Beratung bei Harnwegsinfekten

Der Harnwegsinfekt (HWI) wird als eine zumeist durch Bakterien aus­gelöste, symptomatische Entzün­dung der Harnwege definiert. Je nach Lo­kalisation wird zwischen einer unteren HWI, die auf die Blase beschränkt bleibt, und einer oberen Infektion, welche mit Be­teiligung der Niere einhergeht, differen­ziert.

Unterscheidung: unkomplizierte versus komplizierte Harnwegsinfekte

Als unkompliziert gelten HWI in der Re­gel bei nicht schwangeren, erwachsenen Frauen ohne anatomische und funktionel­le Besonderheiten.

Häufig sind junge, sexuell aktive Frauen betroffen, ebenso Frauen in der Postme­nopause: Bei Frauen in der Postmenopau­se kommt es durch den Rückgang der Ös­trogenproduktion auch zu einer Atrophie der vaginalen Schleimhäute, wodurch sich in weiterer Folge pH-Wert und Keimbe­siedlung verändern. An die Stelle der ur­sprünglich vaginal vorhandenen Laktoba­zillen treten nun vermehrt Enterobacteriaceae und Anaerobier, was das Auftreten von Blasenentzündungen begünstigen kann.

Von komplizierten Fällen spricht man bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren für einen gravierenderen Verlauf oder Fol­geschäden wie beispielsweise:

  • alle HWI bei Kindern, Männern oder Schwangeren
  • funktionelle oder anatomische Besonder­heiten, der Zustand nach operativen Ein­griffen
  • immunsupprimierte Patienten
  • Fieber, Flankenschmerz
  • urologische und/oder renale Erkrankun­gen, Nierensteine
  • innerhalb der letzten 2 Wochen: Anlage eines Urinkatheters, Entlassung aus dem Krankenhaus/Pflegeheim, Antibiotika­therapie

 

Aufgrund einer eventuellen Mitbeteiligung der Prostata werden HWI bei Männern immer als kompliziert eingestuft.

Wenn Schwangere betroffen sind, kommt das Risiko hinzu, dass eine unbehandelte Infektion vorzeitige Wehen auslösen und das Kind gefährden kann. Außer einer dro­henden Frühgeburt sind weitere Kompli­kationen wie maternale Anämie, Präe­klampsie, Amnionitis oder auch eine Pyelonephritis möglich.

Falls bei Frauen neben charakteristischen Symptomen wie Schmerzen beim Wasser­lassen, häufigen Miktionen oder imperati­vem Harndrang auch zusätzliche vaginale Beschwerden auftreten, sollten gynäkolo­gische Ursachen (zum Beispiel Scheiden­entzündung) als eventuelle Auslöser in Be­tracht gezogen und abgeklärt werden.

Urinuntersuchung mit Teststreifen

Für weitere Hinweise auf eine vermutete Zystitis kann vom Betroffenen selbst be­reits zuhause eine Urinuntersuchung mit­tels Teststreifen durchgeführt werden. Da­bei sind die Nachweise von Nitrit, Leukozyten sowie Blut aussagekräftig.

Einige Bakterien können Nitrat über das Enzym Nitratreduktase zu Nitrit reduzie­ren. Um ein positives Ergebnis zu erzielen, muss bereits eine bestimmte Konzentrati­on an Bakterien vorhanden sein, die jedoch erst nach einer mehrstündigen Verweilzeit in der Harnblase sicher gegeben ist. Ein Urintest bei kürzerer Blasenverweilzeit (wie bei häufigem Harndrang) kann den Befund negativ ausfallen lassen und das Ergebnis verfälschen.

Der Nachweis der Leukozyten-Esterase ist ebenfalls ein richtungsweisendes Indiz für einen Harnwegsinfekt. Ein positiver Test bedeutet, dass eine entzündliche Reaktion vorliegt, die jedoch wiederum auch auf an­dere Infektionen im Genitalbereich zu­rückzuführen sein kann. Nicht immer muss Blut im Urin für die Patientin sicht­bar sein, ein Teststreifen schlägt auch bei mikroskopischen, mit freiem Auge nicht erkennbaren Blutbeimengungen in der Probe an, was wiederum auf einen HWI hindeutet.

