Therapie und Prophylaxe der Migräne

Die Migräne tritt mit einer Prävalenz von circa 10 % in der Bevölkerung auf. Weitgehend unabhängig vom ethnischen und sozialen Hintergrund in der ganzen Welt. Durch verschiedene Trigger kommt es zu den schmerzhaften Attacken, die immer auch von vegetativen Symptomen begleitet sind und bei circa 10 % der Fälle auch mit fokalneurologischen Symptomen einhergehen. Migräne ist eine lebenslange Erkrankung, die aber ihren Schwerpunkt zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr manifestiert.

Diagnose der Migräne

Für die Diagnose gibt es international verbindliche Kriterien, die von der International Headache Society 2004 in revidierter Fassung veröffentlicht worden sind. Eine Diagnose der typischen Migräne ohne Aura kann ausschließlich auf Grundlage einer ausführlichen Anamnese in Verbindung mit einer allgemeinmedizinischen und einer neurologischen körperlichen Untersuchung gestellt werden. Für eine genauere Differenzialdiagnose und für den Therapieverlauf ist das Führen eines Kopfschmerzkalenders sinnvoll. Bei atypischer Anamnese sowie bei einer Migräne mit Aura ist wenigstens eine fachärztlich-neurologische Untersuchung erforderlich. Bei einer typischen visuellen Aura reicht diese Untersuchung zur Diagnose aus.

Prinzipien der Therapie

In der modernen Migränetherapie kommen Methoden der medikamentösen Akuttherapie sowie der medikamentösen und nichtmedikamentösen Prophylaxe zur Anwendung. In den letzten 15 Jahren wurde durch die Entwicklung von selektiven Serotonin-1B/D-Rezeptoragonisten, den Triptanen, ein wesentlicher Fortschritt in der Kupierung akuter Migräneattacken erzielt. Die Prophylaxe stützt sich weiterhin auf empirische Beobachtungen über die Wirksamkeit verschiedener Medikamente und anderer Maßnahmen.
Bei akuten Migräneattacken wird zwischen leicht- bis mittelgradiger Schmerzintensität und schweren Migräneattacken unterschieden. Bei ersteren sollte in erster Linie mit peripher wirksamen Analgetika oder mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) behandelt werden. Außerdem sollte etwa zehn Minuten vor der Einnahme der Analgetika ein Antiemetikum zur Bekämpfung der Übelkeit und zur Steigerung der Resorptionsfähigkeit eingenommen werden. Empfohlen werden hier Metoclopramid und Domperidon.
Im Anschluss sollte die hochdosierte und möglichst frühzeitige Gabe des Analgetikums erfolgen. Hier gibt es einige Optionen: Empfohlen werden Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen, Diclofenac, Metamizol und Naproxen. Außerdem gibt es mehrere positive Studien für den Einsatz der Kombination aus ASS, Paracetamol und Coffein. Dennoch gibt es keine Erkenntnisse darüber, welche Substanzen am sinnvollsten in der Behandlung eingesetzt werden sollten.
In der konkreten Empfehlung sollte man sich neben der subjektiven Wirksamkeit und Präferenz des Patienten auch an dem Nebenwirkungsprofil und den Applikationsmöglichkeiten der einzelnen Substanzen orientieren. Handelt es sich aber um eine schwere Migräneattacke (circa ein Drittel der Betroffenen), oder sind diese peripheren Analgetika nicht wirksam, sollten Triptane gegeben werden.

Die Wahl des Triptans

Auch hier richtet sich die Wahl nach der Applikationsform sowie nach den Erfahrungen des Patienten, weniger nach den pharmakologischen Eigenschaften der jeweiligen Substanz. Die Ähnlichkeiten der Triptane in Bezug auf gute Wirksamkeit und geringe Nebenwirkungen überwiegen die Unterschiede in ihrer Pharmakologie bei weitem.
Grundsätzlich dürfen Triptane nicht öfter als an zehn Tagen im Monat eingenommen werden. Außerdem sind sie in ihrer Wirksamkeit so ähnlich, dass keine sichere Empfehlung für die erste Wahl gegeben werden kann. Deshalb sollte auch hier wieder auf die individuelle Geschichte des Patienten geachtet werden. Es gibt Patienten, die auf bestimmte Triptane besser ansprechen als auf andere, so dass es sinnvoll sein kann, bei Versagen eines Triptans dennoch andere auszuprobieren.

Medikamentöse Prophylaxe

Primär sind hier Betablocker zu nennen, weiters werden Antiepileptika wie Topiramat und Valproinsäure eingesetzt. Mittel der zweiten Wahl sind der Betablocker Bisoprolol, die Schmerzmittel Naproxen und Acetylsalicylsäure sowie das Antidepressivum Amitriptylin.
Experten und Fachgesellschaften haben eine Reihe von Kriterien festgelegt, bei denen den Patienten eine medikamentöse Prophylaxe empfohlen wird. Entscheidend sollte aber sein, wie sehr ein Betroffener durch die Erkrankung in seinem Alltag und seiner Lebensqualität beeinträchtigt wird.

  • Eine medikamentöse Prophylaxe sollte erfolgen, wenn:
  • drei und mehr Attacken pro Monat auftreten
  • Attacken auf die empfohlenen Therapiemaßnahmen nicht ansprechen
  • Attacken vom Patienten subjektiv als unerträglich empfunden werden
  • die einzelne Attacke länger als 72 Stunden andauert
  • Nebenwirkungen der Akuttherapie nicht toleriert werden
  • die Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln auf mehr als zehn Tage im Monat zunimmt oder mehr als zehn Tage überschreitet
  • komplizierte Migräneattacken mit lang anhaltenden, schweren Auren auftreten

Nichtmedikamentöse Prophylaxe

Von besonderer Bedeutung für viele Patienten sind die nichtmedikamentösen Verfahren zur Migräneprophylaxe. Dazu gehört zum einen das Vermeiden von Triggerfaktoren. Eine positive Evidenz gibt es für die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson, Biofeedbackverfahren wie das Vasokonstriktionstraining, die kognitive Verhaltenstherapie und Sporttherapie (Ausdauerbelastung). Höchste Wirksamkeit wird mit der Kombination solcher Verfahren erzielt. Das Mutterkraut bietet eine pflanzliche Alternative in der Prophylaxe. In mehreren randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudien zeigte Mutterkraut eine gute Wirksamkeit bei Migräne. Anzahl und Schwere der Anfälle konnten signifikant gelindert werden. Außerdem verbesserten sich Begleiterscheinungen wie Übelkeit, Schwindel und Erbrechen.

 

Literatur:

Evers S et al., Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Nervenheilkunde 2008; 27:933–949

Headache Classification Committee, The International Classification of Headache Disorders,2nd edition. Cephalalgia 2004; 24 Suppl 1:1–160

ÖGPHYT-Pressekonferenz zu neuen pflanzlichen Therapieoptionen bei Migräne, 21. 01. 2016