PRO: „Für ein duales System“

Wie beurteilen Sie den jüngsten Bericht der Bundeswettbewerbsbehörde?

Dr. Klaus Schweitzer: Das bestätigt eine notwendige Änderung, um die medizinische und medikamentöse Versorgung im ländlichen Bereich sicherzustellen. Alle vorgeschlagenen Maßnahmen sind für uns nachvollziehbar. Das sind Lösungsvorschläge wie etwas die ersatzlose Streichung der Mindestentfernung. Damit muss sich der Patient ein Medikament nicht irgendwo weit entfernt holen.

Die Apotheken argumentieren, dass das Vier-Augen-Prinzip zwischen Verschreiber und Abgeber fehlt, Ärzte keine Nachtdienste machen und der Vorschlag dazu führen wird, dass Apotheken zusperren müssen. Geht der Vorschlag nicht zu weit?

Wenn ein Arzt ein Medikament aufschreibt, kann er es dem Patienten auch gleich geben. Das Vier-Augen-Prinzip, das die Apotheker fordern, gibt es jetzt auch nicht: Es holt ja oft jemand anderes das Medikament für den Patienten ab. Zum Thema Nachtdienst ist zu sagen, dass ein Patient, der etwas Schwereres hat, sowieso zuerst zum Arzt muss. In der Schweiz hat jeder Arzt die Möglichkeit, eine Hausapotheke zu führen. Das hat zu keiner Schließung von Apotheken geführt. Wir sehen das ja auch im Handel: Lidl kann ja auch neben Billa bestehen.

Die Apotheken argumentieren, dass bei einem echten Wettbewerb, Ärzte auch längere Öffnungszeiten und Nachtdienste anbieten sollten. Außerdem möchten sie diskutieren, ob Apotheken nicht auch impfen, wie dies in der Schweiz möglich ist.

Ich bin dafür, dass man ein duales System schafft. Warum soll man Patienten nicht die Wahlmöglichkeit geben, selbst zu entscheiden, ob sie ein Medikament beim Arzt oder in der Apotheke bekommen wollen? Ich habe nichts gegen Apotheken, sie sollen überall aufsperren können, wenn parallel die Hausapotheken bleiben können. Zum Thema Impfungen: Wenn die Apotheker auch für die Versorgung im Notfall sorgen, wenn ein Patient überreagiert, sollen sie auch impfen können.

Die Frage, die immer wieder auftaucht, ist, warum Ärzte überhaupt eine Hausapotheke benötigen, um ihr wirtschaftliches Auskommen zu sichern. Sollte nicht die Vergütung eine andere sein?

Das wirtschaftliche Auskommen ist ein Teil der Frage, ein anderer ist die Versorgung. Wie soll ein Bauer am Berg zu einem Medikament kommen, wenn ich zur Visite komme und etwas verschreibe? Die Begründung, dass die Apotheke ein größeres Sortiment hat, gilt nicht. Ich weiß ja am Telefon schon ungefähr, was ich brauche, wenn ich frage, was der Patient hat: Husten, Halsweh, Fieber oder Ähnliches. Da weiß ich, was er etwa brauchen könnte, bevor ich hinfahre. Wie soll umgekehrt ein Apotheker ein Mexalen® auf den Berg bringen, wenn er dafür 1,90 Euro bekommt? Das wird sich nicht ausgehen.