Allergie versus Unverträglichkeitbei postprandialen Beschwerden

Lösen bestimmte Lebensmittel bei wiederholtem Genuss dieselben unerwünschten Reaktionen oder Beschwerden aus, sollte man an eine Unverträglichkeit denken. Hierbei ist es jedoch wichtig, zu unterscheiden, ob das Immunsystem an der Reaktion beteiligt ist, wie dies bei echten Allergien oder zum Beispiel der Zöliakie der Fall ist, oder nicht, wenn gewisse Enzyme fehlen oder Transportproteine unzureichend funktionieren. Und auch toxische Reaktionen im Rahmen einer Lebensmittelvergiftung können vorkommen. Die Symptome können dabei äußerst vielfältig sein und reichen von Verdauungsbeschwerden, wie zum Beispiel Durchfall, Verstopfung, Blähungen oder Krämpfen, über Kopfschmerzen, Herzrasen, Hautreaktionen, wie Flush, Juckreiz oder Ekzemen, bis zu Atemwegsbeschwerden mit Husten, Schnupfen oder Asthma.

Die echte Allergie gegen Lebensmittel mit einer immunologischen Beteiligung tritt relativ selten auf. Kinder sind dabei etwas häufiger (4–8 %) als Erwachsene (1–2 %) betroffen. Je nach Allergietyp können die Reaktionen relativ schnell, vor allem bei Typ 1 und 2, die über IgE beziehungsweise IgG und IgM vermittelt sind, oder auch erst nach mehreren Stunden (Typ 3: 6–8 Stunden, Typ 4: 12–48 Stunden) auftreten, was die Bestimmung des Auslösers erschweren kann. Als häufigste Auslöser kommen Sellerie, Nüsse, Milch oder Milchprodukte, Karotten, Hühnerei oder in selteneren Fällen Fische oder Krustentiere in Frage, auf deren Eiweißbestandteile das Immunsystem mehr oder weniger heftig reagiert. Bei Pollenallergikern sollte auch an Kreuzallergien mit bestimmten Nahrungsmitteln gedacht werden, die aufgrund ähnlicher allergener Bestandteile Beschwerden auslösen können. So kann zum Beispiel bei Birken-, Erlen- oder Hasel-Allergikern der Genuss von Äpfeln, Kiwi, Kirschen, Marillen, Haselnüssen, Mandeln oder Walnüssen ein Kribbeln oder Schwellungen im Bereich der Lippen oder des Mund- und Rachenraums auslösen sowie in schweren Fällen auch zu asthmatischen Beschwerden führen.

Glutengetriggert

Eine Sonderform der immunologischen Beteiligung ist die relativ seltene Autoimmunerkrankung Zöliakie, bei der das Klebereiweiß Gluten, das in vielen Getreidesorten, wie zum Beispiel Weizen, Roggen, Dinkel oder Gerste, vorkommt, die Schleimhaut des Dünndarms schwer schädigt. Die genaue Ursache ist derzeit noch nicht bekannt. Neben einer genetischen Komponente werden auch die Ernährung oder Virusinfekte im Säuglingsalter vermutet. Trifft das Gluten auf die Dünndarmschleimhaut führt dies zu einer chronischen Entzündung und in der Folge zu einer Veränderung der Darmzotten, die bei einer endoskopischen Untersuchung deutlich erkennbar ist und auch zu einer verminderten Nährstoffaufnahme führt. Zusätzlich können im Labor spezifische Antikörper gegen Abbauprodukte des Glutens festgestellt werden. Die einzige Therapie ist der absolute Verzicht auf Gluten und alle Nahrungsmittel, die in irgendeiner Form glutenhaltige Getreidesorten enthalten, damit sich die Dünndarmschleimhaut langsam wieder regenerieren kann. Aufgrund der häufigen Nährstoffmängel kann die zusätzliche Einnahme eines Multivitaminpräparates sinnvoll sein.
Von der Zöliakie abzugrenzen ist die IgE-vermittelte Weizenallergie, die meist mehrere Stunden nach dem Konsum von Weizenprodukten auftritt und über einen Prick-Test diagnostiziert werden kann. In diesem Fall dürfen andere Getreidesorten weiterhin verzehrt werden. Treten nach dem Konsum glutenhaltiger Lebensmittel Magen-Darm-Beschwerden auf, obwohl eine Zöliakie sowie eine Weizenallergie diagnostisch ausgeschlossen wurden, liegt vermutlich eine Glutensensitivität vor. In diesem Fall kann eine FODMAP-arme Ernährung versucht werden, die unspezifische Verdauungsbeschwerden oder Blähungen reduzieren und sich auch bei Reizdarmbeschwerden günstig auswirken kann. Dabei wird auf fermentierbare Oligosaccharide (zum Beispiel Inulin, Galaktane), Disaccharide (zum Beispiel Laktose), Monosaccharide (zum Beispiel Fruktose) und Polyole (Zuckeralkohole, zum Beispiel Sorbit, Mannit) möglichst verzichtet. Da diese Diät jedoch ohne professionelle Anleitung zu Nährstoffmängeln führen kann, sollte diese Ernährungsumstellung jedenfalls diätologisch begleitet werden.
Wesentlich häufiger kommen Unverträglichkeiten auf Lebensmittel ohne Beteiligung des Immunsystems vor. Neben der so genannten „Pseudo-Allergie“, bei der meist Zusatzstoffe, wie zum Beispiel Konservierungsmittel, Farb- und Süßstoffe, Emulgatoren oder Antioxidanzien, allergieähnliche Symptome auslösen, können auch eine mangelhafte Enzymausstattung oder eine Transportstörung Verdauungsbeschwerden verursachen.

