Auch Tankstellen wollen OTC-Produkte verkaufen

Die Idee ist nicht wirklich neu: In Ungarn und anderen östlichen Nachbarländern Österreichs werden bereits seit einigen Jahren rezeptfreie Medikamente an Tankstellen verkauft. Jetzt denkt man auch in Österreich wieder darüber nach, wie der mächtige Handelsverband auf Anfrage der Apotheker Krone bestätigt. Hintergrund ist, dass die Drogeriekette dm wie berichtet einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof eingebracht hat.

„Seit 2015 ist der Verkauf von OTC-Arzneimitteln auf Web-Portalen der österreichischen Apotheken zugelassen. Ebenso kann man sich Medikamente jederzeit von deutschen Online-Apotheken zu deutlich günstigeren Konditionen zusenden lassen. Dort werden schon rund ein Viertel aller Arzneimittel online gekauft“, sagt Handelsverbandsgeschäftsführer Ing. Mag. Rainer Will. Eine mögliche rechtliche Ungleichbehandlung müsse im Sinne eines gerechten Marktes geprüft werden.

Ein positiver Bescheid der dm-Klage dürfe aber nicht von einer willkürlichen Beschränkung auf Apotheken zur nächsten Einschränkung auf Drogisten führen, sagt Will: „Wir sprechen uns deshalb für gleiches Recht für alle aus. Ob darunter auch Tankstellen fallen werden, wird nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes besser abschätzbar sein.“ Wünschenswert sei es allemal. „Die hohe geografische Durchdringung der filialisierten Händler und die konsumentenfreundlichen Öffnungszeiten – bei Tankstellen sogar rund um die Uhr – können ihren Beitrag dazu leisten.“

Handel lockt mit niedrigeren Preisen

Der Handelsverband ist überzeugt, dass sich das in günstigeren Preisen niederschlagen wird. In Großbritannien beispielsweise seien die Preise auf rezeptfreie Arzneimittel seit der Liberalisierung der Distribution um 30 Prozent gesunken. Der Handelsvertreter versucht die Apotheker allerdings auch zu beruhigen: „Internationale Beispiele zeigen, dass ohnehin nur eine sehr beschränkte Anzahl an beliebten rezeptfreien Medikamenten im Sortiment der Händler aufgenommen wird, diese aber Cross-Selling-Effekte bringen können.“

Für Kammerpräsident Mag. pharm. Max Wellan ist das ein schwacher Trost. „Wo dm glaubt, man könne einfach so rezeptfreie Arzneimittel verkaufen, muss man sagen: Ein Arzneimittel ist viel mehr. Es kann Nebenwirkungen und Wechselwirkungen haben.“ Die Drogeriemarktkette wolle mit der gewünschten Aufnahme der 200 umsatzstärksten Produkte nur unverschämte „Rosinenpickerei“ betreiben. Bei Beratungsbedarf würde man wohl die Kunden dann in die nächste Apotheke schicken. Eine Analyse der Apotheker Krone zeigt aber, dass gerade die Tankstellen Rosinen picken. In Schweden werden nichtverschreibungspflichtige Medikamente seit der Marktfreigabe zu Preisunterschieden von bis zu 47 Prozent verkauft. Am teuersten waren gängige OTC-Medikamente laut einer Studie bei Statoil-Tankstellen: Der Preis des Nasensprays Nasin war dort um fast die Hälfte teurer als in einer Supermarktkette. Allerdings drängt wie berichtet auch die EU auf eine Marktöffnung wie das Beispiel Griechenland zeigt. Dort forderten die Geldgeber des angeschlagenen Landes eine Liberalisierung des Apothekenwesens und die Möglichkeit, OTC-Präparate in Super- und Drogeriemärkten und eben an Tankstellen zu verkaufen.

In Deutschland ist der Ölkonzern Shell schon vor ein paar Jahren in den Verkauf von Medikamenten über das Internet eingestiegen. Shell arbeitet dabei mit einer Internet-Apotheke zusammen. Kunden können rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente per Internet bestellen und diese an der Tankstelle abholen. In Österreich ist das in der geltenden Fernabsatzverordnung allerdings verboten.