„Rezept“ für eine entzündungshemmende Rheumadiät

“Man kann nicht gut denken, gut lieben, gut schlafen, wenn man nicht gut gegessen hat.“ Dieses Zitat von Virginia Woolf kann jeder nachvollziehen, der schon eine der vielen „Rheumadiäten“ im Internet versucht hat. Bei diesen Diäten handelt es sich meist um „Weglassdiäten“, es sollen Eiweiß, Nachtschattengewächse, Gluten, Milch etc. gemieden werden. Nicht nur, dass für diese Empfehlungen die wissenschaftliche Evidenz fehlt, sie führen zu Fehl- und Mangelernährung, und gerade das soll ja vermieden werden.
Gibt es überhaupt eine „Rheumadiät“? Nein, es gibt keine spezielle Diät, und ja, es gibt eine gesunde, wohlschmeckende Kost, die für unsere Rheumapatienten geeignet ist. Das Ziel ist eine entzündungshemmende Diät. Entzündungsfördernde Nährstoffe sollen nach Möglichkeit gemieden, entzündungshemmende Nährstoffe vermehrt aufgenommen werden.

Die Zutaten der entzündungshemmenden Kost

Fleisch

Fleisch hat einen hohen Arachidonsäureanteil und soll deshalb nur in Maßen gegessen werden. Aber Achtung: Der häufig in der Laienpresse postulierte Verzicht auf Fleisch ist unnötig! Generell soll das Fleisch von grasfressenden Tieren und Tieren aus biologischer Haltung bevorzugt werden. Das Fleisch von Wild enthält weniger Arachidonsäure als das von Raubtieren und Schweinen.

Omega-3-Fettsäuren

Sie sollen im Zentrum der entzündungsarmen Ernährung stehen und finden sich besonders reichlich in Fischen und Ölen. Fische enthalten neben dem hohen Anteil an Omega-3-FS Eiweiß, Vitamin D, B1, B2, B6, B12, Biotin, Vitamin A und Jod. Das Eiweiß im Fisch ist leicht verdaulich, hochwertig und wird vom Körper besser aufgenommen als das Eiweiß aus Pflanzen. Reichlicher Fischgenuss hilft bei allen chronischen Krankheiten!
Fette Fische sind besonders reich an Omega-3-FS. 3 Portionen Fisch pro Woche senken das Risiko für Gelenkerkrankungen um 24 %. In diesem Zusammenhang sind unsere Fische aus heimischer Produktion zu erwähnen, sie sind durch unsere ausgezeichnete Wasserqualität ein hochwertiges Nahrungsmittel. Besonders hervorzuheben sind die Forelle und der Alpenlachs. Hingegen kann der kostengünstige Pangasius, der sich in vielen Tiefkühlfächern tummelt, nicht empfohlen werden. Er ist der „Mastfisch“ aus Massenzüchtungen und mit vielen Chemikalien „gewürzt“.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verwendung von Ölen mit einem hohen Anteil an Alpha-Linolensäure. Diese findet sich in Rapsöl, Walnussöl, Leinöl und Weizenkeimöl. Die großzügige Verwendung dieser entzündungshemmenden Öle ist vor allem für Menschen geeignet, die keinen Fisch mögen.
Auch die Gamma-Linolensäure hat einen entzündungshemmenden Effekt. Sie wird im Körper zur Dihomo-Gamma-Linolensäure aufgebaut, die ein Hemmstoff der Eicosanoidbildung aus Arachidonsäure ist. Gamma-Linolensäure findet sich in Ölen wie dem Nachtkerzenöl, dem Borretschöl und dem Öl der schwarzen Johannisbeere. Die Verwendung der Öle hat nicht nur einen positiven Effekt, dadurch kann der Speiseplan auch sehr abwechslungsreich gestaltet werden.

Depressionen sind häufig eine Komorbidität bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen. In Studien konnte nun die antidepressive Wirkung von Omega-3-FS nachgewiesen werden, sie bessern auch Erschöpfung und Abgeschlagenheit. Der Leinsamen ist ein Omega-3-FS-reiches pflanzliches Lebensmittel, die Aufnahme von einem Esslöffel gemahlenen Leinsamen pro Tag, z. B. mit Joghurt und Beeren, schmeckt gut und wirkt.
Öle enthalten auch wichtige Antioxidanzien wie z. B. Vitamin E. Besonders reich an Vitamin E ist Weizenkeimöl. Psoriasispatienten wenden es häufig auch äußerlich an, es bessert das Hautbild und wirkt gegen Juckreiz.
Hingegen sollten Sonnenblumen-, Maiskeim- und Distelöle gemieden werden, sie sind reich an den entzündungsfördernden Omega-6-FS. Sonnenblumen- und Maiskeimöle werden gerne zum Braten verwendet, der Umstieg auf Raps- oder Olivenöl zahlt sich aus.

