Lehren aus der COVID-19-Pandemie

Das angeborene und adaptive Immunsystem schützt uns vor Infektionserkrankungen. Menschen mit bestimmten primären Immundefekten (PID), d. h. angeborenen Störungen des Immunsystems, haben ein stark erhöhtes Risiko, an COVID-19 zu versterben. Bei einem Antikörpermangelsyndrom ist das Immunsystem nicht in der Lage, Antikörper (AK) auszubilden. Die Mortalität steigt dadurch auf bis zu 7 %. Interferone (INF) schützen unsere Zellen intrazellulär bereits vor Viruseintritt. Bei Interferonopathien funktioniert diese Art der Virenabwehr aufgrund von Mutationen im Interferon-1-α-Signalweg nicht. Heute ist bekannt, dass etwa 20 % der sehr schweren Fälle durch eine Interferonopathie erklärbar sind, wie Univ.-Prof. Dr. Winfried Pickl, MedUni Wien, in seinem Vortrag anmerkt. Laut dem Immunologen wäre ein Screening denkbar, um diese Patientengruppe zu identifizieren. Wenn die Information bereits bei Krankheitsbeginn bekannt ist, könnte man INF-α verabreichen, einzelne Fallstudien belegten hier die Wirksamkeit. Eine rezente Studie zu Typ-III-INF (INF-l) mit rund 1.000 Patient:in-nen konnte zeigen, dass die Hospitalisierungen mit der Verabreichung des INF um 49 % signifikant vermindert werden konnten.

Hybridimmunität

Das adaptive Immunsystem wird durch regelmäßigen Kontakt entweder durch Impfung oder durch Infektion trainiert. Im Fall von COVID-19 liegt heute bei den meisten Menschen eine Hybridimmunität vor. Nach einer Impfung erfolgt in der Regel eine prompte Serokonversion, bei Gesunden spätestens nach der 2. Impfung. Die COVID-19-Impfungen haben eine sehr hohe Reaktogenität gezeigt, Fieber war eine häufige Nebenwirkung. Die Schutzwirkung fällt jedoch nach einiger Zeit ab, weiß Pickl. Ein Impfzyklus verhindert nicht die Infektion mit dem Virus, dafür aber erfolgreich die schweren Krankheitsverläufe. Hinsichtlich Effektivität zeigten die mRNA-Vakzine die höchste Wirksamkeit.

Neutralisierende Antikörper

Die Bildung von AK ist ein wichtiges Korrelat für die Schutzwirkung. Die AK, die gegen die rezeptorbindende Domäne (RBD) gerichtet sind, spielen eine wichtige Rolle. Neutralisierende AK verhindern die Infektion der Zielzellen, während natürliche Killerzellen helfen, das Virus zu zerstören. „Die Abwehr erfolgt einerseits durch die neutralisierende, blockierende Wirkung, andererseits durch die AK-abhängige Zytotoxizität gegenüber infizierten Zellen bzw. die AK-abhängige Phagozytose von Viren selbst bzw. von mit dem Virus infizierten Zellen“, erklärt der Immunologe. Das Target der Impfung ist das Spike-Protein, mit dem RBD-Anteil bindet das Coronavirus an den Rezeptor, wodurch die Infektion verhindert wird. Die Höhe der RBD-spezifischen AK korreliert mit dem Neutralisationstiter, d. h., je mehr von diesen AK vorhanden sind, desto besser lässt sich das Virus neutralisieren. Je öfter geimpft wird, desto weniger Durchbruchsinfektionen bzw. weniger symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen sind zu erwarten, was vor allem Patient:innen über 65 Jahren zum boostern anregen sollte.

Strategien bei Immunsupprimierten

Patient:innen mit PID ohne B-Zellen oder solche, die B-Zell-depletierende Medikamente wie z. B. Rituximab erhalten, können durch die Impfung keine neuen AK produzieren. Hier lassen sich die AK am besten durch adaptiven Transfer (passive Immunität) ersetzen. Gegen die XBB-Variante helfen nur noch wenige Antikörper, wie z. B. der monoklonale AK Sotrovimab. Patient:innen mit soliden Tumoren und unter immunmodulierender Therapie haben eine verzögerte Serokonversion, sie sollten daher rechtzeitig und zu einem früheren Zeitpunkt geboostert werden.„COVID-19 stellt uns auch weiterhin vor Herausforderungen“, schlussfolgert Pickl. Es stellt sich die Frage, wie sich der Antikörperabfall verhindern und wie sich ein stabiles B- und T-Zell-Gedächtnis aufbauen lässt. Die Identifikation der immunologischen bzw. metabolischen Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung sowie die Prävention von Long COVID sind künftige Aufgaben, die es zu lösen gilt.