Tumor und Thrombose

Anfang bzw. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde erstmals der Zusammenhang zwischen Thrombose und Krebs beschrieben. Heutzutage kann durch Daten epidemiologischer und klinischer Studien davon ausgegangen werden, dass etwa jede 5. VTE (ein Begriff, der tiefe Venenthrombosen und Pulmonalembolien zusammenfasst) in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftritt. Umgekehrt erleiden bis zu 20 % aller Krebspatienten im Laufe ihrer Erkrankung eine VTE. Das Risiko für eine VTE variiert sehr stark zwischen einzelnen Krebspatienten und kann mittels Risikoscores, wie zum Beispiel dem „Khorana-Score“, abgeschätzt werden. Dieser Score ermittelt das VTE-Risiko anhand der Tumorart, des BMI, sowie einfacher Blutbildparameter.

Primäre Thromboseprophylaxe

Derzeit wird eine primäre medikamentöse Thromboseprophylaxe bei stationär aufgenommenen Tumorpatienten sowie nach operativen Eingriffen empfohlen. Mittel der Wahl sind in erster Linie niedermolekulare Heparine (NMH) oder alternativ Fondaparinux.

Bei Patienten, welche eine ambulante Chemotherapie erhalten und ein hohes VTE-Risiko haben (definiert als Khorana-Risikoscore von mindestens 2 Punkten), konnten rezente Studien eine Reduktion der VTE-Inzidenz unter der Einnahme von DOAK im Vergleich zu Placebo zeigen. Nicht unerwartet war das Blutungsrisiko unter der Einnahme von DOAK jedoch höher. Neue internationale Leitlinien empfehlen nun den Einsatz einer medikamentösen VTE-Prophylaxe während der ambulanten Chemotherapie bei Patienten mit hohem VTE-Risiko (Khorana-Score mind 2); allerdings besteht bislang für DOAK für diese Indikation noch keine Zulassung. Unabhängig von einer etwaigen medikamentösen Prophylaxe sollten Krebspatienten über das erhöhte VTE-Risiko und Erstsymptome von VTE aufgeklärt werden.

Therapie der tumorassoziierten VTE

Die tumorassoziierte VTE stellt wie auch die VTE bei Patienten ohne Krebs die Indikation zur Einleitung einer Antikoagulation dar. Bezüglich der Art der Antikoagulation unterscheiden sich die Empfehlungen jedoch teilweise von Empfehlungen für VTE-Patienten ohne Tumorerkrankung. Eine therapeutische Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ist im Vergleich zu NMH mit einem signifikant erhöhten VTE-Rezidivrisiko verbunden. Aus diesem Grund sollen NMH gegenüber VKA für die Therapie der tumorassoziierten VTE bevorzugt werden. Seit einigen Jahren sind DOAK für die Therapie der VTE bei Patienten mit und ohne zugrunde liegende(r) Krebserkrankung zugelassen. Mehrere Studien, welche den Einsatz von DOAK zur Behandlung der VTE speziell bei Krebspatienten untersucht haben, zeigten, dass DOAK im Wesentlichen eine vergleichbare Effektivität wie NMH haben. Es zeichnet sich ein Trend in Richtung eines niedrigeren VTE-Rezidivrisikos unter DOAK im Vergleich zu NMH ab; das Blutungsrisiko scheint jedoch unter DOAK höher zu sein. In der größten bisher zu diesem Thema publizierten Studie, der Hokusai-VTE-Cancer-Studie, wurde der orale Faktor-Xa-Hemmer Edoxaban mit dem NMH Dalteparin verglichen. Der primäre Endpunkt, eine Kombination aus Rezidiv-VTE und schwerer Blutung im Laufe von 12 Monaten, trat in den beiden Gruppen etwa gleich häufig auf. Das VTE-Rezidivrisiko lag bei 7,9 % im Edoxaban-Arm, im Vergleich zu 11,3 % im Dalteparin-Arm. Schwere Blutungen traten bei 6,9 % der Patienten unter Edoxaban und bei 4,0 % der Patienten unter Dalteparin auf. In Subgruppenanalysen war das Blutungsrisiko insbesondere bei Patienten mit Tumoren des Gastrointestinaltraktes erhöht (13,2 % unter Edoxaban versus 2,4 % unter Dalteparin). Ein mitunter wesentlicher Faktor bei der Therapiewahl sind potenzielle Medikamenteninteraktionen zwischen DOAK und antineoplastischen Therapien, wie unter anderem mit einigen Tyrosinkinasehemmern.

Abschließend lässt sich festhalten, dass in Zukunft eventuell eine risikoadaptierte primäre medikamentöse Thromboseprophylaxe mit DOAK für ambulant geführte Tumorpatienten empfohlen werden kann.

Zusammenfassung von Tumor und Thrombose, erstmals erschienen in UNIVERSUM INNERE MEDIZIN 04|19.