Nitrofurantoin und Fosfomycin: neue Antibiotika für Harnwegsinfekte

Die antibiotische Therapie von Harnwegsinfekten (HWI) ist seit geraumer Zeit durch regionale und überregionale Resistenzentwicklungen und in den vergangenen Jahren vermehrt durch Berücksichtigung nachteiliger mikrobiologischer Nebenwirkungen im Sinne von „collateral damages“ komplex geworden. Dementsprechend ist auch in der Behandlung der akuten, unkomplizierten Zystitis die Miteinbeziehung von alten, aber bewährten Antibiotika wie Fosfomycin und Nitrofurantoin notwendig, was auch in den meisten aktuellen Richtlinien und Empfehlungen seinen Ausdruck findet. Eine profunde Kenntnis dieser Substanzen hinsichtlich Indikation und ihrer Limitationen ist somit essenziell.

Die Unterscheidung von unkomplizierten und komplizierten HWI ist Grundlage für adäquates diagnostisches und therapeutisches Management und basiert auf anatomischen und funktionellen Gegebenheiten, Nierenfunktionsstörungen oder Begleiterkrankungen, die HWI oder deren Komplikationen beeinflussen. Ebenso hat sich die Unterscheidung „unterer“ (großteils Zystitis) gegenüber „oberer“ HWI (großteils Pyelonephritis) in der klinischen Praxis bewährt, auch wenn in Einzelfällen die Abgrenzung nicht völlig klar zu treffen ist. Zusätzlich muss das Erkrankungsbild auf definierte Patientengruppen wie zum Beispiel prä- und postmenopausale Frauen oder HWI bei Diabetikern bezogen werden, da der klinische Verlauf sowie die diagnostische und therapeutische Vorgehensweise je nach Gruppe variieren können. Um den Stellenwert von Fosfomycin und Nitrofurantoin in der Behandlung von HWI festzulegen, muss man sich auf die Behandlung der unkomplizierten HWI beschränken, da diese Substanzen in erster Linie für diese Indikation zugelassen sind.

Fosfomycin

Fosfomycin wurde Anfang der 1970er-Jahre entwickelt und greift durch irreversible Hemmung der Mureinbiosynthese von empfindlichen Erregern ein und wirkt somit bakterizid. In Verbindung mit Trometamol liegt Fosfomycin als Salz vor, welches bei mäßiger Resorption dennoch eine ausreichende orale Bioverfügbarkeit gewährleistet. Fosfomycin-Trometamol (FT) ist als Granulat in einer Dosierung von 3 g als Einzeldosis verfügbar und erreicht nach Einnahme eine therapeutische Konzentration im Harn über 2 bis 4 Tage.
FT kommt einigen in aktuellen Leitlinien formulierten Zielvorgaben in der Behandlung von HWI in hohem Ausmaß nach: Die Verabreichung einer Einzeldosis erfüllt das Ziel der möglichst kurzzeitigen Therapie und erhöht somit die Adhärenz der Patienten. Das Risiko für biologische „collateral damages“ ist verhältnismäßig gering und die klinische und mikrobiologische Wirksamkeit hoch.

Die Resistenzraten von E. coli gegenüber FT beziehungsweise des gesamten Erregerspektrums einer Zystitis gegenüber FT bei Frauen lagen in der 2008 publizierten ARESC-Studie bei 2 % und 4 %, in der REHIP-Studie (2012) bei 6 % und in der LORE-Studie (2016) bei 4 %, jeweils gegenüber E. coli. Die ESBL-Raten von E. coli lagen laut AURES-Bericht 2016 bei Harnisolaten bei 6,9 % im ambulanten und bei 8,2 % im stationären Bereich. Somit bewegen sich die Resistenzraten von FT trotz mittlerweile langjährigem und zunehmendem Einsatz im niedrigen einstelligen Bereich, was meist auch auf die regionalen Resistenzdaten zutrifft (Labor Mustafa/Richter, Salzburg 2013–16). Allerdings muss erwähnt werden, dass Staphylococcus saprophyticus, der mit einer Häufigkeit von etwa5 % an der akuten unkomplizierten Zystitis von Frauen ursächlich beteiligt ist, intrinsisch resistent gegenüber FT ist und dass im europäischen Durchschnitt die Resistenzrate von Klebsiella spp. bei 56,7 % liegt.
Dennoch, die nun über Jahre andauernde günstige Resistenzlage von FT dürfte daran liegen, dass im Harn hohe bakterizide Wirkspiegel erreicht werden, die die Selektion von resistenten Erregerstämmen hintanhalten. Darüber hinaus wurde in vitro nachgewiesen, dass Enterobakterien mit chromosomalen Resistenzen gegenüber FT Virulenzfaktoren einbüßen und somit klinisch kaum relevant in Erscheinung treten können. Die Beschränkung von FT auf die Behandlung der Zystitis und das nur als Single-Shot-Therapie dürfte darüber hinaus eine wesentliche Rolle im Erhalt der Empfindlichkeit der pathogenen Erreger spielen. Die Auswirkungen hinsichtlich mikrobiologischer Kollateralschäden im Sinne von Begünstigung der Entwicklung von ESBL-positiven Enterobakterien und Clostridium-difficile-induzierter Kolitis sind gering.

