Beratungsleitfaden: Haarausfall

Haarfarbe und Haarfülle sind mit Schönheitsidealen und gesellschaftlichem Ansehen eng verbunden. Aus diesem Grund stellt Haarausfall für viele Betroffene eine enorme psychische Belastung dar.

Ein Haarverlust von bis zu 100 Haaren pro Tag ist völlig normal, die Haarwurzel bleibt bei diesem „normalen“ Haarausfall bestehen, und die Haare wachsen wieder nach. Wenn die Menge der ausgefallenen Haare über einen längeren Zeitraum überschritten wird, wird dies als Effluvium bezeichnet. Bei Auftreten von einer deutlichen Lichtung der Haare oder haarlosen Arealen liegt eine Alopezie vor. Ungefähr 40 % der Männer sind von Haarausfall betroffen, wobei dieser meist erblich bedingt ist, mit „Geheimratsecken“ beginnt und häufig zu einer Glatze führt. Doch auch ­20 % aller Frauen leiden unter Haarausfall.

Auf den ersten Blick – Wirksames für die Selbstmedikation

  • mögliche Ursachen: psychische Belastungen, Nährstoffmängel, Arzneimitteleinnahme, radikale Diäten, COVID-19-Erkrankung
  • Selbstmedikation mit Minoxidillösungen
  • B-Vitamine und Aminosäuren wie Cystein gegen diffusenHaarausfall
  • Biotin für die Neubildung von Haarwurzeln und die Keratinbildung
  • Spurenelemente wie Zink, Kupfer oder Selen
  • Koffein
  • Haarpflege optimieren

Empfehlungen für das Gespräch an der Tara

Wichtige Fragen zu Beginn der Beratung

  • Seit wann leidet der:die Patient:in an Haarausfall?
  • Schweregrad? Wie viele Haare fallen pro Tag aus z. B. > 100 Haare/Tag, büschelweise?
  • Welche Stellen sind von Haarausfall betroffen? Ganzer Kopf, nur bestimmte Stellen?
  • Liegen Grunderkrankungen vor?
  • Welche Medikamente werden derzeit eingenommen?
  • Art und Häufigkeit der Haarpflege z. B. häufige Haarwäsche, Färben, Hitze?
  • Welche Mittel gegen Haarausfall wurden bisher ausprobiert? Mit welchem Erfolg?
  • Gab es schon ärztliche Empfehlungen?

Ursache abklären:

1. Androgenetische Alopezie

Einer der häufigsten Gründe für Haarausfall ⇒ genetisch bedingte Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Androgenen, vor allem Dihydrotestosteron (DHT), das in den Follikeln durch 5α-Reduktase Typ II aus Testosteron gebildet wird, für ca. 90 % der Fälle verantwortlich; die androgenetische Alopezie ist meist fortschreitend und erholt sich nur selten von allein.

  • Mann ⇒ typische Glatzenbildung, vor allem Geheimratsecken; Tonsur; Vollglatze
  • Frau ⇒ diffuses Muster, vor allem Ausdünnung im Scheitelbereich; vor allem nach der Menopause (Androgene gewinnen durch abnehmende Östrogenproduktion an Einfluss)

Therapie: Grundsätzlich richtet sich die Behandlung nach dem Geschlecht des Betroffenen ⇒ Finasterid (5-alpha-Reduktasehemmer) und Minoxidil (5%ig) bei Männern; bei Frauen vor allem topische Behandlung mit Minoxidil (2%ig); Antiandrogene alleine nach der Menopause; vor den Wechseljahren in Kombination mit Östrogenen.

2. Diffuser Haarausfall

Häufiges Beratungsthema in der Apotheke; nach Beseitigung der auslösenden Faktoren wachsen die Haare in den meisten Fällen wieder nach.

Mögliche Ursachen:

  • psychische Belastungssituationen, Stress
  • Schilddrüsenüberfunktion, Schilddrüsenunterfunktion
  • Einnahme von Medikamenten z. B. Gestagene, ACE-Hemmer, Betablocker, Thyreostatika, Antiepileptika, NSAR, Fluoxetin, Zytostatika
  • falsche und/oder übertriebene Pflege der Haare und der Kopfhaut
  • hormonelle Störungen z. B. nach der Geburt, Schwangerschaft
  • Einnahme bestimmter Medikamente
  • Radikaldiäten
  • Mangel an Spurenelementen (z. B. Zink, Kupfer) und Vitaminen (z. B. Biotin), Eisenmangel
  • saisonal bedingter Haarausfall
  • normaler Alterungsprozess
  • Einige Monate nach einer Infektion mit COVID-19 (von der American Academy of Dermatology Association AAD offiziell bestätigt)

Therapie: richtet sich nach der Ursache

3. Alopecia areata

„Kreisrunder Haarausfall“ ⇒ weltweit altersunabhängige Prävalenz von 0,1–0,2 %; Ursache vermutlich gegen Haarfollikel gerichtete Autoimmunerkrankung (entzündliche Erkrankung); Beginn oft spontan ⇒ kreisrunder, kahler Fleck auf der Kopfhaut kann sich innerhalb kurzer Zeit rasch ausdehnen; bei Männern kann auch der Bart betroffen sein.