Gemüse und Obst

Die ideale Rheumadiät ist pflanzenbasiert, bestehend aus 450 g Gemüse und 250 g Obst pro Tag. Gemüse und Obst enthalten die viel benötigten Antioxidanzien wie Vitamin E, Vitamin C, β-Carotin oder Selen. Die tägliche Einnahme einer Vitamintablette reicht nicht aus, unser Körper mag „Kraftpakete“ – also Apfel statt Vitamintablette. Die in Gemüse und Obst enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe haben viele Wirkungen: entzündungshemmend, antibakteriell, antioxidativ, antiviral, antithrombotisch, cholesterinsenkend, immunmodulierend, neuroprotektiv u. v. m.Sauerkraut, Kohlrabi, Karotten, Spinat, Zucchini, rote Rübe, alle Salatsorten, Zwiebel, Paprika, Brokkoli, Kohlsprossen und Grünkohl sollten sich auf dem täglichen Speiseplan treffen. Wussten Sie, dass die verschiedenen Kohlarten mehr Vitamin C enthalten als Orangen?
In einer rezenten Studie konnt Bonaccio et al.1 die positiven Wirkungen von Chilischoten nachweisen, der Genuss führte zu einer signifikanten Reduktion der kardiovaskulären Mortalität – auch eine häufige Komorbidität bei Rheumapatienten.

In Obst sind neben den Antioxidanzien eine Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen enthalten. Polyphenolreiches Obst wie Äpfel, Birnen und Beeren sind besonders zu empfehlen.

Nicht unerwähnt möchte ich die positiven Eigenschaften von Kräutern und Gewürzen lassen. Curcuma, Ingwer, Koriander, Kreuzkümmel und Muskatnuss wirken entzündungshemmend und schmerzstillend.

Hülsenfrüchte sind eine wichtige Eiweißquelle, sie können sehr vielseitig verwendet werden und beleben dadurch den Speiseplan, der durch den Einsatz von Vollkornbrot, Haferflocken und Vollkornnudeln abgerundet wird.

Nüsse

Die tägliche Aufnahme von 20 g Nüssen und Samen (z. B. Haselnüsse, Walnüsse, Mandeln, Sesam, Leinsamen) rundet den Speiseplan ab. Das Essen von zwei Paranüssen pro Tag deckt den Selenbedarf ab!

Kalzium – eine wichtige Zutat, besonders bei Osteoporose. Milchprodukte stellen eine wichtige Kalziumquelle dar, es sollten täglich drei bis vier Portionen fettreduzierter Milch und Milchprodukte konsumiert werden. Bei Käse gilt die Devise: Je härter der Käse, umso mehr Kalzium. Zusätzlich sollten kalziumreiche Gemüsesorten wie Broccoli, Kresse, Mangold, Spinat und Kohl, Kräuter, z. B. Petersilie und Dille, oft auf dem Speiseplan stehen, zusätzlich kalziumreiches Mineralwasser.

Die Mahlzeit darf durch ein Glas Wein abgerundet werden. Eine schwedische Studie zeigte, dass das Risiko, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken, durch den täglichen Genuss von einem Glas Wein gesenkt werden kann. Bereits Erkrankte können durch mäßigen, aber regelmäßigen Alkoholkonsum ihre Beschwerden lindern. Zusätzlich unterdrückt der Alkohol die Aktivität des Immunsystems und damit die Entzündung in den Gelenken. Eine schmerzbetäubende Wirkung wird zusätzlich vermutet.

Zum Schluss: Abnehmen lohnt sich! Übergewicht und Adipositas begünstigen ein proinflammatorisches Klima im Körper und damit die Entzündungsprozesse. Übergewichtige und Adipöse benötigen mehr Medikamente, häufiger ein Biologikum und sprechen auch schlechter auf die Therapie an.

Zusammenfassung

Eine spezielle Rheumadiät gibt es nicht. Zu empfehlen ist eine abwechslungsreiche Kost aus frischem Obst und Gemüse, Fisch, gesunden Ölen, Fleisch am besten von Pflanzenfressern, Hülsenfrüchten, Kräutern und Gewürzen. Zu bevorzugen sind saisonale Produkte, am besten aus der Region. Ein Glas Wein darf dabei nicht fehlen. Gesundes Essen kann sehr gut schmecken, und man sollte es am besten mit Freunden und in der Familie genießen − und dabei sollte herzhaft gelacht werden.

 

Wissenswertes für die Praxis
  • Es gibt keine spezielle Rheumadiät.
  • Empfehlenswert ist eine abwechslungsreiche Kost aus frischem Obst und Gemüse, Fisch, gesunden Ölen, Fleisch am besten von Pflanzenfressern, Hülsenfrüchten, Kräutern und Gewürzen.
  • Rheumapatienten können und dürfen auch ein Glas Wein trinken.

 


Literatur:

  1. Bonaccio M et al., Chili Pepper Consumption and Mortality in Italian Adults. J Am Coll Cardiol. 2019 Dec 24; 74(25):3139-3149. DOI: 10.1016/j.jacc.2019.09.068.