Aut-idem-Debatte: auch ÖGK für Wirkstoffverschreibung

Er sei ein „großer Freund der Apotheken“, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Apotheker Krone-Gespräch, denn sie seien ein wichtiger Teil des Gesundheitswesens – würden sich selbst aber vielfach noch nicht als solchen sehen. „Wir werden im Herbst darüber diskutieren, wie man die Apotheken stärken kann, genauso wie wir überlegen werden, wie man die Hausärzte stärken kann.“ Eine Variante ist die Aut-idem-Lösung, bei der Ärzte nur noch einen Wirkstoff verschreiben und die Apotheker das verfügbare Produkt abgeben. Anschober will wie berichtet ebenfalls im Herbst darüber diskutieren.

ÖGK „spricht Minister Mut zu“

Unterstützung kommt nun von Andreas Huss, dem neuen Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse. „Wenn der Arzt in Zukunft nicht mehr den Medikamentennamen verschreibt, sondern den Wirkstoff, dann ist der Apotheker in seiner Ausgabe von Medikamenten wesentlich flexibler. Er müsste sich nicht auf einen Markennamen spezialisieren und beim Arzt nachfragen, wenn etwas nicht verfügbar ist“, sagte er. Dies sei eine lange Forderung der Sozialversicherung, und er würde eine Initiative des Gesundheitsministers in jedem Fall unterstützen. „Ich spreche dem Minister Mut zu, das auch umzusetzen.“ Er räumt aber auch ein, dass er die Bedenken von Ärzten und Pharmaindustrie im Hinblick auf die Wirkung verstehe. Nachsatz: „Ich denke, wenn es in anderen Ländern gut funktioniert, stellt sich die Frage, warum es in Österreich nicht auch funktionieren sollte.“

Ärzte wehren sich

Kritik kommt wie erwartet von den Ärzten: „Sehr gern stellen wir Bundesminister Anschober unsere Expertise zur Verfügung“, lautet die Reaktion von MR Dr. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Die Kurzfassung lautet: Rezeptierungen dürfen aus gutem Grund nur Ärztinnen und Ärzte leisten“, sagt Steinhart. Die Aut-idem-Regelung bringe nämlich mehrere große Sicherheitsprobleme mit sich: „Die Wirkstoffe von Original und Generikum mögen ident sein, aber es gibt durchaus wesentliche Unterschiede bei Füllstärke und Zusätzen“, erklärt Steinhart: „Die Einschätzung von möglichen Wechselwirkungen mit der Medikation der Patienten können Apotheker fachlich gar nicht leisten.“

Kritik an Ärztekammer

Mag. pharm. Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer, weist die Kritik der Ärzte zurück: „Was bitte ist die Füllstärke? Und: Welche Unterschiede sieht der ärztliche Universalgelehrte in der nicht existierenden ‚Füllstärke‘ Generika betreffend? Ich möchte hiermit festhalten: Der Terminus ‚Füllstärke‘ findet sich in der ganzen Galenik nicht. Es ist zwar nicht verwunderlich, dass die beiden Ärzte das nicht wissen, denn schließlich findet sich Galenik nicht in deren Curriculum. Ich stelle mir aber ernsthaft die Frage, warum Ärzte sich hier als Experten ausgeben, Apotheker, die das von Grund auf lernen, aber nicht gefragt werden.“

Industrie sieht ausreichende Regularien

Ablehnung zu den Vorschlägen kommt in jedem Fall von der Industrie. Die Wirkstoffverschreibung werde etwaige Lieferproblematiken bei Arzneimitteln nicht lösen, sondern sogar noch verschärfen, sagt Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig. „Vielmehr sollten Ärzte in dem Moment, in dem sie ein Rezept ausstellen, darüber informiert werden, ob das entsprechende Medikament auch verfügbar ist“, betont er. Wiewohl eine solche Verordnung in vielen anderen Ländern bereits existiert, gelten dort andere Preismechanismen. In Österreich würden weit- und tiefgreifende Regularien herrschen, „die ohnehin in den vergangenen Jahren bereits zu starken Preiserosionen geführt haben“.

Kritik vom Generikaverband

Auch der Österreichische Generikaverband (OeGV) zeigt sich skeptisch. „Wenn man sich die Erstattungssysteme anderer EU-Länder anschaut, ist es natürlich auffällig, dass Österreich eines der wenigen Länder ohne Wirkstoffverschreibung ist – das hat aber gute Gründe“, und er freue sich, dass Bundesminister Anschober offene und faire Gespräche darüber angekündigt hat, an denen der Generikaverband sehr gerne teilnehmen wird, sagt dessen Präsident Dr. Wolfgang Andiel und warnt: Einzelmaßnahmen aus anderen Systemen zu übernehmen, berge die Gefahr, mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu stiften.