Akute Zystitis – Resistenzen verhindern

Vor dem Hintergrund steigender Antibiotikaresistenzen wird vor allem die antibiotische Behandlung des unkomplizierten Harnwegsinfektes zunehmend kritisch hinterfragt.

Resistenzen – ein zunehmendes globales Problem

Antibiotikaresistenzen stellen dabei sowohl für die individuell Betroffenen als auch in globaler Hinsicht ein enormes Problem dar. Für die individuell betroffene Patientin gehen sie mit einer großen Belastung einher, weil damit die bekannte Kaskade von unzureichendem Therapie­erfolg, häufigen Rezidiven und Therapie­eskalation verbunden ist. Zum anderen gelten die zunehmenden Antibiotikaresistenzen als eine der großen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit, weil wesentliche Substanzgruppen, die als Reserveantibiotikum für schwere Infektionen zum Einsatz kommen sollten, verlorengehen, wie Dr. Agnes Wechsler Fördös, ABS Austria, betont. Sie verweist insbesondere auf die bereits alarmierend hohe Chinolonresistenz: So war von 2001 bis 2007 in Österreich bei chinolonresistenten E. coli in Blutkulturen eine Zunahme von 7 % auf 25,4 % zu verzeichnen.2 Der gewaltige Anstieg dürfte mit der leichten Verfügbarkeit etwa seit dem Jahr 2000 und mit dem daraus folgenden hohen Einsatz von Chinolonen wie Ciprofloxacin vor allem in der extramuralen Verschreibung, und hier insbesondere auch bei HWI, korrelieren. So zeigen deutsche Verbrauchsdaten für das Jahr 2010, dass Harnwegsinfekte in 48 % der Fälle mit Chinolonen behandelt wurden.2 Wegen der alarmierenden Resistenzraten plädiert Wechsler-Fördös daher unter anderem für eine konsequente Einhaltung der neuen Leitlinien zur Therapie der unkomplizierten Zystitis1, denen entsprechend Ciprofloxacin bei unkompliziertem Harnwegsinfekt der Frau NICHT als Mittel der ersten Wahl zum Einsatz kommen sollte.

Was empfiehlt die S3-Leitlinie?

In letzter Zeit wurden mehrere Studien publiziert, die einen zurückhaltenden Antibiotikaeinsatz bei unkompliziertem HWI untersuchten. Diesen neuen Daten trägt auch die aktuelle, 2017 überarbeitete internationale S3-Leitlinie von 2010 Rechnung. Diese enthält überarbeitete Empfehlungen zur antibiotischen Therapie, warnt vor dem möglichen Kollateralschaden (Resistenzentwicklung!) eines unkritischen Einsatzes nicht indizierter Reserveantibiotika und bestärkt aufgrund der neuen Evidenz Empfehlungen zu symptomatischen Behandlungsoptionen unkomplizierter Harnwegsinfektionen.1

Wird eine unkomplizierte Zystitis antibiotisch behandelt, können ausgewählte Antibiotika – entsprechend dem zu erwartenden Erregerspektum und der geografisch zu erwartenden Antibiotikaempfindlichkeit – zum Einsatz kommen. Empfohlen werden hier insbesondere Fosfomycin, Nitrofurantoin und Pivmecillinam. Mit Evidenzgrad 1a und Empfehlungsstärke A wird in den Leitlinien auch darauf hingewiesen, dass Reserveantibiotika, insbesondere die Fluorchinolone, bei der unkomplizierten Zystitis NICHT als First-Line-Therapie zum Einsatz kommen sollen.1

Auch bei rezidivierenden Verläufen ist, solange die unkomplizierte Harnwegsinfektion auf die Harnblase begrenzt bleibt, nicht mit gravierenden Komplikationen zu rechnen.1 Da die Spontanheilungsraten der akuten unkomplizierten Zystitis hoch sind, kann entsprechend den Guidelines bei Patientinnen mit leichten bis mittelgradigen Beschwerden zunächst auch eine alleinige nichtantibiotische Therapie erwogen werden. Die Guidelines betonen, dass hierzu eine partizipative Entscheidungsfindung mit der Patientin notwendig ist.1

