Screening rettet Leben

Die Darmkrebsinzidenz steht in Österreich an dritthäufigster Stelle, hinsichtlich Mortalität ist das Kolorektalkarzinom mit 2.078 Todesfällen im Jahr 2023 nach dem Lungenkarzinom die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache.1 Erkrankte sind im Mittel zwischen 70 und 75 Jahren, bei Vorliegen von Risikofaktoren kann Darmkrebs jedoch auch wesentlich früher auftreten.2, 3 Bei unter 50-Jährigen sind die Kolorektalkarzinomzahlen in den letzten Jahren weltweit kontinuierlich im Steigen begriffen. Da diese Personengruppe üblicherweise nicht in das Risikoprofil fällt, erfolgt die Diagnose bei jüngeren Patient:innen häufig verspätet und in einem fortgeschrittenen Stadium.4 Etwa 30–40 % aller Darmkrebsdiagnosen betreffen Rektumkarzinome, zu denen Tumoren, deren Unterrand maximal 16 cm von der Anokutanlinie entfernt ist, zählen.3

Darmkrebsvorsorge in Österreich

Im Jahr 2024 wurde in Österreich das Alter für das Darmkrebsscreening herabgesetzt. Für Personen ohne Probleme, Vorerkrankungen oder familiäres Risiko wird im Alter zwischen 45 und 75 Jahren ein Screening mittels Koloskopie oder FIT (fäkaler immunologischer Test) empfohlen. Ein Wechsel zwischen beiden Methoden ist möglich. Ist der Befund unauffällig, soll die Koloskopie nach 10 Jahren bzw. der Stuhltest nach 2 Jahren wiederholt werden (erfolgt eine Koloskopie, ist kein FIT mehr nötig). Ist der FIT positiv, ist eine Koloskopie indiziert. Bei Vorerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, die das Darmkrebsrisiko erhöhen, sowie bei familiärem Risiko ist die Teilnahme am Screening nicht empfohlen. Diese Patientengruppen sollten an spezialisierten Zentren individuell beraten werden.5

Diagnostik und Staging

Bei neu aufgetretenen lokalen Symptomen (Blut im Stuhl, Änderungen der Stuhlgewohnheiten, Schmerzen, Krämpfe, Ileus) und/oder Allgemeinsymptomen (ungewollte Gewichtsabnahme, Leistungsknick, Anämie, paraneoplastische Syndrome) sind eine digitale rektale Untersuchung und eine Koloskopie mit Biopsie indiziert. Bestätigt sich der Krebsverdacht, sind weitere Untersuchungen zur Ausbreitungsdiagnostik (Staging) notwendig. Dazu zählen eine Sonografie des Abdomens, Abdomen-CT/MRT, Thorax-Röntgen, Thorax-CT sowie die Bestimmung von CEA und der MSI (Mikrosatelliteninstabilität).2, 3 Beim Rektumkarzinom sind darüber hinaus eine starre Rektoskopie sowie eine qualitätsgesicherte Becken-MRT angezeigt.3

Die Klassifikation des Tumorstadiums basiert auf den TNM-Kriterien der UICC (Union Internationale Contre le Cancer), wobei T für die Ausdehnung des Primärtumors, N für die Anzahl der betroffenen Lymphknoten und M für das Fehlen (M0) bzw. Vorhandensein (M1) von Fernmetastasen stehen.2, 3 Beim metastasierten Kolorektalkarzinom (Stadium IV) sind der RAS- und BRAF-Mutationsstatus sowie eine MSI bzw. eine gestörte Mismatch-Reparatur (dMMR) bei der DNA-Replikation von Bedeutung, da diese die Therapiewahl beeinflussen.2, 3

Therapieoptionen

Die Darmkrebstherapie richtet sich nach dem Stadium, den molekularbiologischen Eigenschaften des Tumors und der individuellen Situation der Patient:innen. Die Entscheidung, welche Therapiemöglichkeiten bzw. Kombinationen zur Anwendung kommen, wird in interdisziplinären Tumorboards diskutiert und festgelegt. Der Therapieanspruch in den Stadien I–III ist kurativ, aber selbst bei primär oder sekundär resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen kann eine Heilung möglich sein.2, 3