Milchzuckergetriggert

Am häufigsten tritt dabei die Laktoseintoleranz auf, die in unseren Breiten etwa 15–20 % der Bevölkerung betrifft. Ist im Dünndarm zu wenig Laktase vorhanden, die den Milchzucker in Glukose und Galaktose aufspaltet, gelangt die Laktose in den Dickdarm, wo sie von den Darmbakterien vergoren wird. Dabei entstehen Kohlendioxid, Wasserstoff, kurzkettige Fettsäuren und andere Kohlenwasserstoffe, die in der Folge die typischen Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall, krampfartige Bauchschmerzen oder Völlegefühl auslösen. Neben der Selbstbeobachtung kann der Arzt zur Absicherung der Diagnose einen H2-Atemtest durchführen. Neben einer laktosearmen Ernährung kann auch ein oraler Enzymersatz die Beschwerden vermeiden. Dazu sollte die Laktase direkt zum Essen eingenommen werden, sie kann aber auch mit Speisen oder Getränken vermischt werden, solange diese nicht zu heiß (< 50 °C) sind. Die individuelle Schwelle ist dabei von Mensch zu Mensch unterschiedlich, weshalb man sich an die optimale Dosierung herantasten muss. Auch die Kombination mit Fett und Proteinen kann die Verträglichkeit von laktosehaltigen Produkten verbessern, weil es dadurch zu einer langsameren Freisetzung kommt. Verzichten die Betroffenen komplett auf Milchprodukte, sollte auf eine ausreichende Zufuhr von Calcium und Magnesium geachtet werden, um einer Osteoporose vorzubeugen.

Fruktosegetriggert

Auch der Fruchtzucker wird nicht immer gut vertragen. Dafür kommen zwei Gründe infrage, einmal die hereditäre Fruktoseintoleranz, eine seltene Stoffwechselstörung, die schwer verlaufen kann und bei der ein Verzicht auf Fruktose unumgänglich ist, und die intestinale Fruktoseintoleranz, die auch als Fruktosemalabsorption bezeichnet wird und auf einer gestörten Transportkapazität beruht. Fruktose wird im Dünndarm über zwei GLUT-Transportsysteme (GLUT5 und GLUT2) resorbiert. Bei der Fruktosemalabsorption liegt ein Mangel des fruktosespezifischen GLUT5 vor, der bei circa 15 % der Bevölkerung vorkommt. Die Prävalenz dürfte allerdings noch zunehmen, weil der Fruktosekonsum nicht nur aufgrund von „Light“-Produkten stark zunimmt, sondern das GLUT5-Transportsystem auch durch Zuckeralkohole wie Sorbit gehemmt wird. Gelangt die Fruktose nun in tiefere Darmabschnitte, wirkt sie dort osmotisch aktiv oder wird ähnlich wie die Laktose von den Darmbakterien zu Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt, wodurch wiederum Beschwerden wie Blähungen, Völlegefühl, Meteorismus sowie Diarrhö entstehen können. Auch hier kann ein H2-Atemtest Gewissheit verschaffen. Im Gegensatz zur Laktoseintoleranz, bei der die Enzymaktivität nicht mehr induziert werden kann, ist eine Fruktosemalabsorption in der Regel reversibel. Durch eine kurzfristige Karenz und anschließende Steigerung und vorsichtige Überschreitung der Toleranzschwelle können die Transporter wieder vermehrt exprimiert werden. Auch in diesem Fall verbessert die Kombination mit Fett und Eiweiß die Verträglichkeit, und auch die gleichzeitige Einnahme von Traubenzucker ist empfehlenswert, weil dadurch das unspezifische GLUT2-Transportsystem aktiviert wird und somit mehr Fruktose aus dem Dünndarm aufgenommen werden kann. Auch Enzympräparate mit Xyloseisomerase, welche die Umwandlung von Fruktose in Glukose katalysiert, können bei starken Beschwerden die Verträglichkeit verbessern. Interessant ist auch, dass eine Fruktosemalabsorption oft mit Depressionen, Zink- und Folsäuremangel assoziiert ist. Diese Nährstoffe bilden wie auch Tryptophan mit dem Fruchtzucker schwerlösliche Komplexe, die vom Körper nicht aufgenommen werden können, was in der Folge wiederum zu Mangelerscheinungen führen kann.