Die Hauptindikation zum Einsatz von FT ist die akute, unkomplizierte Zystitis bei Frauen, wobei bei postmenopausalen Frauen weniger Studiendaten hinsichtlich mikrobiologischer und klinischer Effizienz vorliegen. Der Einsatz von FT bei akuter Zystitis in der Schwangerschaft ist zulässig, allerdings nicht in der Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie, da diese mit einer signifikant erhöhten Rate an verringertem Geburtsgewicht einhergeht. FT hat aufgrund des günstigen Resistenzprofils ebenso einen hohen Stellenwert bei akuter Zystitis durch ESBL produzierende gramnegative Erreger und in der Prävention bei rezidivierenden HWI bei Frauen. Die Prävention erfolgt in einer Dosierung von 3 g alle 10 Tage, üblicherweise über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten, wenn nichtantibiotische Maßnahmen zur Rezidivprävention ausgeschöpft sind. Für die Anwendung von FT zur Behandlung von HWI bei Männern liegen keine Studien vor. Das Nebenwirkungsprofil von FT ist günstig und auf gastrointestinale Beschwerden beschränkt.

Nitrofurantoin

Nitrofurantoin (NF) wird nach oraler Verabreichung rasch und nahezu vollständig resorbiert, die Elimination erfolgt fast gänzlich über den Harn. Die Resistenzsituation von E. coli gegenüber NF ist so wie bei FT in den meisten rezenten europäischen Studien als günstig zu bezeichnen, das heißt die Resistenzrate liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Somit ist NF in dieser Hinsicht für die empirische Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis sehr gut geeignet, weshalb es sich neben FT und Pivmecillinam als Empfehlung der ersten Wahl in den maßgeblichen Leitlinien wiederfindet. Staphylococcus saprophyticus ist in der Regel empfindlich, Proteus mirabilis, Serratia marcescens, Pseudomonas aruginosa und Acinetobacter spp. sind allerdings intrinsisch resistent. Das Profil von NF hinsichtlich mikrobiologischer Kollateralschäden scheint ebenfalls gering zu sein.

Das Indikationsgebiet von NF in einer Dosierung von 50 mg 4-mal täglich über 7 Tage oder in retardierter Form 100 mg 2-mal täglich über 5 Tage beschränkt sich auf die akute unkomplizierte Zystitis sowohl von Frauen als auch von Männern; bei letzteren nur dann, wenn keine begleitende Prostatitis vorliegt. Die Rezidivprophylaxe durch NF erfolgt mit 50–100 mg täglich über einen Zeitraum von 3 bis 6 Monaten, ebenso wie bei FT, wenn sonstige nichtantibiotische Maßnahmen ausgeschöpft sind.

Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils von NF ist in erster Linie auf gastrointestinale Beschwerden hinzuweisen, die in Studien bei bis zu 28 % zu Therapieabbrüchen führten. Die Einnahme mit Essen oder Milch verbessert die enterale Verträglichkeit deutlich. Unerwünschte pleuropulmonale Arzneimittelwirkungen können als Dyspnoe, Pleuritis, selten als allergisches Lungenödem oder interstitielle Pneumonie in Erscheinung treten. Eine NF-induzierte Lungenfibrose spielt bei der Standardtherapie keine Rolle und wird erst bei Therapiedauern von mehr als 6 Monaten beschrieben. Des Weiteren sind gelegentlich Störungen bei Leber- und Nierenfunktion zu beobachten, weshalb entsprechende Kontrollen erfolgen sollten. Bei vorbestehenden Hepatopathien sollten diese Kontrollen zur Erfassung von zusätzlichen Leberschädigungen durchgeführt werden. Laut Fachinformation ist NF bei jeder Form von Niereninsuffizienz und bei vorliegendem Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel kontraindiziert. Der Einsatz von NF im letzten SS-Trimenon ist wegen der Gefahr hämolytischer Anämien des Neugeborenen in der Regel kontraindiziert.

Resümee

Die adäquate Behandlung von HWI ist trotz häufigem Vorkommen in der täglichen klinischen Praxis komplex. Variabilität der Erkrankungen bei unterschiedlichen Patientengruppen, die sich entwickelnde Resistenzsituation, der Mangel an Neuentwicklungen und Erfordernisse des Antibiotic Stewardship müssen uns veranlassen, unter Bezugnahme auf aktuelle Leitlinien und fundierte wissenschaftliche Literatur alle therapeutischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Diese beinhalten auch die Neupositionierung alter Antibiotika wie FT und NF auf Basis rezenter mikrobiologischer und klinischer Studien.