Mitralklappen-Clipping bei Herzinsuffizienz

Ärzte Krone: Wie kommt es zu einer undichten Herzklappe bei Herzinsuffizienz?

Christian Hengstenberg: Dafür kommen grundsätzlich zwei unterschiedliche Mechanismen in Frage: die Degeneration der Mitralklappe und die Erweiterung des Herzens mit anschließender, sekundärer, Undichtigkeit der Herzklappe. Die zweite Situation kann beispielsweise nach einem Herzinfarkt auftreten.

Wer bekommt ein Mitralklappen-Clipping und wer nicht, und welche Kontraindikationen gibt es?

Die Indikation für den Mitralklappen-Clip ist neben der hochgradigen Mitralinsuffizienz ein hohes Operationsrisiko, das meist mit einem höheren Alter einhergeht. Weiterhin müssen verschiedene technische Voraussetzungen erfüllt sein, so dass die Platzierung des Clips gelingen kann. Hierzu gehören eine Mindestlänge der Klappensegel und eine ausreichende Überlappung der Ränder der Klappensegel. Folgende Eigenschaften sind für die Durchführung eines Mitralklappen-Clips nicht geeignet: stark verkalkte oder unterschiedlich verdickte Segel, eine kleine Mitralklappenöffnungsfläche oder eine vorbestehende Verengung der Mitralklappe.

Wie genau wird dieser Eingriff durchgeführt?

Nach der Narkoseeinleitung erfolgt eine Punktion der Vene in der Leiste, über die dann ein weiches Plastikrohr (Schleuse) vorgebracht wird. Anschließend wird die Scheidewand des Vorhofes im Herzen punktiert und über weiche Drähte die Führungsschleuse des Mitralklappen-Clip-Systems in den linken Vorhof eingebracht. Wenn alles optimal vorbereitet ist, dann kann unter Kontrolle mit einem Ultraschall über die Speiseröhre (transösophageale Echokardiografie, TEE) das Clip-System genau gesteuert werden. Die Segelränder werden mit dem System gegriffen und der Mitralklappen-Clip freigelassen, wenn die Lage und die Funktion des Clips gut sind. Schließlich wird überprüft, ob das Ergebnis ausreichend gut ist oder eventuell noch eine weitere Clip-Implantation notwendig ist. Anschließend werden das System und die Schleuse aus dem Vorhof entfernt.

Wie lange bleiben die Patienten stationär?

Bei allen Patienten werden nach der Mitralklappen-Clip-Implantation für 24 Stunden sorgfältig der Kreislauf, die Atmung und der Herzrhythmus auf einer Überwachungsstation überwacht. Meistens können die Patienten am Tag nach der Implantation wieder aufstehen. Für gewöhnlich bleiben die Patienten etwa zwei bis fünf Tage nach der Implantation im Krankenhaus.

Wer macht die Betreuung nach dem Eingriff?

Normalerweise können die Patienten bei Entlassung nach Hause gehen, ohne dass sie dort spezielle Hilfen in Anspruch nehmen müssen. Auf jeden Fall sollte für etwa 30 Tage nach der Prozedur stärkere körperliche Aktivität vermieden werden. Die optimale Weiterführung der medikamentösen Therapie ist auch nach Implantation des Mitralklappen-Clips von großer Bedeutung, da die korrekte Funktion des Herzens und der Mitralklappe auch im Verlauf erfasst und die Medikation entsprechend angepasst werden muss. Diese regelmäßigen Kontrolluntersuchungen sollten zunächst alle drei Monate stattfinden. Hierbei werden ein Herzultraschall, ein EKG und eine Blutentnahme durchgeführt. Weiterhin findet ein ausführliches Gespräch mit einem Herzspezialisten statt. Selbstverständlich findet diese Behandlung in enger Kooperation mit dem primär behandelnden Hausarzt und Kardiologen statt.

Welche Rolle hat der Allgemeinmedizinerin der Begleitung der Patienten?

Der Allgemeinmediziner beziehungsweise Hausarzt ist häufig die primäre medizinische Ansprechperson der Patienten. Da bei Patienten mit Herzinsuffizienz auch nach einer Implantation eines Mitralklappen-Clips immer wieder Routinekontrollen, beispielsweise in Zusammenhang mit der Blutdruckeinstellung, und Blutabnahmen notwendig sind, spielt hier der Allgemeinmediziner eine wichtige Rolle.

Welche Medikamente müssen die Patienten zusätzlich nehmen?

In vielen Fällen werden nach dem Einsatz des Mitralklappen-Clip-Systems Hemmer der Blutplättchen verschrieben (ASS und Clopidogrel). Nach sechs Monaten kann eines der Medikamente nach Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden. Ansonsten sind keine speziellen Medikamente erforderlich.

Mit welchen Komplikationen ist zu rechnen?

Die Komplikationen sind bei diesem Eingriff sehr gering, unter zwei Prozent. Wie bei allen operativen Eingriffen können auch bei der interventionellen Mitralklappenreparatur Komplikationen auftreten. Diese beinhalten im Wesentlichen Verletzungen der Gefäße und des Herzens, Schlaganfälle, Herzinfarkte, Infektionen und Leistenkomplikationen. Die genauen Risiken werden mit jedem Patienten ausführlich vor jedem Eingriff besprochen, da diese etwas unterschiedlich ausfallen. Die Häufigkeit ist bei den Mitralklappen-Clip-Implantationen deutlich geringer als bei einer offenen Herzoperation.

Zur Person:
Univ.-Prof. Dr. Christian Hengstenberg (55) kam im vergangenen Herbst von der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen des Deutschen Herzzentrums München als Leiter der Kardiologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin II am AKH nach Wien. Bei seiner Bestellung führt er aus, dass Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems in unserer Gesellschaft besonders häufig sind. Die Behandlung der Herzerkrankung könne zunehmend minimalinvasiv mit Kathetertechniken erfolgen. Dazu gehören Erkrankungen der Herzkranzgefäße, des Herzmuskels und der Herzklappen. „Durch verantwortungsbewusste Weitergabe unseres Wissens gestalten wir nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft der Medizin zum Wohle der Patienten.“ Beispielsweise können die neuesten Erkenntnisse aus der Molekulargenetik mit der Kraft von Hochleistungsrechnern mit dem Ziel kombiniert werden, individuelle Therapievorschläge für die Patienten machen zu können, was man als sogenannte Präzisionsmedizin bezeichnet. „Auch im Bereich von Herzklappen bestehen enorme wissenschaftliche Erkenntnisse, die unter anderem an der Medizinischen Universität Wien erforscht werden“, sagt Hengstenberg.