Wien und der Steiermark hinkt
Eine Sanierung, so wie es sich der RH vorstellt, wäre nur mit einer radikalen Leistungskürzung machbar. Dazu bin ich nicht bereit.
Verschärft hat sich die Situation zuletzt zum einen durch die Entwicklung der Medikamentenkosten, die deutlich stärker gestiegen sind, als die Beitragseinnahmen. Zum anderen ist auch die Versorgung der Asylwerber eine Herausforderung – zumal die Mittel des Bundes nicht kostendeckend sind.
Beim Vergleich der WGKK und der Steirischen GKK stellte der RH fest, dass die Unterschiede in der Entwicklung der beiden Krankenversicherungsträger zu zwei Drittel auf wenig beeinflussbare Faktoren – darunter die Entwicklung der Beitragseinnahmen und die Krankenanstaltenfinanzierung – zurückzuführen sind. Der RH hat beim Vergleich der WGKK mit der STGKK auch festgestellt, dass alleine die Entwicklung der Ausgaben für ärztliche Hilfe bei der STGKK zu einer wesentlichen Verbesserung der finanziellen Lage beigetragen hätte. Die WGKK verantwortet nach Einschätzung der Kontrollbehörde eine drastisch zu hohe (Fach-)Ärztedichte – es geht dabei um mehrere hundert Stellen – und gibt zu viel Geld für ärztliche Hilfe aus. Die Empfehlungen lauten folglich, an beiden der genannten Schrauben zu drehen. Dazu ist anzumerken, dass Wien als Großstadt völlig andere Anforderungen zu meistern hat und es nicht im Sinne der Versicherten sein kann, in diesem Bereich Leistungen zu kürzen.
Allerdings ist bei der Weiterentwicklung und Modernisierung der Gesundheitsversorgung in Wien deutlich mehr Kreativität und Tempo gefragt. Diese Botschaft gilt auch der Ärztekammer. Der Ausbau von Primärversorgungszentren als erste Anlaufstelle für die Patienten ist ein Gebot der Stunde – und wird im Übrigen auch vom RH verlangt. Das Denken und Fordern in alten Strukturen hat ausgedient und ist schlicht nicht mehr leistbar.