Schwangerschaftsübelkeit – was hilft, und wann wird es gefährlich?

Der unkomplizierte Normalfall

In milder Ausprägung können die vor allem im 1. Trimenon auftretenden Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen (Nausea and Vomiting of Pregnancy – NVP) durchaus als normale Begleiterscheinungen der Schwangerschaft interpretiert werden.1 Je nach Literaturquelle wird eine Inzidenzbandbreite von 50 bis 90 % aller Schwangerschaften angegeben. Die Symptome beginnen etwa mit der 5.–6. Schwangerschaftswoche (SSW), haben ihren Häufigkeitsgipfel noch im 1. Trimenon, verschwinden in der Mehrzahl bis zur 20. SSW von allein, können aber in seltenen Fällen bis ins 3. Trimenon bestehen bleiben.2, 3

Über die Ursachen herrscht nach wie vor keine völlige Klarheit. Vor allem für die im ersten Trimenon erhöhten β-HCG-Werte als ursächlichen Faktor besteht eine gute Rationale, unter anderem sind auch Mehrlingsschwangerschaften bzw. Schwangerschaften mit Trophoblasterkrankungen (Blasenmole) deutlich häufiger mit Schwangerschaftsübelkeit/Hyperemesis gravidarum assoziiert. Aber auch ein Mangel an Vitamin B6 (Pyridoxin), eine verringerte ösophageale und gastrische Motilität mit einem zusätzlich relaxierten unteren Ösophagussphinkter sowie einer Assoziation mit Helicobacter-pylori-Infektionen werden diskutiert – insgesamt scheint also eine multifaktorielle Genese naheliegend.

Differenzialdiagnostisch muss bei Übelkeit und Erbrechen zu Beginn der Schwangerschaft auch an mögliche andere Ursachen wie etwa eine Gastroenteritis, Hepatitis oder Pankreatitis gedacht werden. Bei einem Teil der Frauen lässt sich im Rahmen einer endokrinen Abklärung eine Schilddrüsenfunktionsstörung im Sinne einer hyperthyreoten Stoffwechsellage verifizieren.1

Zunächst diätetische Maßnahmen mit einer Umstellung der Lebensgewohnheiten: Vor einer medikamentösen Behandlung sollten nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Verhaltensänderungen (Vermeiden von auslösenden Gerüchen etc.) versucht werden. In leichten Fällen von Übelkeit und Erbrechen genügen eine Anpassung der Ernährung auf eiweiß- und fettarme Kost auf Kohlenhydratbasis, häufigere, dafür kleinere Mahlzeiten, eine erste Mahlzeit (z. B. Knäckebrot) morgens vor dem Aufstehen sowie eine Pause bei der Einnahme von oralen Eisenpräparaten. Auch mit Ingwer als Phytotherapeutikum (z. B. als Kapseln) lassen sich die Beschwerden im Einzelfall deutlich mildern. Gegebenenfalls kann auch Akupressur versucht werden (TCM-Punkt P6 an der Handgelenkinnenfläche), für die allerdings keine Wirksamkeitsevidenz besteht. Zur Rehydratation bei Erbrechen eignen sich isotonische Getränke.

Medikamentöse antiemetische Therapieoptionen: Wenn nichtpharmakologische Maßnahmen versagen, können unterschiedliche Substanzen wie Vitamin B6 (Pyridoxin), Antihistaminika (H1-Antagonisten) wie Doxylamin, Dimenhydrinat oder Diphenhydramin und nachgereiht der Dopaminantagonist Metoclopramid oder der 5-HT3-Antagonist Ondansetron zum Einsatz kommen. Im deutschsprachigen Raum bestehen keine einheitlichen Leitlinien. Der ACOG (American Congress of Obstetricians and Gynecologists) empfiehlt ein abgestuftes Vorgehen nach Maßgabe der Wirksamkeits- und Sicherheitsevidenz: als Erstlinientherapie der Wahl Pyridoxin oder Doxylamin bzw. beide kombiniert (Empfehlungsgrad A), bei Nichtansprechen zusätzlich andere Antihistaminika wie Diphenhydramin, Dimenhydrinat oder Promethazin und erst bei weiter bestehender Symptomatik Metoclopramid bzw. Ondansetron im Off-Label-Einsatz wegen der diskutierten embryotoxischen Sicherheitsbedenken im 1. Trimenon (siehe Rote-Hand-Briefe).2 Die Antiemetika und Prokinetika zeigen bei begrenzter Anwendungsdauer eine gute Verträglichkeit und ein akzeptables Sicherheitsprofil auch in der Schwangerschaft.

Der Ausnahmefall: Hyperemesis gravidarum

Von Hyperemesis gravidarum spricht man, wenn die Schwangere mehrfach am Tag erbricht und mindestens 5 % an Gewicht verliert, was bei etwa 0,3–3,6 % aller weltweiten Schwangerschaften eintritt.4 Als Folgen treten meist eine Ketonurie, Flüssigkeits- und Nährstoffmangel sowie Elektrolytverschiebungen auf. Dadurch besteht die Gefahr einer mütterlichen Mangelernährung, die mit einem erhöhten Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht und intrauterine Wachstumsstörungen assoziiert ist.5

Stationäre Therapie: Patientinnen mit schwerer Hyperemesis gravidarum, Elektrolytentgleisung und Dehydratation müssen stationär behandelt werden. Primärmaßnahmen stellen Nahrungskarenz sowie eine parenterale Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution dar. In schweren Fällen, wenn ein langsamer enteraler Nahrungsaufbau nicht möglich ist, ist eine parenterale Ernährung erforderlich. Bei therapierefraktärem Verlauf können Kortikosteroide (Off-Label) zum Einsatz gelangen.1
Eine antiemetische Therapie kann langsam abgesetzt werden, wenn die Patientin mindestens eine Woche asymptomatisch ist.