„Zucker“ schadet dem Herz

Die Prävalenz von Diabetes mellitus hat in den letzten Jahrzehnten extrem zugenommen, seit dem Jahr 2000 bis zum Jahr 2020 ist diese um fast 50 % gestiegen. Fast 29 % der Personen über 65 Jahre und bereits 18,5 % über 45 Jahre leiden an Diabetes. Die Ursachen der Herzinsuffizienz bei Diabetes sind mannigfaltig. Interessanterweise wird in den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2021 und 2023 Diabetes nicht direkt ursächlich für Herzinsuffizienz angesehen. Dem kann ich nicht zustimmen, und auch die Literatur liefert andere Ergebnisse.

Pathophysiologie der Herzinsuffizienz

Als Ursachen für eine Herzinsuffizienz werden in den aktuellen ESC-Leitlinien u. a. koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Klappenerkrankungen, Arrhythmien, Kardiomyopathien anderer Ursache, Infektionen, medikamenteninduzierte Herzinsuffizienz, aber eben nicht eine Störung des Glukosestoffwechsels oder die Insulinresistenz angeführt. Gerade dazu gibt es jedoch umfangreiches Studienmaterial, das zeigt, dass Diabetes die Herzfunktionsmechanismen direkt angreift.

Direkte Schädigung auf zellulärer Ebene. So führen erhöhte freie Fettsäuren zu einer Veränderung des Kalziumstoffwechsels und in weiterer Folge zur Insulinresistenz und auch zu myozytärer Apoptose. Hyperinsulinämie führt zu myozytärer Hypertrophie und zur verstärkten Proteinsynthese. Hyperglykämie bedingt eine Veränderung der Kalziumhomöostase, eine Strukturveränderung der kontraktilen Proteine sowie eine Umwandlung der Matrixproteine. In einer Studie aus 2014 konnte anhand von Biopsien bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz und Diabetes klar gezeigt werden, dass Patient:innen mit Diabetes eine kardiomyozytäre Hypertrophie, eine myokardiale Fibrose, eine erhöhte Apoptoserate und eine erhöhte Anzahl an reaktiven Sauerstoffradikalen aufweisen.

Hyperglykämie und Hyperinsulinämie verstärken sich. Hyperglykämie führt zu myokardialer Atrophie, zum Verlust kontraktiler Proteine, zu einer kompensatorischen intramyokardialen Lipideinlagerung, zur Veränderung der Kalziumhomöostase und zu einem Shift von Myosin heavy Chains. Hyperinsulinämie führt andererseits zu linksventrikulärer Hypertrophie, zu intramyokardialer Lipidakkumulation, zu diastolischer Dysfunktion und später zu linksventrikulärer systolischer Dysfunktion. Treten Hyperinsulinämie und Hyperglykämie gleichzeitig auf, kommt es zusätzlich zu ventrikulärer Stiffness und zu einer verminderten Flussreserve.

Führt Prädiabetes schon zu einer Herzinsuffizienz? In einer Arbeit im Journal of the American College of Cardiology konnten Honigberg et al. zeigen, dass kardiovaskuläre Ereignisse inklusive Herzinsuffizienz bereits bei HbA1c-Werten im Normbereich ansteigen. Das Risiko ist dabei ab einem HbA1c-Wert, welcher der prädiabetischen Situation entspricht (ab 5,7 %), dramatisch erhöht. Aber auch ein HbA1c-Wert von 5,6 % weist ein deutlich erhöhtes Risiko gegenüber einem HbA1c-Wert von 5,0 % auf. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass bereits Prädiabetes mit einer Herzinsuffizienz assoziiert ist.

Herzinsuffizienz ohne Diabetes –eher die Ausnahme

Interessanterweise gibt es, obwohl in der Literatur immer wieder beschrieben, kaum eine Herzinsuffizienz ohne Glukosestoffwechselstörung bzw. Insulinresistenz. Wenn man die Studienpopulationen in den großen Herzinsuffizienzstudien ansieht, leiden ca. 30 % der Patient:innen mit HFrEF (Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion) an manifestem Diabetes. Weitere ca. 25 % bis 30 % haben einen Prädiabetes. Das Gleiche gilt für Populationen mit HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion). In einer Untersuchung konnten wir zeigen, dass 25 % der Patient:innen mit HFpEF einen vorbekannten Diabetes haben, 25 % einen Diabetes neudiagnostiziert bekamen, 25 % eine gestörte Glukosetoleranz hatten, und 22 % eine Insulinresistenz aufwiesen. In dieser Population waren also nur 3 % ohne nachweisbare Glukosestoffwechselstörung, die Herzinsuffizienz hängt also direkt mit Veränderung des Glukosestoffwechsels zusammen. Dies kann einerseits durch den Diabetes selbst bedingt sein, aber andererseits natürlich auch durch hämodynamische Veränderungen, verursacht durch die Herzinsuffizienz (verminderte Durchblutung der insulinempfindlichen Organe – Muskel/Fettgewebe).

Definition und Diagnosestellung

Die Herzinsuffizienz ist als klinisches Syndrom definiert. Es besteht aus Kardinalsymptomen wie Atemnot, Knöchelschwellung und Müdigkeit. Zusätzlich muss eine kardiale Pathologie vorhanden sein. Die Diagnose der Herzinsuffizienz wird daher bei Vorliegen der Kardinalsymptome und bei erhöhten Werten von NT-proBNP oder BNP gestellt. Im Anschluss daran sollte immer eine Echokardiografie gemacht werden, um andere Erkrankungen (z. B. Klappenerkrankung) zu diagnostizieren bzw. auszuschließen. Je länger der Diabetes besteht, desto höher ist die Prävalenz der Herzinsuffizienz. Führend bei Patient:innen mit Diabetes ist die HFpEF vor der HFrEF, bei Frauen besteht statistisch ebenfalls eher eine HFpEF als eine HFrEF.