Histamingetriggert

Seltener, aber nicht weniger unangenehm, ist die Histaminintoleranz. Diese betrifft etwa 1–3 % der Bevölkerung, vorwiegend allerdings Frauen ab der Menopause. Das biogene Amin kommt im Körper physiologisch vor und ist unter anderem an der Immunabwehr beteiligt. Im Darm wird das Histamin durch die Diaminoxidase abgebaut, intrazellulär wird diese Aufgabe von der Histamin-N-Methyltransferase erledigt. Nach einer weiteren enzymatischen Umsetzung erfolgt dann die Ausscheidung über die Nieren. Die durchaus starken Beschwerden können durch eine erhöhte Zufuhr, einen verminderten Abbau oder eine Stimulation der Histaminfreisetzung verursacht werden. Die Symptome sind dabei nicht ausschließlich auf den Gastrointestinaltrakt begrenzt, sondern können sich durch die Stimulation der H1- und H2-Rezeptoren äußerst vielfältig äußern, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Übelkeit, Flush, Juckreiz, Fließschnupfen, asthmatische Beschwerden, Meteorismus, Diarrhö oder Bauchkrämpfe. In sehr schweren Fällen ist auch ein anaphylaktischer Schock möglich, weshalb Personen mit einer starken Ausprägung ein Notfallset mitführen sollten. Die Basistherapie besteht aus einer histaminreduzierten Diät, bei der auch andere biogene Amine berücksichtigt werden sollten. Besonders reich an Histamin sind fermentierte Lebensmittel, wie zum Beispiel Rotwein, Sauerkraut, Salami oder reifer Hartkäse, sowie dunkelfleischige Fische (zum Beispiel Thunfisch, Makrele, Hering) mit einem hohen Histidingehalt. Daneben sollten auch Lebens- und Arzneimittel, welche die Histaminfreisetzung fördern, zum Beispiel Zitrusfrüchte, Tomaten, Bananen, Erdbeeren oder Nüsse beziehungsweise Diclofenac, Naproxen, ASS oder Opioide, sowie Substanzen, die den Abbau hemmen, zum Beispiel Alkohol, Schokolade, Tee oder Arzneimittel, wie zum Beispiel Metamizol, Acetylcystein, Ambroxol, Amitriptylin oder Metoclopramid, gemieden werden. Antihistaminika sind zur akuten Therapie nur bedingt geeignet, können aber kurzfristig die Symptome lindern. Besonders bei aushäusigem Essen kann auch ein oraler Enzymersatz der Diaminoxidase unmittelbar vor dem Essen die Beschwerden mildern.

 

Zur genauen Abklärung sollten die Betroffenen immer an einen Arzt verwiesen werden. Neben den oben erwähnten Unverträglichkeiten kann auch ein Leaky-Gut oder eine instabile Halswirbelsäule für die Verdauungsbeschwerden verantwortlich sein. Als Zusatzempfehlung zur Ernährungsumstellung können die Patienten auch von einer Darmsanierung und der Zufuhr von Prä- und Probiotika profitieren, um die Darmfunktion wieder zu normalisieren.

 

Literatur

  • Zimmermann M, Schurgast H, Burgerstein U, Burgerstein Handbuch Nährstoffe, 13. Auflage, 2018
  • Pharmazeutische Zeitung: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-252016/intoleranzen-und-allergien/
  • Vogelreuter A, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Seminar-Skriptum, 2013
  • Bogad A, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Webinar-Skriptum, 2018 (Akademie für Naturheilkunde)