Stellenwert von H1-Antihistaminika in der Allergiebehandlung

H1-Rezeptor-Blocker stabilisieren als inverse Agonisten am Histamin-Rezeptor dessen inaktive Konformation und hemmen so den Kaliumaustritt aus den Zellen. In weiterer Folge werden histaminvermittelte Effekte wie Vasodilatation, gesteigerte Gefäßpermeabilität über die Hemmung der Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen wie IL-4, -6,-8 und -13 aus Mastzellen und basophilen Granulozyten sowie die Expression des Adhäsionsmoleküls P-Selektin aus Endothelzellen verhindert.

Einteilung von H1-Antihistaminika

Es gibt viele heterogene H1-Rezeptor-blocker, die bezüglich chemischer Struktur, Wirkungsmechanismus und Pharmakokinetik teilweise erhebliche Unterschiede aufweisen. Traditionell hat sich die Einteilung in H1-Blocker der 1. und 2. Generation bewährt.

Ältere H1-Blocker der 1. Generation können die Blut-Hirn-Schranke passieren und so zentral hypnotische und antiemetische Wirkungen entfalten. Vertreter der 1. Generation sind beispielsweise Clemastin, Dexchlorpheniramin, Dimetinden, Doxylamin, Diphenhydramin, Hydroxyzin, Ketotifen, Meclozin, Pheniramin und Promethazin.

H1-Blocker der 2. Generation weisen eine höhere Selektivität hinsichtlich der Wirkung am H1-Rezeptor auf, sie passieren die Blut-Hirn-Schranke nicht, weswegen die erwähnten zentralen Wirkungen ausbleiben. Zu ihnen zählen beispielsweise Azelastin, Bilastin, Cetirizin, Desloratadin, Ebastin, Fexofenadin, Ketotifen, Levocabastin, Levocetirizin, Loratadin, Rupafin und Terfenadin.

Eine Sonderstellung nehmen die aktiven Metaboliten Desloratadin und Levocetirizin ein. Basierend auf einer Stellungnahme der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) heben sich diese aufgrund einiger positiver Aspekte von anderen H1-Antihistaminika der 2. Generation ab und werden daher zuweilen auch als H1-Antihistaminika der 3. Generation klassifiziert.

Einsatzgebiete von Antihistaminika

Aufgrund der Hemmung von histaminvermittelten Effekten wie Vasodilatation und Erhöhung der Gefäßpermeabilität an Schleimhäuten einerseits sowie Hemmung der Kontraktion der glatten Muskulatur (zum Beispiel Bronchokonstriktion) andererseits stellen Antihistaminika die Basismedikamente in der symptomatischen Therapie von IgE-vermittelten allergischen Beschwerden dar. Haupteinsatzgebiete von Antihistaminika sind somit die IgE-vermittelte Rhinokonjunktivitis, allergisches Asthma, histamin-vermittelte Beschwerden im Verdauungstrakt (über Hemmung der Diaminooxidase) sowie die Urtikaria und damit verbundener Pruritus. Manche Antihistaminika der älteren Generation werden als Antiemetika, zum Beispiel bei Reisekrankheit, sowie als Hypnotika eingesetzt.

Neben- und Wechselwirkungen

Von den – wie bei allen Medikamenten – zahlreichen optionalen Neben- und Wechselwirkungen sind bei H1-Antihistaminika folgende besonders hervorzuheben:

  • Antihistaminika der 1. Generation sedieren relativ häufig.
  • Grundsätzlich können H1-Rezeptorantagonisten durch ihre anticholinerge Wirkung gastrointestinale Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Diarrhö, Obstipation, Übelkeit, Mundtrockenheit und Hustenreiz hervorrufen.
  • H1-Rezeptorantagonisten, die durch CYP3A1 verstoffwechselt werden (zum Beispiel Loratadin, Fexofenadin, Terfenadin), neigen eher zu Wechsel-wirkungen. Besonders Terfenadin und Astemizol können durch Verlängerung des QT-Intervalls zu lebensbedrohlichen Tachykardien und Tachyarrhythmien führen, wenn gleichzeitig Hemmstoffe von CYP3A4 eingenommen werden (zum Beispiel Makrolide, Grapefruitsaft).
  • Alkohol kann oben genannte Neben- und Wechselwirkungen verstärken, sodass von einer gleichzeitigen Einnahme abgeraten wird.

Welches Antihistaminikum für welchen Patienten?

Die potenziellen rhythmologischen Nebenwirkungen von Antihistaminika der 1. Generation stellen vor allem bei älteren Patienten relativ häufig ein Problem dar, weswegen diese in dieser Altersgruppe nur vorsichtig eingesetzt werden sollten.

Antihistaminika gehören neben den topischen Glukokortikoiden zu den Therapeutika der ersten Wahl bei intermittierender und persistierender allergischer Rhinitis. Die topischen Antihistaminika stehen sowohl für die Anwendung an der Nase als auch am Auge zur Verfügung. Sie wirken rasch (innerhalb von 15 Minuten), sind zweimal täglich anzuwenden und gut verträglich. Der Einsatz topischer Antihistaminika ist bei intermittierender allergischer Rhinitis oder als On-Demand-Therapie indiziert.

Wichtige Kontraindikationen und Alternativen

H1-Antihistaminika mit anticholinerger Wirkung (zum Beispiel Promethazin und Diphenhydramin) sind bei Engwinkelglaukom kontraindiziert. Besondere Vorsicht bei der Anwendung ist bei Patienten mit manifesten Herzerkrankungen oder Leberfunktionsstörungen gegeben.

Bei Kontraindikationen beziehungsweise wenn in der Schwangerschaft keine medikamentöse Therapie gewünscht, können alternativ Spülungen der Nasenschleimhäute mit Meersalzlösungen erfolgen („Nasendusche“).

 

Tipps für die Praxis

  • Obwohl die meisten Antihistaminika auch als Bedarfsmedikation eingesetzt werden können, wirken sie effektiver, wenn die Einnahme einige Tage vor Beginn der Allergen-belastung erfolgt. Die zu erwartende Pollenbelastung ist zum Beispiel online unter pollenwarndienst.at abrufbar.
  • Es liegen zu Loratadin Daten von 5.000 beziehungsweise zu Cetirizin Daten zu 1.300 prospektiv nachverfolgten Schwangerschaften vor, wobei kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko beobachtet wurde.
  • Die Standarddosis von nichtsedierenden Antihistaminika beträgt 1 Tablette täglich. Diese darf bei der Indikation Urtikaria laut Leitlinien bei Bedarf auf das Vierfache gesteigert werden.
  • H1-Antihistaminika der 2. Generation werden in der Regel gut toleriert; bei während der Therapie auftretender Müdigkeit und Kopfschmerzen sollte hinterfragt werden, ob diese Symptome nicht von Schlaflosigkeit herrühren, die durch die allergische Symptomatik bei Pollenbelastung entstehen kann.