Wie ist das Ordi-Hopping Vienna entstanden, und war ein Qualitätszirkel von Anfang an der Plan?
Dr.in Melanie Hobik: Unsere Idee war, die Ärzt:innen Wiens ein bisschen zu vernetzen.
Wir dachten, es wäre nett, wenn wir uns gegenseitig die Ordinationen zeigen und anschauen könnten, und dass es gut wäre, wenn es dafür auch Diplomfortbildungspunkte gibt.
Wie ist das Format so eines Qualitätszirkels?
Hobik: Das Format bleibt immer gleich: Zunächst gibt es eine kurze Vorstellung der Praxis mit ein paar Kernmerkmalen (z.B. Scheinzahl, Personal, spezielles Versorgungsspektrum). Für die Abhaltung des Qualitätszirkels benötigt man einen Raum, in dem ca. 20 Personen Platz haben– dafür bietet sich zum Beispiel das Wartezimmer an. Bei der Veranstaltung gibt es auch immer etwas zu trinken und kleine Snacks. Diese werden von der Praxis besorgt, die ÖGAM Wien refundiert die Kosten – was am Ende des Abends vom Essen übrigbleibt, kommt dem Ordi-Team zugute.
Die ÖGAM Wien übernimmt die Bewerbung, Anmeldung und DFP-Approbation. Sie stellt auch eine:n ausgebildete:n Moderator:in für den Qualitätszirkel.
Wir starten meist so gegen 19:30. Die Ordination stellt sich zuerst im Rahmen einer Führung vor. Nach dem Rundgang setzen wir uns in einen Kreis – es ist alles unkompliziert, informell. Bei Snacks und Getränken werden die Fragen aus der Gruppe gesammelt, die das aktuelle Thema betreffen. Danach werden die Fragen besprochen, und es findet ein intensiver Austausch statt.
Wie wird der Qualitätszirkel angekündigt?
Hobik: Derzeit vor allem in den verschiedenen WhatsApp-Gruppen, die es in Wien gibt, zumBeispiel zu Vertretungen in Wien, Jungmediziner:innen, Allgemeinmediziner:innen Wien, Lehrpraxisgruppen, Turnusärzt:innen etc. Die Ankündigung erfolgt in der Regel etwa zwei Wochen vorher.
Welche Themen wurden bereits bearbeitet?
Hobik: Beim ersten Qualitätszirkel, der im PVE Sonnwendviertel stattfand, ging es um Vertretungen. Die meisten Teilnehmer:innen waren Turnusärzt:innen. Es war uns auch wichtig, eine gewisse Vernetzung zwischen den Jungärzt:innen, die in PVE beschäftigt sind, zu fördern.
Der zweite Qualitätszirkel war im PVZ Fünfhaus, Thema: „Hausbesuche als Teil der Routineversorgung?“ Unter den Teilnehmer:innen gab es einige PVE-Neugründer:innen. Wieder kamen mehrere Ärzt:innen, die gerade ihren Turnus im Spital absolvieren, aber auch einige Alteingesessene, die wissen wollten, wie die „Neuen“ mit dem Thema umgehen. Fragen waren unter anderem: Wie kann man Hausbesuche optimieren, wie machen es andere?
Bei diesem Qualitätszirkel war es tatsächlich schwierig, die Zeit einzuhalten – da sind einige noch länger geblieben und haben sich ausgetauscht.
Was waren die Ergebnisse der Qualitätszirkel, und gab es erkennbare Unterschiede im Umgang mit alltäglichen Herausforderungen bei der Arbeit?
Hobik: Nein, im Gegenteil, mir sind eher die Gemeinsamkeiten aufgefallen – dass die meisten mit den gleichen Themen ihre Schwierigkeiten hatten.
Insgesamt habe ich das Gefühl, dass sich vor allem Ärzt:innen, die Gründer:innen eines PVE sind, für unsere Qualitätszirkel interessieren – es sind Jungunternehmer:innen, die sich gerne Tipps von Alteingesessenen holen. Zum Beispiel schon bei der Planung, vor der Umsetzung auf manche Dinge zu achten, die sich nach der Praxiseröffnung nur mehr schwer einrichten lassen. Dabei handelt es sich sowohl um organisatorische als auch um bauliche Maßnahmen. Insgesamt sind das genau die Informationen, die man nicht wirklich aus Büchern oder der Fachliteratur bekommt.
