Reform nimmt konkrete Formen an

Eine Einigung im Finanzausgleich über die Finanzierung von einem niedergelassenen und stationären Bereich könnte eine Aufwertung und mehr Geld für Kassenordinationen bringen. Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass Bund und Länder vor einem Durchbruch in den Gesprächen stehen. Im Mai traf sich dazu Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) für zwei Tage zu Gesprächen mit den Gesundheits­re­fe­rent:innen der Länder sowie Vertreter:innen der Sozialversicherungen im Burgenland. Die Kassen finanzieren den niedergelassenen Bereich und zahlen einen gedeckelten Pauschalbetrag für die Spitäler.

Gute Gespräche

Die Bereitschaft der Bundesländer zur Reform sei da, stellte Rauch nach den Gesprächen fest. Es habe das klare Commitment gegeben, dass das Gesundheitssystem Reformschritte braucht. Es gehe darum, gemeinsam sicherzustellen, dass das Gesundheitssystem zugänglich ist. Im nächsten Schritt wolle man an den Finanzminister herantreten, sagte Landeshauptmann Mag. Hans ­Peter Doskozil (SPÖ), der derzeit den Vorsitz der Landes­hauptleutekonferenz innehat. Die notwendigen Konzepte sind laut Rauch bereits weit gediehen, wobei es etwa darum geht, den niedergelassenen Bereich zu ­stärken: „Die Leute sollen nicht in die Spitalsambulanz gehen, weil sie keinen Termin bei einem niedergelassenen Arzt oder einer niedergelassenen Ärztin bekommen.“ Festgehalten habe man, dass es eine gemeinsame Steuerung und Verbindlichkeit braucht. Dann werde es auch mehr Geld vom Bund geben. Später legte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach und versprach: noch heuer soll es Geld für 100 zusätzliche Kassenstellen geben. Bis 2030 sollen es sogar 800 Stellen für Kassenärztinnen und -ärzte werden.

Verpflichtung für Länder

Dafür brauche es allerdings Reformen. In den vergangenen 15 Jahren seien viele wichtige Reformen im Gesundheitsbereich verschlafen worden, gab Nehammer selbstkritisch zu. Nun gelte es, in „exzellenter Zusammenarbeit“ mit dem Gesundheitsminister, der hier die gleichen ­Ziele verfolge, und gemeinsam mit den Ländern „wichtige Stellschrauben neu zu stellen“. Auch der ehemalige Finanzminister und Ex-Hauptverbandsvorsitzende Dr. Hans Jörg Schelling – aktuell Präsident des Vereins PRAEVENIRE – fordert Reformen ein. Steige das Minus der Kassen weiter, werde es dramatisch, sagt er im Interview mit der Ärzte Krone. „Die Länder als Spitalsträger müssen im Sinne des Föderalismus verpflichtet werden, gewisse Reformen umzusetzen. Wenn man das nicht einfordert, werden es die Länder auch nicht tun.“ Viel von dem, was in den vergangenen Jahren vereinbart worden sei, wurde nicht umgesetzt, kritisiert Schelling.

Mehr Geld fürs System

Sein Nachfolger, Finanzminister Dr. ­Magnus Brunner (ÖVP), stößt ins gleiche Horn: „Wir sind durchaus bereit, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wenn auf der anderen Seite auch strukturelle Maßnahmen, Reformen passieren“, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender Puls24. Mit dem Gesundheitsminister sei dies besprochen und eng abgestimmt. Ziel seien strukturelle Reformen. „Wir müssen Verbindlichkeiten herstellen über die Finanzierung und einen Kostenpfad erarbeiten“, sagte nach dem Treffen im Seewinkel auch Doskozil.

Ärztekammer zurückhaltend

„Wir freuen uns über das Bekenntnis zur Tatsache, dass wir mehr Geld im Gesundheitssystem brauchen“, ­kommentiert Dr. Harald Schlögel, geschäftsführender Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, die Signale aus der Regierung. Nur so ließen sich die Herausforderungen der Zukunft bewältigen. „Die Bevölkerung wird älter, der medizinische Fortschritt legt ein ­rasantes Tempo an den Tag, und wir müssen den Fokus auf Prävention statt auf Reparaturmedizin verlagern – all das wird ohne zusätzliches Geld nicht gelingen“, sagte Schlögel. „Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten müssen unser aller Ziel sein“, betonte auch Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Allerdings sollte es erst einmal darum gehen, die aktuell 300 offenen Kassenstellen zu besetzen, bevor neue geschaffen werden, kritisierte er den Nehammer-Vorstoß. Dazu müsse der kassenärztliche Bereich attraktiviert werden. „Nur so können offene Stellen überhaupt besetzt werden.“ Wutscher fordert dazu, die Ärzteschaft als Leistungserbringer in Reformen einzubinden. Leider lasse sich in jüngster Zeit ein gegenteiliger Trend feststellen.

Kommt aut idem?

Und tatsächlich hört man, dass einige Reformen die Ärzte­schaft nicht unbedingt freuen dürften. Realistisch scheint, dass – ambulante – Leistungen aus dem stationären Bereich in den niedergelassenen Sektor verlagert werden sollen. Umgekehrt könnte es neben mehr Kassenstellen zur Entlastung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auch zu Verschiebungen von Aufgaben etwa zu Apothekerinnen und Apothekern und der Pflege kommen. Ob es für die von den Apotheken geforderte Impfmöglichkeit reicht, ist noch offen. Die Grünen haben diese allerdings in den vergangenen Monaten ebenso präferiert wie eine Aut-idem-Regelung, bei der Apotheken ­einen erweiterten Notfallparagraphen erhalten, um leichter Medikamente im Fall von Lieferproblemen austauschen zu können.

Pflege übernimmt Aufgaben

Bereits fix ist eine Aufwertung der Pflege. So hat der ­Nationalrat Ende Mai beschlossen, dass in Zukunft Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeper­sonen (DGKP) bestimmte Medizinprodukte, die pflegerelevant sind, auch erstverordnen dürfen. Bisher war das Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Änderungen gibt es auch bei der Pflegegeldbegutachtung. Für eine Erstbegutachtung besuchen bisher die Ärztinnen und Ärzte die pflege­bedürftige Person zu Hause. Künftig kann ­diese Aufgabe auch Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal übernehmen.