Vom Niesreiz zur Systemerkrankung

Die allergische Rhinitis ist mit einer Prävalenz von 20–30 % in Europa eine der häufigsten atopischen Erkrankungen, Tendenz steigend. Sie gilt als wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung eines allergischen Asthmas („allergic march“, „United airways disease“-Konzept) und hat erhebliche Auswirkungen auf Lebensqualität, Schlaf, kognitive Leistungsfähigkeit und Arbeitsproduktivität – und somit auch einen nicht unbeträchtlichen sozioökonomischen Impact.

Pathophysiologie der allergischen Reaktion

Die allergische Rhinitis resultiert aus einer Sensibilisierung gegenüber Aeroallergenen (v. a. Gräser-, Baumpollen, Milben, Tierhaare). Bei genetisch prädisponierten Personen führt der Erstkontakt zur Bildung allergenspezifischer IgE-Antikörper, die sich an Mastzellen der Nasenschleimhaut binden. Bei erneuter Exposition kommt es zur Kreuzvernetzung von IgE-Rezeptoren, was eine Degranulation der Mastzellen und Freisetzung von Histamin, Prostaglandinen, Leukotrienen und weiteren Zytokinen bewirkt.
Die allergische Reaktion verläuft in 2 Phasen: eine Frühphase (Minuten nach Exposition) mit Niesreiz, Rhinorrhö, nasalem Juckreiz und Obstruktion der Nase durch Vasodilatation und erhöhte Gefäßpermeabilität, gefolgt von einer Spätphase (4–8 Stunden später) mit zellulärer Infiltration durch Eosinophile, Th2-Lymphozyten und Basophile, die zu einer Schleimhautüberreagibilität und persistierender Entzündung führt. Begleitend treten häufig konjunktivale Symptome wie Juckreiz, Tränenfluss und Rötung auf (allergische Rhinokonjunktivitis).

Klinik und Diagnostik

Laut ARIA-Klassifikation (WHO-Initiative „Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma“) wird die allergische Rhinitis nach Dauer und Schwere der Symptomatik eingeteilt in intermittierend (Symptome < 4 Tage/Woche oder < 4 Wochen) oder persistierend (Symptome ≥ 4 Tage/Woche und ≥ 4 Wochen) bzw. in leicht (keine Beeinträchtigung der Lebensqualität) und mittelschwer bis schwer (deutliche Beeinträchtigung der Lebensqualität).
Die Diagnosestellung beruht auf Anamnese (saisonale/perenniale Symptomatik, typische Auslöser, familiäre Prädisposition), korrelierender Symptomatik, klinischer Untersuchung (livide, ödematöse Nasenschleimhaut und wässrige Sekretion) und Allergieaustestung. Letztere beruht auf einem Prick-Test, dem Standardverfahren zur Identifizierung relevanter Allergene, und der in den letzten Jahren ebenso zum Standard gewordenen molekularen Allergiediagnostik/Komponentendiagnostik, die zur differenzierteren Identifizierung klinisch relevanter Sensibilisierungen und gezielteren Planung der Immuntherapie dient.

Therapie der allergischen Rhinitis

Die Behandlung richtet sich nach dem Stufenschema der ARIA-Leitlinie und zielt auf Symptomkontrolle, Reduktion der Entzündungsreaktion der Schleimhaut und Prävention von Komplikationen ab. Man geht davon aus, dass eine frühzeitige und leitliniengerechte Behandlung volkswirtschaftliche Kosten senken und im Speziellen Kostensteigerungen durch eventuelle Komorbiditäten verhindern kann.

Allergenkarenz

An erster Stelle steht die Allergenvermeidung. Diese in der Praxis sicherlich oft schwierig umzusetzende Maßnahme kann durch Pollenschutzfilter, Milbenabschirmung und die Vermeidung von Tierkontakt unterstützt werden.

Pharmakotherapie

Eine große Säule der Therapie ist die Pharmakotherapie. Hier sind orale oder intranasale Antihistaminika (z. B. Cetirizin, Desloratadin, Azelastin etc.) zur Linderung akuter Symptome zu nennen. Weiters kommen als effektivste Monotherapie bei moderater bis schwerer allergischer Rhinitis intranasale Glukokortikosteroide (z. B. Mometason, Fluticason etc.) zum Einsatz. Intranasale Kombinationspräparate (Azelastin/Fluticason) zeigen einen synergistischen Wirkeffekt, schnelleren Wirkungseintritt und zusätzliche positive Auswirkung auch auf okuläre Symptome.
Bei ausgeprägter nasaler Obstruktion können für wenige Tage Dekongestiva (a-Sympathomimetika) zum Einsatz kommen. Bei Patient:innen mit gleichzeitiger Asthmakomponente oder Unverträglichkeit anderer Optionen kann der Leukotrienrezeptor-Antagonist Montelukast erwogen werden.

Hyposensibilisierung

Die zweite große Säule der Therapie ist die allergenspezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung). Diese stellt die einzige kausale Therapieoption dar, die in den Immunmechanismus eingreift. Sie kann subkutan (SCIT) und sublingual (SLIT) jeweils über einen Zeitraum von 3–5 Jahren verabreicht werden. Neuere Daten belegen eine vergleichbare Wirksamkeit beider Formen bei Gräser- und Hausstaubmilbenallergie – entscheidend ist die Therapieadhärenz.

Chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP)

Eine weitere, die Nasenschleimhäute betreffende Erkrankung, die ebenso durch eine Th2-dominierte Immunantwort gekennzeichnet ist, jedoch auch unabhängig von einer allergischen Rhinitis auftreten kann, ist die chronische Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (Abb.).

Abb.: Endoskopisches Bild einer chronischen Rhinosinusitis mit Polypen

Leitsymptome sind hier ebenso nasale Obstruktion und Rhinorrhö sowie Hyposmie. Therapeutisch stehen hier topische Kortikosteroide und salinische Nasenspülungen an erster Stelle. Bei unzureichender Symptomkontrolle folgen im therapeutischen Stufenschema systemische Steroide oder eine endoskopische Nasennebenhöhlenoperation.

Für schwere, therapierefraktäre Verläufe stehen nun seit einigen Jahren Biologika wie Dupilumab, Mepolizumab oder Omalizumab zur Verfügung, die gezielt in die Typ-2-Inflammation eingreifen und so in vielen Fällen eine langfristige Krankheitskontrolle und deutliche Verbesserung der Lebensqualität erzielen können.