Was sind aus deiner Sicht die Vorteile beim Abhalten eines Ordi-Hoppings in der eigenen Ordination, was sind mögliche Hindernisse?
Dr.in Renate Hoffmann-Dorninger: Es wird von den Praxisinhaber:innen oftmals nicht als Chance wahrgenommen – dabei ist es genau das: „Ich bekomme einen Qualitätszirkel frei Haus geliefert.“ Die DFP-Punkte gelten auch für mich, die Veranstaltung ist gut fürs Vernetzen. Es ist ebenfalls wichtig zu erkennen, dass andere letztendlich auch nur mit Wasser kochen.
Was hast du in deiner Rolle als Beobachterin und aktive Mitdiskutiererin wahrgenommen?
Hoffmann-Dorninger: Es waren viele junge Ärzt:innen da, um sich das anzuschauen – gleichsam ein Blick in die Zukunft. Man bekommt Anregungen, wie man die theoretischen Konzepte, die man gelernt hat, in die Praxis umsetzen kann, als Anwender:in. Es liegt in der Natur der Sache, dass das nicht so einfach ist. Es gibt Dinge, die man nicht in Zahlen pressen kann. Die Qualitätssicherung arbeitet mit Kennzahlen, was zwar angemessen ist, aber nicht alles abdeckt.
Zu manchen Themen, wie zum Beispiel der Lehrpraxis, gibt es immer wieder neue Vorschriften, die man in diesem Rahmen abarbeiten kann.
Digitale Vernetzung ist kein Sozialkontakt. Dieses Format hingegen ist eindeutig gut als Vernetzungstool – es hilft, Leute zusammenzubringen.
Welche Erkenntnisse bzw. Ergebnisse gab es in den beiden Qualitätszirkeln?
Hoffmann-Dorninger: Bei einem Gespräch mit anderen PVZ ging es um den Umgang mit baulichen Gegebenheiten wie fensterlose Räume, Mangel an Fläche, Denkmalschutz. Dadurch, dass wir alle miteinander Unternehmensführung nicht gelernt haben, sind solche Tipps, die gar nicht auf die Medizin bezogen sind, besonders hilfreich. In allen sonstigen Informationsveranstaltungen zur Ordinationsgründung wird das nicht abgedeckt.
Zum Thema Visiten: Die Nachfrage nach hausärztlichen Visiten ist rückläufig. Viele Patient:innen trauen sich auch gar nicht mehr, um eine Visite zu bitten. Stattdessen wird oft auf die Nutzung von 1450 gesetzt, wo man mit einer KI oder einer natürlichen Ahnungslosigkeit bewertet wird. Das hilft uns nicht weiter, da Menschen so vielgestaltig sind: Wenn man Regeln aufstellt, findet man immer Patient:innen, die da nicht hineinpassen. Ich habe schon gehört, dass das biopsychosoziale Modell vielerorts angeblich ausgedient hat, aber im hausärztlichen Bereich bleibt das ganz wichtig. Auch gibt es Stakeholder:innen, die Primary Care in ihrem Herzen fälschlicherweise als „Erste Hilfe“ übersetzen, obwohl der eigentliche Schwerpunkt in der Langzeitbetreuung liegt.
Analog die EbM-Guidelines: An diese Regeln sollte, muss man sich aber nicht halten. Wenn ich mich an diese Regeln halte, habe ich die Rechtsprechung auf meiner Seite. Aber in begründeten Fällen darf ich davon abweichen, wenn ich weiß, was ich tue. Die Guidelines sind ein Wanderstock: „Du kannst dich darauf stützen, du kannst dich damit verteidigen, aber gehen musst du letztlich selbst.“
Wie geht es mit dem Ordi-Hopping Vienna weiter?
Hobik: Jetzt ist Sommerpause, im Herbst kommt das nächste Ordi-Hopping in der Teampraxis im 6. Das genaue Thema wird noch bekanntgegeben. Wir freuen uns aber immer über weitere Praxen*, die ihre Ordinationen gerne herzeigen möchten und für einen Abend zur Verfügung stellen würden.