Multiple Sklerose (MS) ist eine autoimmunvermittelte Erkrankung, bei der es durch fehlgesteuerte Immunreaktionen zu entzündlichen Prozessen und folglich zu Schädigungen im zentralen Nervensystem kommt. Die Symptome sind je nach Lokalisation sehr unterschiedlich und reichen von Sehstörungen über Sensibilitätsstörungen bis hin zu Lähmungen oder kognitiven Einschränkungen.
Meist verläuft die Erkrankung schubförmig, in seltenen Fällen ist bereits zu Beginn ein schleichend progredienter Verlauf zu beobachten. Auch ein Übergang von einem schubförmigen in einen progredienten Verlauf ist möglich. Diese Unterscheidung ist für den Einsatz der unterschiedlichen verlaufsmodifizierenden Medikamente wichtig.
Die Diagnosestellung basiert auf den international etablierten McDonald-Kriterien, die seit ihrer Einführung 2001 mehrfach überarbeitet wurden. Die jüngste Aktualisierung 2024 (präsentiert auf Fachkongressen, aber noch nicht publiziert) ermöglicht eine noch frühere und präzisere Diagnosestellung. Neben der klinischen Präsentation spielen Bildgebung mittels MRT (inklusiver neuer Merkmale) und die Liquordiagnostik eine zentrale Rolle.
Erst nach Vorliegen der erforderlichen Kriterien sowie dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen wie zum Beispiel Gefäßerkrankungen oder Infektionen kann die Diagnose MS gestellt werden, und erst dann sollten Therapieoptionen für den diagnostizierten Krankheitsverlauf eingesetzt werden. Eine rasche und korrekte Diagnose durch erfahrene Neurolog:innen ist entscheidend für einen günstigen Krankheitsverlauf.
Obwohl eine Heilung derzeit nicht möglich ist, lässt sich der Verlauf durch moderne Therapien heute deutlich positiv beeinflussen. Zentrale Ziele der Behandlung sind die Reduktion der Schubfrequenz, die Verhinderung neuer MS-bezogener Veränderungen in der Bildgebung, die Verzögerung der Behinderungsprogression und somit die Erhaltung der Lebensqualität.
Für die Therapie der schubförmigen MS stehen aktuell viele wirksame Medikamente zur Verfügung. Neuere Studiendaten zeigen, dass ein früher Einsatz hochwirksamer Therapien langfristig vorteilhaft sein kann – auch im Hinblick auf die Verhinderung progredienter Verläufe.
Die Therapie der progredienten, schleichend verlaufenden MS stellt hingegen nach wie vor eine große Herausforderung aufgrund unterschiedlicher Entzündungsmechanismen dar. Während sich bei der schubförmigen MS der Entzündungsprozess sowohl im peripheren Immunsystem als auch über Interaktion über die Blut-Hirn-Schranke im zentralen Nervensystem abspielt, ist der Entzündungsprozess bei progredienten Verlaufsformen im zentralen Nervensystem eingeschlossen und vom peripheren Immunsystem getrennt. Dies macht diese Form der Erkrankung für viele Medikamente unzugänglich.
Die Behandlung der Multiplen Sklerose umfasst die Behandlung akuter Schübe, die verlaufsmodifizierende Therapie zur Verhinderung neuer Entzündungen sowie die Therapie von Symptomen, wobei ein multimodales Therapiekonzept dabei wesentlich ist:
Die Einteilung der verlaufsmodifizierenden Medikamente erfolgt je nach Wirksamkeit in 3 Kategorien und sollte an die Krankheitsaktivität angepasst werden (Abb.).
Bei den derzeit zur Verfügung stehenden Medikamenten handelt es sich einerseits um immunmodulierende Medikamente, die in den Entzündungsprozess regulierend eingreifen (Kategorie 1). Bei hoher Krankheitsaktivität oder unzureichendem Ansprechen können andererseits immunsuppressive Medikamente eingesetzt werden (Kategorie 2 und 3). Immunsuppressive Medikamente können jedoch das Immunsystem schwächen und anfälliger für Infekte machen.
Anhand intensiver Forschung zeigte sich in den letzten Jahren ein enormer Zuwachs neuer Medikamente zur Behandlung der MS. Weitere Therapieoptionen werden aktuell in klinischen Studien untersucht und bei positiven Ergebnissen vielleicht schon bald Eingang in die Therapieliste finden.
Welches Medikament jedoch für die jeweiligen Patient:innen geeignet ist, muss individuell nach Krankheitsverlauf, Aktivität und Klinik entschieden werden. Wichtig ist auch eine gemeinsame Entscheidung nach ausführlicher Aufklärung, um eine möglichst gute Krankheitskontrolle bei möglichst geringen Nebenwirkungen und eine regelmäßige Einnahme durch die Patient:innen zu gewährleisten.