Nach einem Herzinfarkt auf die Psyche achten

Der Myokardinfarkt (MI) ist eine der häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung weltweit und kann bei Überlebenden zu eingeschränkter Lebensqualität, (schweren) funktionellen Einschränkungen und weiteren kardiovaskulären Komplikationen führen.1

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Wegen oft verzögerter Diagnosestellung und zusätzlicher, geschlechtsspezifischer Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes in der Schwangerschaft, PCO-Syndrom oder vorzeitige Menopause weisen Frauen höhere Mortalitätsraten als Männer auf.2 Ein beträchtlicher Teil aller Patient:innen kämpft nach einem Herzinfarkt mit Angststörungen und Depressionen. Die Prävalenz variiert mit Angaben zwischen 5,5 % und 69,2 %1, 3 beträchtlich und wird wahrscheinlich durch den sozioökonomischen Status, kardiovaskuläre Risikofaktoren sowie bereits manifestierte psychiatrische Erkrankungen beeinflusst.1 Auch Prim. Dr. Christian Jagsch, Abteilung für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie, LKH Graz II, bestätigte auf dem diesjährigen Kongress für Allgemeinmedizin (STAFAM), dass jeder 5. Herzinfarkt von einer Depression begleitet wird. Jagsch: „Die Reinfarktrate ist deutlich höher, wenn ein:e Patient:in gleichzeitig eine Depression hat.“

Angst verschlechtert die Prognose

Angststörungen sind mit exzessivem Grübeln, innerer Unruhe und Panik verknüpft. Abgesehen von den negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität verschlechtert das Auftreten von Angstsymptomen auch die Prognose nach einem MI.1 Sowohl das Risiko für Tod als auch das Risiko für weitere kardiovaskuläre Ereignisse ist in dieser Patientengruppe erhöht.1–4 Außerdem wurde über eine geringere Beteiligung an Rehabilitationsprogrammen sowie über eine verringerte Adhärenz zu risikoreduzierenden Empfehlungen berichtet. Ein psychiatrisches Screening sollte daher bereits früh nach Eintreten des MI erfolgen, damit psychologische Interventionen entsprechend angeboten werden können.1 Nachdem die Rehabilitation üblicherweise zeitnah nach Entlassung aus der Klinik stattfindet, sind Rehabilitationseinrichtungen der optimale Ort dafür. Kardiale Ereignisse treten meist plötzlich auf und können eine traumatische Wirkung auf die Patient:innen haben.

Eine erfolgreiche Rehabilitation kann die Prognose entscheidend verbessern.5 Eine Metaanalyse der Zeitschrift Clinical Cardiology fand ebenfalls Korrelationen zwischen Angst und schlechterem klinischem Outcome. Es wurde gezeigt, dass das Risiko von kurzzeitigen Komplikationen im Vergleich zu Personen ohne Angststörung um 23 % und die Langzeitmortalität um 16 % erhöht sind. Die langfristige Prognose verschlechterte sich bei dieser Patientengruppe um 27 %, während das Langzeitrisiko für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse sogar um 54 % erhöht war. In die Metaanalyse wurden 16 Studien mit insgesamt 9.373 Patient:innen inkludiert. Mit einem Anteil zwischen 61,2 % und 100 % herrschte in den Untersuchungen durchgängig ein deutlicher Männerüberschuss3, obwohl Frauen signifikant häufiger von Angst und Depression nach einem MI betroffen sind.2

Psychologische Interventionen

Ein kürzlich im Journal Health Psychology publizierter Review konnte zeigen, dass psychologische Interventionen einen überwiegend positiven Einfluss haben. Es wurden 18 Studien untersucht, wovon 10 über eine signifikante Reduktion der Angststörungen durch psychologische Betreuung berichtet haben, verglichen mit der Standardbetreuung nach einem MI ohne psychologische Unterstützung. Drei Studien lieferten keine eindeutigen Ergebnisse, während 5 Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied nachweisen konnten. Die Art der Maßnahme hatte dabei keine entscheidende Bedeutung, und es wurden u. a. kognitive Verhaltenstherapie, Beratung, Psychotherapie, Entspannungstraining und Stressmanagement eingesetzt.6

Unterstützendes Schulungsprogramm

Eine andere Art von Intervention verwendete eine kleine, randomisierte, kontrollierte Studie, die im Rahmen eines Herz-Rehabilitationsprogramms durchgeführt wurde. Beide Gruppen nahmen an der Standard-Rehabilitation nach einem Herzinfarkt für 12 Monate teil. Dabei erhalten die Patient:innen ambulant Unterstützung im Umgang mit der zugrunde liegenden kardiovaskulären Erkrankung. Die experimentelle Gruppe erhielt zusätzlich ein Patientenschulungsprogramm, bei dem man Freiwillige anfangs für 3 Monate nach dem MI wöchentlich, danach mindestens einmal pro Monat zuhause besucht hat. Dort ging man individuell auf die Patient:innen ein und bot Informationen über Behandlungsempfehlungen sowie Unterstützung und Motivation bei der Umsetzung von Lebensstiländerungen wie eine Ernährungsumstellung, mehr Bewegung im Alltag oder beim Rauchstopp. Nach einem Jahr zeigte die experimentelle Gruppe eine signifikante Reduktion von Angstsymptomen und Depression, was einen positiven Einfluss solcher Interventionen auf die psychische Gesundheit nach einem Herzinfarkt vermuten lässt.7

Resümee

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein MI bei einem beachtlichen Teil der Patient:innen zu Depression und Angstsymptomen führt, wodurch die Prognose für weitere kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität verschlechtert wird. Psychologische Interventionen und begleitende unterstützende Maßnahmen sollten daher in die Rehabilitation integriert werden, um das Auftreten von Depressionen und Angststörungen zu reduzieren.