Vielversprechende Überschriften – noch wenig Konkretes

Wenngleich das Kapitel Gesundheit gerade einmal 7 Seiten von 300 umfasse, seien wichtige Überschriften enthalten. „Diese müssen nun mit Leben erfüllt werden“, sagt Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer. Man hoffe, dass die Kürze des Kapitels nur zufällig sei und keine Rückschlüsse auf die der Gesundheit beigemessene Bedeutung zulasse. Erstaunt zeigt er sich insbesondere, dass das Thema Sozialversicherung nur gestreift werde.

Insgesamt sind im Regierungsprogramm ja viele Themen angeschnitten und durchaus vage formuliert. Somit ist Gestaltungsspielraum, oft auch Interpretationsspielraum gegeben. Dass vieles relativ unkonkret gehalten ist, sei Nachteil oder auch Vorteil zugleich, sagt Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied, Leiterin des ÖÄK-Referates für Primärversorgung und ärztliche Zusammenarbeitsformen: „Wir werden die Qualität der Ankündigung an ihrer Umsetzung messen!“

Finanzierung offen

Ein Aspekt, der Szekeres jedoch Sorge bereitet, ist, dass die umrissenen Maßnahmen, die vielfach sehr viel Sinn ergeben würden, nicht budgetiert sind. „Unsere Sorge ist, dass ein Nulldefizit und eine Steuersenkung mit notwendigen Mehrausgaben im Gesundheitswesen nicht zusammenpassen.“ Einmal mehr verweist er darauf, dass es in Zukunft mehr Geld im System brauchen wird, um den gewohnten Versorgungsstandard zu halten (Stichwort Fortschritte der Medizin bei gleichzeitig älterer und damit chronisch kränkerer Bevölkerung).

Als positiv bewertet der Ärztekammerpräsident die explizite Erwähnung von Präventionsprogrammen und die Aufwertung der Schulärzte und hofft, dass dadurch auch eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden kann.

 

Dr. Christoph Dachs, Präsident der ÖGAM
… zum Regierungsprogramm:
„Wir sind sehr froh, dass sich wesentliche Punkte des Masterplans im Regierungsprogramm wiederfinden. Summa summarum sehe ich es als Chance für die Allgemeinmedizin, es enthält eine Reihe von Absichtserklärungen, die durchaus positiv zu bewerten sind. Ich denke hier in Richtung Facharzt für Allgemeinmedizin, Stärkung der Grundversorgung durch einen Ausbau der Primärversorgung bis zu Ansätzen zur Zugangslenkung, etwa durch Einschreibmodelle.“

 

Wohnortnahe Versorgung soll Spitalsentlastung bringen

Auch der Bundeskurienobmann der Angestellten Ärzte, Dr. Harald Mayer, sieht neben einzelnen Kritikpunkten auch Positives im Regierungsprogramm. „Es ist als positiv zu bewerten, dass man die Spitalsambulanzen in Zukunft weiter entlasten will.“ Um eine Entlastung zu ermöglichen, muss jedoch die extramurale Versorgung gesichert sein – mit Blick auf die vergangenen Feiertage und überlaufene Spitalsambulanzen immer noch ein Schwachpunkt. Der angekündigte Ausbau der wohnortnahen Versorgung entlastet daher indirekt die Spitäler!

Das Bekenntnis zur nachhaltigen Absicherung der wohnortnahen Versorgung ist es auch, das von Dr. Naghme Kamaleyan-Schmied namens der niedergelassenen Ärzte besonders gewürdigt wird. Aufhorchen lässt sie mit dem Verweis auf die Bedeutung der wohnortnahen Medikamentenversorgung und der Forderung nach einem Ausbau der Hausapotheken – ein Aspekt, der ins Regierungsprogramm übrigens auch keinen direkten Eingang gefunden hat, sondern nur unter „Beibehaltung wohnortnaher und praxisorientierter Lösungen“ zu finden ist.

Positionierung der Allgemeinmedizin

Last, not least nur positive Resonanz gibt es zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Naghme Kamaleyan-Schmied: „Ich sehe darin eine Wertschätzung und Aufwertung der Allgemeinmediziner.“

Auf die Frage, wie der Punkt „Wissenschaftliche Prüfung von hausärztlichen Einschreibemodellen“ bewertet wird, antwortet Szekeres nuanciert: Hier sei die tatsächliche Ausgestaltung entscheidend. Eine Eintragung auf gewisse Zeit beim Hausarzt sei denkbar und zu unterstützen, solange die freie Arztwahl nicht eingeschränkt werde.

Summa summarum zeigen sich die Vertreter der Ärztekammer mit dem Programm fürs Erste zufrieden beziehungsweise geben sich abwartend. „Wir sind bereit, gemeinsam mit der Politik pragmatische Lösungsansätze zu erarbeiten – und sind optimistisch, dass das auch gelingen wird“, sagt Szekeres. Als Grundvoraussetzung dafür brauche man genug Geld. „Hier hoffen wir, dass das auch möglich sein wird, um dem Kapitel Gesundheit den entsprechenden Stellenwert zu geben, den es verdient.“

 

 

Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident
der Ärztekammer
… auf die Frage zu Hausarzt-Einschreibemodellen:
„Die Beurteilung hängt von der Ausgestaltung in der Praxis ab. Eine Eintragung auf gewisse Zeit beim Hausarzt ergibt sicherlich Sinn. Solange die freie Arztwahl nicht eingeschränkt wird, kann man das unterstützen. Die freie Arztwahl ist ein Wert, den Patienten in Österreich schätzen und den es zu halten gilt. Das Thema Einschreibemodelle ist ein Beispiel, wo wir dafür plädieren, es gemeinsam mit der Regierung zu erarbeiten.“

… zu Stipendien-Modellen und einer befristeten Verpflichtung, in Österreich tätig zu sein:
„Auch diese Modelle sind im Detail zu überprüfen. Für ungerecht hielte ich es, finanziell schlechter gestellte Studenten über das Stipendium noch zusätzlich zu verpflichten und zu knebeln, während Kinder reicher Eltern, die auf kein Stipendium angewiesen sind, ins Ausland gehen. Sogenannte Landarztstipendien für jene Studenten, die von Haus aus das Ziel haben, sich in einer ländlichen Gegend niederzulassen und dafür schon im Studium ein Stipendium bekommen, sind positiv zu sehen.“

Brauchen wir mehr Studienplätze?
„Ich glaube, dass wir genug Plätze haben, und deren Zahl steigt ja auch mit den zusätzlichen Universitäten, wie Linz, und den Privatuniversitäten. Das Hauptproblem ist, dass von 10 Absolventen nur 6 in Österreich zu arbeiten beginnen. Wenn wir die Studentenzahlen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erhöhen würden, würden wir Absolventen für Deutschland und die Schweiz produzieren. Vielmehr müssen wir die Arbeitsbedingungen so attraktivieren, dass mehr Absolventen in Österreich bleiben beziehungsweise wieder aus dem Ausland zurückkommen.“

Ihr Resümee zum Regierungsprogramm?
„Wir sind durchaus zufrieden, hoffen, dass das Ganze mit Leben erfüllt wird, und freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Politik.“

Danke für das Gespräch!