Ventrikuläre Arrhythmien, plötzlicher Herztod

Die Basis für die neuen Leitlinien bilden Erkenntnisse aus der Epidemiologie des plötzlichen Herztodes, der Einbeziehung der Genetik, der Bildgebung sowie der klinischen Vorgehensweise zur Risikostratifizierung dieser Krankheitsbilder.

Behandlung ventrikulärer Arrhythmien

Die elektrische Kardioversion ist Therapie der Wahl bei tolerierter monomorpher Tachykardie (MVT) (I), Amiodaron kann überlegt werden (IIb). Die ICD-Implantation ist bei einer Lebenserwartung mit guter Lebensqualität > 1 Jahr indiziert (I). Die tragbare Defibrillator-Weste kann bei ausgewählten Patient:innen nach Myokardinfarkt überlegt werden (IIb).

Koronare Herzkrankheit

Bei koronarer Herzerkrankung (CAD), MVT und ICD-Schocks trotz Amiodaron ist die Ablation empfohlen (I). ICD-Implantation sollte bei plötzlichem Herzstillstand (SCA) auf der Basis eines Koronararterienspasmus und bei Herzinsuffizienz NYHA I und einer Ejektionsfraktion (EF) < 30 % überlegt werden (IIa). Bei unklarer Synkope nach Myokardinfarkt sollte eine elektrophysiologische Untersuchung gemacht werden (I). Die Ablation zur Reduktion von MVT nach ICD-Implantation kann überlegt werden (IIb).

Idiopathische ventrikuläre Extrasystolie (PVC) und Tachykardie (VT)

Die Katheterablation ist Therapie der Wahl für symptomatische faszikuläre PVC oder PVC vom rechtsventrikulären Ausflusstrakt (I), bei anderen Lokalisationen sollte entweder eine Ablation oder Flecainid-Therapie überlegt werden (IIa). Bei Kardiomyopathie auf der möglichen Basis von häufigen PVC ist eine Ablation empfohlen (I), ebenso eine MRT-Untersuchung (IIa). Bei asymptomatischen Patient:innen mit > 20 % PVC kann eine Ablation überlegt werden (IIb). Amiodaron ist als erste Therapie bei idiopathischen PVC/VT nicht indiziert (III).

Dilatative und hypokinetische nichtdilatative Kardiomyopathie (DCM)

Eine genetische Testung und eine MRT-Untersuchung sollten bei sporadischer DCM überlegt (IIa), bei DCM und AV-Überleitungsstörung < 50 Jahre oder bei positiver Familienanamnese durchgeführt werden (I). Eine ICD-Implantation bei EF < 35 % und NYHA II−III sollte überlegt werden (Änderung von I auf IIa), ebenso bei EF < 50 % und zwei Risikofaktoren (IIa). Bei engen Angehörigen von Patient:innen mit DCM < 50 Jahre zum Zeitpunkt der Diagnose oder positiver Familienanamnese sollte ein EKG und Echo durchgeführt werden (IIa).

Arrhythmogene rechtsventrikuläre Erkrankung (ARVC)

MRT, genetische Testung und Beratung sind indiziert (I). Bei definitiver ARVC mit Synkopen oder mit rechts- oder linksventrikulärer Dysfunktion ist eine ICD-Implantation empfehlenswert (Änderung von IIb auf IIa).

Hypertrophe (HCM), restriktive (RCM) und Non-Compaction-Kardiomyopathie (LVNC)

Zur Diagnostik der HCM ist ein MRT und eine genetische Testung und Beratung indiziert, bei engen Angehörigen ein EKG und Echo (I). Die ICD-Implantation sollte bei tolerierter MVT, bei Kindern < 16 Jahren mit mittlerem 5-Jahres-Risiko für einen plötzlichen Herztod ≥ 6 % und bei Erwachsenen bei einem 5-Jahres-Risiko für einen plötzlichen Herztod von 4−6 % und spezifischen Risikofaktoren überlegt werden (IIa). Bei LVNC und RCM auf Basis einer Amyloidose mit nichttolerierter VT sollte eine ICD-Implantation überlegt werden (IIa).

Primär elektrische Erkrankungen

Long/Short-QT, katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT), Early Repolarization (ERS), Brugada-Syndrom (BrS), idiopathisches Kammerflimmern

Bei allen Syndromen ist eine genetische Testung empfohlen (I–IIb). LQT- und CPVT-Patient:innen sollten idealerweise nichtselektive Betablocker erhalten (Propranolol, I), trotzdem symptomatische LQT- (I) und CPVT-Patient:innen (von I auf IIa) sollten einen ICD erhalten. Das Risiko für arrhythmische Ereignisse sollte aus dem 1-2-3-LQTS-Risk-Calculator berechnet werden (IIa), dem Ergebnis entsprechend kann eine ICD-Implantation auch bei asymptomatischen Patient:innen überlegt werden (IIb).Zur Diagnose eines BrS sollte neben dem Typ-1-EKG zumindest eines der folgenden Symptome vorliegen: rhythmogene Synkope, Familienanamnese von BrS oder familiärer SCD < 45 Jahre (IIa). Ein Short QT sollte bei einer QTc ≤ 320 ms oder einer QTc von 320–360 ms und rhythmogenen Synkopen suspiziert werden (IIa), eine Loop-Recorder-Implantation bei jungen Patient:innen und eine ICD-Implantation bei rhythmogenen Synkopen sollte überlegt werden (IIa). Liegt ein ERS bei einer J-Punkt-Elevation von ≥ 1 mm in zwei benachbarten und/oder den lateralen EKG-Ableitungen und bei erfolgreicher Reanimation von Kammerflimmern unklarer Ursache (I) vor, dann ist eine ICD-Implantation empfohlen (I). Eine weitere klinische Evaluierung oder eine ICD-Implantation ist bei asymptomatischen Individuen und einem ERS-EKG nicht empfohlen (III).

Praxismemo

  1. Das kardiale MRT ist nahezu immer und überall indiziert, die genetische Testung vor allem bei Angehörigen.
  2. ICD-Indikation bei dilatativer Kardiomyopathie mit Ejektionsfraktion < 35 %: Änderung von I auf IIa.
  3. Die elektrische Kardioversion ist die Therapie der Wahl bei anhaltender ventrikulärer Arrhythmie.