Selbstmedikation bei unkomplizierter Zystitis

Viele Frauen mit charakteristischen Be­schwerden suchen jedoch zunächst keinen Arzt auf, sondern probieren eine Selbstbe­handlung. Dafür sollten mindestens 2–3 l täglich getrunken werden. Wasser und harntreibende Tees mit Goldrutenkraut, Brennnessel, Schachtelhalmkraut, Hauhe­chelwurzel, Birkenblätter oder Bruchkraut eignen sich beispielsweise hervorragend für eine Durchspülungstherapie.

Pflanzliche Präparate aus Cranberry, Prei­selbeere, Kren mit D-Mannose und den Vitaminen C und D unterbinden die An­haftung von Keimen an der Blasenschleim­haut und kommen als therapeutische Maßnahmen infrage.

Eine Kombination von Tausendgulden­kraut, Liebstöckel und Rosmarinblättern weist entzündungshemmende, krampflö­sende und antiadhäsive Wirkungen auf und reduziert zusätzlich das Schmerzemp­finden. Eine siebentägige Behandlung mit dem Phytotherapeutikum war laut Studien einer einmaligen Einnahme von Fosfomy­cin nicht unterlegen.

Arztbesuch empfehlen

Bei unzureichendem Erfolg mit Fieber und weiteren Symptomen ist umgehend ein Arzt aufzusuchen. Eine exakte Diagnosestellung und gezielte antibiotische Behandlung ist mit Anlage einer Urinkultur möglich.

Die Auswahl des Antibiotikums wird durch das zu erwartende Keimspektrum (Tabel­le) und die lokale Resistenzsituation und patientenindividuelle Vorerkrankungen, Allergien und Interaktionen beeinflusst. Antibiotische Empfehlungen zur Therapie bei unkomplizierten Harnwegsinfekten sind im Kasten zusammengefasst.

 

 

Antibiotische Empfehlungen – akute unkomplizierte Zystitis

  • Fosfomycin-Trometamol (Einmaldosis)
  • Nitrofurantoin
  • Trimethoprim

 

Generell erhöht eine antibiotische Behand­lung in den letzten 3 Monaten das Risiko für das Vorliegen einer Resistenz gegen ei­nen Wirkstoff.

Zusätzliche Empfehlungen

Generell empfiehlt sich bei Neigung zu Harnwegsinfekten neben ausreichender Flüssigkeitszufuhr:

  • Beckenbereich warm halten
  • genügend Ruhe/Schlaf, um das Immun­system zu stärken
  • Handtücher und Unterwäsche bei min­destens 60 °C waschen, damit Keime neu­tralisiert werden
  • keine übertriebene Hygiene mit allzu häufigen Vaginalspülungen oder -du­schen

 

Quellen:

  • Leitlinienprogramm DGU, AWMF: Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfekti­onen bei erwachsenen Patienten. Kurzversion 1.1.–2, 2017 AWMF Registernummer: 043/044

  • Wagenlehner FM et al., Non-Antibiotic Herbal Therapy (BNO 1045) versus Antibiotic Therapy (Fosfomycin Trometamol) for the Treatment of Acute Lower Uncomplicated Urinary Tract Infections in Women: A Double-Blind, Parallel-Group, Randomized, Multicentre, Non-Inferiority Phase III Trial. Urol Int. 2018; 101 (3):327–336
  • Aktories/Förstermann/Hofmann/Starke, Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 11., überarbeitete Auflage, ElSevier Urban&Fischer
  • Anja Klingeberg et al., Antibiotic-Resistant E. coli in Uncomplicated Community-Acquired Urinary Tract Infection: A Prospective Cohort Study from 2015/16 (the SARHA Study) Compared With Data From the Antimicrobial Resistance Surveillance System (ARS) Dtsch. Ärzteblatt Int. 2018 Jul; 115(29–30):494–500