Nichtmetastasiertes Kolonkarzinom

Die radikale chirurgische Resektion des Tumors ist die Grundlage der kurativen Therapieansätze. Die Qualität der Chirurgie (Entfernung des regionären Lymphabflussgebietes, angemessener Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe) ist dabei für das Langzeitüberleben maßgeblich.2
Im Stadium I ist die chirurgische Resektion ausreichend, da eine adjuvante Chemotherapie keinen prognostischen Vorteil bietet. Auch im Stadium II steht die radikale Tumorresektion im Vordergrund, eine adjuvante Chemotherapie wird nur einer kleinen Subgruppe von Risikopatient:innen (z. B. T4-Tumor, Perforation, undifferenzierte Histologie) empfohlen.2 Die FOxTROT-Studie zeigte bei lokal fortgeschrittenen T3-/T4-Tumoren mit Mikrosatellitenstabilität (MSS) einen möglichen Nutzen einer neoadjuvanten Chemotherapie6; die Indikation ist jedoch im Einzelfall zu prüfen. Im Stadium III hat neben der chirurgischen Resektion die adjuvante medikamentöse Tumortherapie eine zentrale Bedeutung, da sie zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivrate sowie Erhöhung der Überlebensrate nach 5 Jahren führt. Therapiestandard bei jüngeren Patient:innen ist die kombinierte Chemotherapie (CAPOX- oder FOLFOX-Schema). Der Einsatz von Oxaliplatin ab einem Alter von 70 Jahren ist umstritten, bei Kontraindikation werden 5-FU/Folinsäure oder Capecitabin empfohlen. Weitere Zytostatika, Immuntherapien und monoklonale Antikörper zeigten in klinischen Studien bisher keinen signifikanten Vorteil gegenüber der Standard-Chemotherapie.2

Nichtmetastasiertes Rektumkarzinom

Auch hier ist im Stadium I die Operation die einzige Maßnahme, da weder eine neoadjuvante noch eine adjuvante Strahlen- bzw. Strahlenchemotherapie die Rezidivrate weiter reduziert. Im Stadium II und III kommen außerdem neoadjuvante und adjuvante Strahlen- oder Strahlenchemotherapie zum Einsatz. Hier besteht bei Patient:innen mit vollständiger klinischer Remission nach neoadjuvanter Radiochemotherapie die Möglichkeit des Verzichtes auf die sofortige Operation unter engmaschiger Überwachung (Watch-and-wait-Strategie) in spezialisierten Zentren.3Die Strahlen- bzw. Strahlenchemotherapie senken das Risiko für lokale Rückfälle beim lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom. Bei Karzinomen im oberen Rektumdrittel zeigt die Strahlentherapie nur einen geringfügigen Nutzen, hier wird i. d. R. ein analoges Vorgehen wie beim Kolonkarzinom empfohlen. Präoperativ werden entweder Kurzzeitbestrahlung oder konventionelle Langzeitbestrahlung eingesetzt. Die Kombination aus Strahlen- und Chemotherapie (v. a. mit 5-FU oder Capecitabin) ist wirksamer als Strahlentherapie allein, führt häufiger zu pathologischen Komplettremissionen und verbessert die lokale Tumorkontrolle, ohne jedoch das Gesamtüberleben signifikant zu steigern. Die Zugabe von Oxaliplatin erhöht die Toxizität und bringt nur geringen Zusatznutzen, daher wird sie nur bei jüngeren Patient:innen erwogen. In bestimmten Fällen kann bei definierten Kriterien auf eine Strahlentherapie verzichtet werden. Postoperative Strahlentherapie reduziert lokale Rückfälle, verbessert aber nicht das Überleben.3

Metastasiertes Kolorektalkarzinom

Während sich die Therapieempfehlungen beim Kolon- und Rektumkarzinom in den lokal fortgeschrittenen Stadien deutlich unterscheiden, sind jene für metastasierten Darmkrebs in den Leitlinien (bis auf wenige Ausnahmen) einheitlich. Die Mehrheit der Patient:innen im Stadium IV erhält eine palliative Therapie. Bei bis zu einem Viertel der Patient:innen mit synchronen Lebermetastasen, hepatischem Rezidiv oder auch isolierten Lungenmetastasen besteht jedoch ein kurativer Therapieanspruch; entscheidend ist die technische Möglichkeit einer R0-Resektion der Metastasen. Mittels einer Konversionstherapie kann die Gruppe der Patient:innen mit potenziell resektablen Metastasen durch Verkleinerung (Downsizing) vergrößert werden (sekundär resektabel). Auch bei wiederholten hepatischen Rezidiven sollte die Möglichkeit einer R0-Resektion jedes Mal erneut überprüft werden. Neben der Resektabilität von Metastasen hat die Tumorbiologie einen wesentlichen Einfluss auf die Rezidivrate.2, 3 Darüber hinaus können in der Behandlung von Leber- und/oder Lungenmetastasen auch lokalinterventionelle Verfahren wie die Mikrowellenablation und die stereotaktische Bestrahlung, auch kombiniert mit einem chirurgischen Verfahren, eingesetzt werden.

