Corona reißt die Kassen Tief ins Minus

Die Coronakrise schlägt auch wirtschaftlich massiv auf das Gesundheitswesen durch. Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit sowie die zinsfreien Stundungen von Beitragszahlungen für Betriebe haben den Sozialversicherungsträgern bereits ein kräftiges Minus beschert. Von einem Einnahmenminus in Höhe von 880 Millionen Euro entfallen rund 167 Millionen auf die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), der Rest auf alle anderen Träger. „Die wirtschaftliche Situation schlägt eins zu eins durch. Die tatsächlichen Folgen sind aber erst sichtbar, wenn klar ist, wie viele von den jetzt gestundeten Beiträgen später reinkommen oder ob die Forderungen offenbbleiben“, sagt ÖGK-Generaldirektor Mag. Bernhard Wurzer im Apotheker Krone-Gespräch. Der Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss, befürchtet, dass bis Jahresende rund 400 Millionen Euro fehlen. Huss: „Die Situation ist wirklich dramatisch für uns. Und da hoffe ich schon sehr, sehr stark, dass der Bund der Sozialversicherung die Kosten, die sich angesammelt haben, auch ersetzt.“

„Blick in Kristallkugel“

Welche Auswirkungen die Krise auf das zu erwartende Jahresergebnis der ÖGK haben wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Die für 15. Mai vorgesehene Gebarungsvorschau wurde deshalb ausgesetzt – obwohl diese vierteljährlich gesetzlich vorgeschrieben ist. Wurzer: „Wir haben dem Ministerium mitgeteilt, dass der Versuch einer seriösen Vorschau dem Blick in eine Kristallkugel gleichkommt. Wir können die Dynamik einfach nicht vorhersagen, jede jetzt genannte Zahl würde nur zur Verwirrung beitragen. Die Zahlen sind sehr volatil.“ Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnete im Gesundheitsausschuss des Nationalrates die Situation der Kassen als „riesige Herausforderung“ und betonte, dass es zweifellos Unterstützungsmaßnahmen geben werden müsse.

Diskussion um neue Strukturen

Auch Apothekerkammerpräsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr fordert, dass das Gesundheitswesen geschützt werden müsse: „Das ist öffentliche Aufgabe!“ Für gute Gesundheitssysteme müsse entsprechend Geld in die Hand genommen werden, formuliert sie gegenüber der Apotheker Krone. Pharmig-Präsident Philipp von Lattorff fordert, dass gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden müsse, um die negativen Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung zu minimieren. Sein Vorschlag: „Wann, wenn nicht jetzt, wäre es an der Zeit, endlich geeignete Strukturen für die oft zitierte, zersplitterte Finanzierung unseres Gesundheitssystems zu schaffen. Diese würde die Verwaltung der Gesundheitsbudgets erleichtern, damit das Budget möglichst effizient eingesetzt werden kann.“ Aus seiner Sicht wäre es auch wichtig, darüber nachzudenken, „ob wir die Gesundheit nicht in anderer Form noch wirksamer unterstützen können, sei es durch Sonderbudgets, durch Präventionsbudgets oder eine andere Art der Absicherung oder Aufstockung“.

Positive Krisenbilanz

ÖGK-Chef Wurzer sieht indes „erste positive Signale“, weil seit der Ankündigung der Maßnahmenlockerungen ein Zuwachs an pflichtversicherten Erwerbstätigen registriert worden sei. Zudem zeige sich, dass die Fusion der Gebietskrankenkassen sinnvoll gewesen sei. Das habe die Koordination und Entscheidungen erleichtert und beschleunigt, so Wurzer. Auch in der Krise habe man gute Lösungen mit den Vertragspartnern gefunden. „Was wir auf allen Ebenen und an allen Ecken in der Krise gemeinsam mit den Ärzten umgesetzt haben, hat gut geklappt, wie etwa die Lösungen bei der Telemedizin oder die rasche Lösung mit dem E-Rezept.“ Das Problem fehlender Schutzausrüstung sei systemimmanent – niemand habe sich darauf vorbereiten können, und die Krise habe weltweit zu Engpässen und Lieferproblemen geführt. Wurzer: „Man soll hier keine Schuldzuweisungen machen. Es hat alle getroffen, und man hat rasche Lösungen gefunden. Wir haben primär aber natürlich Produkte für unsere Vertragsärzte organisiert.“ Die Zeit für „Learnings“ sei aber noch zu früh. „Man muss in jedem Fall eine Analyse machen.“

 

 

Lob für Apotheken

Mursch-Edlmayr bestätigt die aus ihrer Sicht positive Bilanz: „Seit Ausbruch der Coronakrise hat sich das Krisenmanagement als sehr gut erwiesen. Die Apotheker waren und sind sich ihrer Rolle als zentrale Säule des Gesundheitssystems bewusst und agierten dementsprechend. Wir haben sofort reagiert und die notwendigen Maßnahmen gesetzt. Der hohe Arbeitsaufwand mündete nicht selten in 16-Stunden-Arbeitstage der Apothekerinnen und Apotheker. Die Sicherheitsmaßnahmen haben dadurch gewirkt. Die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und Beratung konnte aufrechterhalten werden.“ Die Gesellschaft und das Gesundheitswesen müssten nun möglichst krisensicher aufgestellt werden. „Gesundheit ist und bleibt öffentliche Aufgabe und muss im Mittelpunkt öffentlicher Handlungen stehen.“ Damit die Apotheken hochwertige Gesundheitsdienstleistungen erbringen können, bedürfe es aber fairer rechtlicher und endlich auch wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. „Die Rolle der heimischen Apotheken als zentrale Versorgungsstufe ist daher von der Bundesregierung in der Architektur des österreichischen Gesundheitssystems fix zu verankern. Die Forderung nach höchster Qualität, ständiger Verfügbarkeit und bester Beratung bei gleichzeitigem Preisdumping bei Arzneimitteln bringen Apotheken an die Grenzen des Machbaren.“