Therapie: topische und orale Glukokortikoide, topische Calcineurin-Inhibitoren, systemische Gabe von Immunsuppressiva; Zink aufgrund seiner immunmodulatorischen Eigenschaften; PUVA

4. „Saisonal verstärkter Haarausfall“

Vor allem in den Monaten August und September ⇒ es wird angenommen, dass durch das lange Tageslicht im Mai/Juni deutlich mehr Haare als sonst von der Wachstumsphase in die Ruhephase übergehen; dieser letzte Lebensabschnitt eines Haars dauert dann ca. drei Monate, und entsprechend viele Haare fallen dann im August und September aus.

Grenzen der Selbstmedikation beachten

Es ist sinnvoll „verdächtigen“ Haarausfall beim Arzt/bei der Ärztin differenzialdiagnostisch untersuchen zu lassen. Bei kreisrundem Haarausfall (Alopecia areata) und bei erblich bedingtem Haarausfall (Alopecia androgenetica) können Therapien und Behandlungen den weiteren Verlauf des Haarausfalls einschränken und eventuell sogar stoppen. Eine Selbstmedikation ist nur bei „unphysiologischem“ Haarausfall zu empfehlen. Wenn der Verdacht besteht, dass der Haarausfall durch bestimmte Medikamente ausgelöst wird, ist auch in diesem Fall eine Abklärung beim Arzt/bei der Ärztin zu empfehlen.

Selbstmedikation

Bei Ausschluss systemischer Erkrankungen als Ursache bzw. wenn diese gut therapiert sind, ist eine Selbstmedikation zu empfehlen; der Kunde/die Kundin muss aber unbedingt darauf aufmerksam werden, dass eine Wirkung erst nach einigen Wochen zu erwarten ist ⇒ längerfristige und kontinuierliche Einnahme bzw. Anwendung der verschiedenen Präparate über mindestens 3 Monate

  • Minoxidillösungen (2%ige Lösung für Frauen und 5%ige Lösung für Männer ⇒ 2-mal täglich als lebenslange Therapie)
  • Aminexil – Ampullenkur für Männer oder Frauen, als Shampoo
  • Aminexil für Männer ⇒ Anti-Haarausfall-Schaum, Anti-Haarausfall-Kur
  • gegen diffusen Haarausfall ⇒ B-Vitamine (z. B. Pantothensäure, Niacin), Aminosäuren (Cystein, Methionin), Hirseextrakt, Kieselsäure, Silicium, Bambusextrakt etc.
  • Biotin (früher auch als Vitamin B7 bezeichnet) ⇒ Bestandteil von Enzymen und somit an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt; aktiviert die Neubildung von Haarwurzeln und des Nagelbettes; wichtig für die Keratinbildung (Hauptbestandteil von Haaren und Nägeln)
  • Spurenelemente wie Zink, Kupfer oder Selen ⇒ wichtige Rolle bei Haarwachstum
  • Koffein ⇒ Anregung des Zellwachstum an den Haarwurzeln
  • kosmetische Unterstützung der Therapie ⇒ Austrocknung und Reizung der Kopfhaut unbedingt verhindern z. B. Verwendung von Shampoos und Pflegeprodukten mit Harnstoff und/oder pflegenden Zusätzen

Beratungstipps

  • optimale Haarpflege und die Verwendung hochwertiger, individuell angepasster Haarpflegeprodukte ⇒ milde Shampoos und Pflegeprodukte
  • Haare nur alle 3–4 Tage waschen
  • besondere Haarbehandlungen z. B. Dauerwelle, Färben u.a. ⇒ nur beim Friseur durchführen lassen
  • starken Zug auf Haarwurzeln (Haarknoten, Zöpfe, Lockenwickler) meiden
  • Eine Kopfhautmassage fördert die Durchblutung und regt das Haarwachstum an.
  • Stressfaktoren soweit wie möglich ausschalten
  • gesunde und ausgewogene Ernährung mit ausreichend Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen

Epilog

Das Beratungsthema Haarausfall ist auch gleich eine gute Gelegenheit, zu hinterfragen, ob Haare und Kopfhaut richtig gepflegt werden.

Eine gesunde Kopfhaut ist die beste Basis für kräftige Haarwurzeln und gesundes Haar, und bei Haarausfall ist eine schonende Haar- und Kopfhautpflege besonders wichtig.

Haare richtig pflegen

Tägliches Haarewaschen ist für viele Menschen ein Bestandteil der täglichen Körperpflege, kann aber dazu führen, dass die Haare „austrocken“ und spröde werden und die Kopfhaut gereizt wird. Falls die Kopfhaut ohnehin schon trocken ist, sollten die Haare auf alle Fälle seltener gewaschen werden.Für die Haarwäsche eignen sich milde Shampoos bzw. Babyshampoos, damit die Kopfhaut und das Haar nicht zu sehr entfettet werden. Empfindliche Kopfhaut kann auf aggressive Shampoos „gereizt“ reagieren, was zu vermehrtem Haarausfall führen kann. Wichtig ist auch, dass alle Shampoo-Rückstände gut ausgespült werden, da diese das Haar beschweren und zusätzlich reizen können. Eine optimale Haarpflege und die Verwendung hochwertiger, individuell angepasster Haarpflegeprodukte stärkt und kräftigt Haarwurzeln und Haare. Zusätzlich können spezielle Präparate und Aufbauprodukte das Erscheinungsbild der Haare verbessern. Durchblutungsfördernde Präparate, Haarkuren oder auch Kopfhautmassagen sind in der Lage, die Versorgung der Haare in der Wachstumsphase zu optimieren.