Kritik an Hausapotheken

„Die aktuelle Diskussion um die Ausweitung von ärztlichen Hausapotheken lässt nicht unerhebliche Nebenwirkungen außer Acht.“ Mit dieser eindeutigen Kritik an der entsprechenden Neuregelung durch die Bundesregierung ließ dieser Tage der Gesundheitsökonom Dr. Thomas Czypionka, Leiter des IHS HealthEcon, aufhorchen. Die Ausweitung der Hausapotheken setze Anreize zur Überverordnung zu Lasten der öffentlichen Hand und führe zu einer Ausdünnung der Vollversorgung mit Arzneimitteln in der Peripherie, betont der Experte. Eine von der Regierung angedachte Attraktivierung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Bereich sollte seiner Meinung nach innerhalb des Honorarsystems erfolgen, nicht durch die Stärkung von Nebeneinkünften im Sinne der Hausapotheken. Ende 2015 gab es in Österreich 1.340 öffentliche Apotheken, 28 Filialapotheken und 871 ärztliche Hausapotheken. Czypionka: „Somit werden knapp 40 Prozent der Arzneimittelabgabestellen von Ärzten betrieben.“ Er fordert, dass „behutsam gesundheitsökonomische Vor- und Nachteile einer Verlagerung der Versorgungsfunktion hin zu ärztlichen Hausapotheken abgewogen werden“. Das Prinzip der Trennung zwischen der verschreibenden und der dispensierenden Hand im Gesundheitswesen sei ordnungspolitisch sinnvoll.

Schlechte Erfahrungen in der Schweiz

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten sei den österreichischen Landärzten die Medikamentenversorgung zugesprochen worden, sagt er. „Diese Regelung hat ihre Berechtigung in Regionen ohne Überlebensfähigkeit einer öffentlichen Apotheke. Frühere Gesetzgeber betonten diese bloße Surrogat-Funktion der ärztlichen Hausapotheken für die Arzneimittelversorgung und hatten damit nicht eine Honorarkompensation für medizinische Leistungen im Sinn.“

Der jüngst eingebrachte Initiativantrag der Regierungspartner sehe aber eine Erweiterung des Schutzgebietes der ärztlichen Hausapotheken vor, um durch zusätzliche Einkünfte die Landflucht der Hausärzte zu verhindern. Die Folge könne ein Überverordnen von Arzneimitteln zu Lasten der öffentlichen Gesundheitsausgaben sein. Diese negativen Effekte zeigen sich in Studien aus der Schweiz, wo in einigen Kantonen in den vergangenen Jahren das ärztliche Dispensierrecht eingeführt wurde. Bei Ärzten mit Hausapotheke lägen die Arzneimittelkosten pro Patient um ein Drittel höher. Ein weiterer Aspekt sei der geringere Versorgungsgrad der Hausapotheken. Sie weisen eine geringere Lagerhaltung von Arzneimitteln, einen niedrigeren Belieferungsgrad und geringere Öffnungszeiten auf, sodass Hausapotheken einer öffentlichen Apotheke versorgungstechnisch unterlegen sind und den ordnungspolitischen Versorgungsauftrag nur teilweise erfüllen können.