Viele Faktoren beeinflussen im Stadium IV die Auswahl der Therapiestrategie und Medikamentenkombination: bisheriger Erkrankungsverlauf, Tumorbiologie, vorhergehende Therapie, Toxizität der Therapie, biologisches Alter und Komorbiditäten. Patient:innen, die für eine intensive Chemotherapie geeignet sind, erhalten eine Doublet- oder Triplet-Chemotherapie mit 5-FU/Capecitabin und Irinotecan und/oder Oxaliplatin. Bei entsprechender Tumorbiologie verbessert die Hinzunahme eines Antikörpers die Ergebnisse: Bei Vorliegen eines RAS-Wildtyps (RA-WT) sind die Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab wirksam, Patient:innen mit einer RAS-Mutation sollten nicht mit einem Anti-EGFR-Antikörper behandelt werden, sondern mit Bevacizumab zusätzlich zur Chemotherapie. Patient:innen mit BRAF-Mutation profitieren von einer Doublet-Chemotherapie mit Angiogenesehemmer (z. B. FOLFOX/CAPOX + Bevacizumab).2, 3 Neueste Untersuchungen zeigten in ersten Ergebnissen eine gute Wirksamkeit zielgerichteter Therapien im Sinne von Chemotherapie kombiniert mit einem EGFR-Antikörper und einem Tyrosinkinasehemmer.7

Bei Tumoren mit High-MSI/dMMR sind die PD-1-Inhibitoren Pembrolizumab und Nivolumab zugelassen2, 3; die rezent publizierte Studie CheckMate 8HW zeigte mit der kombinierten Immuntherapie (Nivolumab + Ipilimumab) eine deutliche Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und ein besseres Ansprechen im Vergleich zur alleinigen Immuntherapie.8, 9

Rehabilitation und Nachsorge

Nach Abschluss chirurgischer oder strahlentherapeutischer Maßnahmen sollte allen Patient:innen eine Rehabilitation in einer zertifizierten Klinik mit onkologischem oder gastroenterologischem Schwerpunkt angeboten werden. Dort erhalten die Patient:innen umfassende Informationen über die Erkrankung und die Therapie sowie eine Diätberatung, erlernen ggf. den Umgang mit einem Anus praeter und bekommen psychoonkologische Unterstützung.2, 3
Eine intensive, strukturierte Nachsorge (Untersuchung, Thorax/Abdomen-CT, Koloskopie) kann die Überlebenszeit verlängern. Vor allem in den ersten 2 Jahren sind häufige Kontrollen inkl. Bestimmung des CEA-Wertes vorgesehen.2, 3 Die Empfehlungen für die Intervalle beim Kolon- und Rektumkarzinom unterscheiden sich etwas, hier gelten vor allem für Patient:innen mit Mastdarmkrebs, bei denen eine Watch-and-wait-Strategie verfolgt wird, kürzere Zeitintervalle.2

Zukünftige Trends

In den letzten Jahren haben sich die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten beim Kolorektalkarzinom erheblich weiterentwickelt. Eine vielversprechende Innovation stellt die Analyse zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) dar. Erste Studien belegen, dass ctDNA eine hochempfindliche Methode ist, um minimale Resterkrankungen (MRD) nach chirurgischer Resektion nachzuweisen und Rückfälle frühzeitig zu erkennen – oftmals noch bevor diese bildgebend sichtbar sind.
In der DYNAMIC-Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von ctDNA nach Resektion bei Stadium-II-Kolonkarzinom die adjuvante Chemotherapie sicher reduzieren kann, ohne die Prognose zu verschlechtern.10 Zukünftig könnte die ctDNA-Analyse als Steuerungsinstrument für adjuvante Therapien oder sogar als Entscheidungshilfe für den Verzicht auf operative Eingriffe dienen, wenn kein Nachweis einer aktiven Erkrankung vorliegt. Parallel dazu revolutioniert der Einsatz von KI zunehmend die Pathologie des Kolonkarzinoms. KI-gestützte Systeme können histopathologische Präparate hochpräzise analysieren und dabei Subtypen, molekulare Alterationen sowie immunologische Merkmale erkennen, die bislang nur durch aufwendige Zusatzuntersuchungen bestimmbar waren.

Eine weitere bahnbrechende Entwicklung ist der Einsatz von Immuntherapiekombinationen, insbesondere die doppelte Immun-Checkpoint-Blockade (z. B. PD-1- und CTLA-4-Inhibitoren) beim lokalisierten Kolorektalkarzinom mit hoher MSI/dMMR: In dieser Subgruppe kann eine präoperative Doppelimmuntherapie zu hohen pathologischen Komplettremissionsraten führen.11 Dies eröffnet die Möglichkeit, bei ausgewählten Patient:innen auf eine radikale Operation zu verzichten und stattdessen auf ein engmaschiges Watch-and-wait-Konzept zu setzen. Insgesamt zeichnen diese Entwicklungen ein Zukunftsbild, in dem ein Teil der Darmkrebserkrankungen frühzeitig, minimalinvasiv und individuell behandelt wird – möglicherweise ohne klassische chirurgische Therapie.