Im Wesentlichen geht es in der Therapie der unkomplizierten Zystitis darum, eine möglichst rasche Symptomfreiheit zu bewirken. In den Guidelines wird auf eine aktuelle Studie Bezug genommen, in der der Effekt einer primär symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen mit einer sofortigen antibiotischen Behandlung verglichen wurde: Unter symptomatischer Behandlung waren nach einer Woche 70 % der Patientinnen beschwerdefrei (verglichen mit 80 % bei antibiotischer Behandlung).1, 3

Rezidivprävention. Der Einfluss verschiedener Faktoren auf das Rezidivrisiko ist bekannt (sexuelle Aktivität, Miktionsverhalten, falsche Hygiene), ebenso weiß man um eine Reihe von Maßnahmen, die bei rezidivierenden HWI zur Rezidivprävention individuell empfohlen werden können. Dazu zählen Phytotherapeutika, pflanzenbetonte Ernährung, Probiotika, Immunstimulanzien etc. sowie Verhaltensmaßnahmen hinsichtlich Sexualität, Miktion und Hygiene und Allgemeinmaßnahmen zur Immunstimulation.1, 4 Verschiedene phytotherapeutische Optionen kommen vor allem wegen antiadhäsiver Effekte beziehungsweise auch harndesinfizierender Effekte zum Einsatz. Bei Frauen in der Postmenopause kann entsprechend der Leitlinie auch eine lokale Estradiolsubstitution erwogen werden.1

Wie viel trinken? Eine ausreichende Trinkmenge von etwa 1,5 Liter sollte empfohlen werden1, allerdings sollte die Trinkmenge neuesten Erkenntnissen zufolge nicht zu hoch sein, um im Urin befindliche, das bakterielle Wachstum hemmende Substanzen nicht zu verdünnen.6, 7

Phytotherapie

Vielversprechende Daten wurden 2018 in einer Vergleichsstudie zur Akuttherapie mit einem pflanzlichen Arzneimittel, für das neben der antiadhäsiven Wirkung auch antiphlogistische und spasmolytische Effekte beschrieben sind, publiziert. In der randomisierten doppelblinden Studie wurde die Behandlung mit dem pflanzlichen Arzneimittel BNO 1045 mit einer Fosfomycin-Therapie verglichen. Untersucht wurde, wie viele Patientinnen nach 30 Tagen keine (zusätzlichen) Antibiotika benötigten. Das pflanzliche Arzneimittel BNO 1045 erwies sich statistisch einer akuten antibiotischen Behandlung als nicht unterlegen.5

1 S3-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-044k_S3_Harnwegsinfektionen_2017-05.pdf
2 AURES Datwen, https://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Krankheiten/Antimikrobielle_Resistenz/AURES_-_der_oesterreichische_Antibiotikaresistenz-Bericht
3 Gagyor I, Bleidorn J, Kochen MM, Schmiemann G, Wegscheider K, Hummers-Pradier E, Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. BMJ 2015; 351:h6544
4 Wagenlehner FME, Vahlensieck W, Bauer HW, Weidner W, Naber KG, Piechota HJ, Primär- und Sekundärprävention von Harnwegsinfektionen. Urologe 2011; 50:1248–56
5 Wagenlehner FM et al., Non-antibiotic herbal therapy (BNO 1045) versus antibiotic therapy (fosfomycin trometamol) for the treatment of acute lower uncomplicated urinary tract infections in women. Urol Int 2018; 101(3):327–336. DOI: 10.1159/000493368
6 Eckford SD, Keane DP, Lamond E, Jackson SR, Abrams P, Hydration monitoring in the prevention of recurrent idiopathic urinary tract infections in pre-menopausal women. BrJ Urol 1995; 76:90–93
7 Hooton TM et al., Effect of increased daily water intake in premenopausal women with recurrent urinary tract infections: A randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2018 Oct 1; [e-pub]. (https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2018.4204)