Der IQVIA-Blick über die Landesgrenzen / Die Apotheken-Landschaft in Bulgarien

In Bulgarien gibt es bei einer Einwohnerzahl von 6,9 Millionen rund 3.000 öffentliche Apotheken, viele davon gehören mehr oder weniger großen Apothekenketten an. In keinem Land der Welt sinkt die Bevölkerungszahl derzeit schneller und stärker als in Bulgarien. In den vergangenen 30 Jahren verlor der Staat ein Fünftel seiner Einwohner, und der Ausblick bietet wenig Raum für Optimismus. Die UN prognostiziert ein weiteres Absinken der Bevölkerung auf 5,2 Millionen Einwohner bis 2050. Noch mehr als die niedrige Geburtenrate wirkt sich die starke Abwanderung unabhängig von der Bildung aus. Fachkräfte zieht es nach Deutschland, Österreich und Großbritannien, Arbeiter mit niedrigerer Bildung suchen Beschäftigung in der Landwirtschaft Spaniens oder Griechenlands. Hauptgrund dafür ist das niedrige Gehaltsniveau – ein Arzt verdient im Schnitt unter 1.000 Euro im Monat.

Kein Gebietsschutz und ausgeprägter Parallelhandel

Es gibt keinen Gebietsschutz für Apotheken, weder in Bezug auf die Einwohnerzahl noch in Bezug auf Mindestabstände zwischen Filialen. Entsprechend hoch ist die Versorgungsdichte insgesamt, vor allem im städtischen Gebiet. Apotheken haben normale Öffnungszeiten und sind nicht rund um die Uhr geöffnet. Die medizinische Versorgung in Bulgarien ist keinesfalls mit jener in anderen europäischen Ländern vergleichbar.
Apotheken führen mittlerweile fast alle gängigen Medikamente, und es mangelt nicht an der Ausbildung der Pharmazeuten und Ärzte. Allerdings sind gut ausgebildete Pharmazeuten, die auch bereit sind, in einer Apotheke zu arbeiten, knapp, und es fehlt vielerorts an moderner medizinischer Ausstattung, da der technische Standard nicht jenem Westeuropas entspricht. Bulgarien ist als Niedriglohnland äußerst attraktiv für Parallelhändler. Einige hundert Distributoren sind von der bulgarischen Arzneimittelagentur (BDA) für den Parallelhandel zugelassen, wobei die Maßnahmen zur Verhinderung von Arzneimittelengpässen und entsprechende Kontrollen schwach sind.

Hohe Serviceorientierung

In Bulgarien bieten Apotheken viele Serviceleistungen an. In einigen Filialen besteht für Patienten die Möglichkeit, selbstständig und kostenfrei den eigenen Blutdruck zu messen. Diabetiker können sich die Blutzuckermessung sowie die richtige Anwendung von Insulinpumpen oder -spritzen erklären lassen, Asthmapatienten die Bedienung ihres Inhalators. Abgelaufene Medikamente dürfen in Bulgarien nur in speziellen Apotheken abgegeben werden, Generikasubstitution ist untersagt. Wie in vielen anderen Ländern darf in bulgarischen Apotheken noch nicht geimpft werden. Der E-Commerce boomt – rezeptfreie Waren werden zwischen 24 und 48 Stunden nach Bestellung an die Haustür geliefert oder via „Click-&-Collect“-System vertrieben.

Herausforderungen 2020

Zwei der größten Probleme im vergangenen Jahr waren die Arzneimittelengpässe aufgrund der COVID-19-Pandemie und als Folge des Parallelhandels sowie die Knappheit von Corona-Schutzausrüstungen. Die Einführung des E-Rezepts Ende 2020 stellte das Land vor große technische Herausforderungen. Zusätzlich war es schwierig, die Erwartungen und Bedürfnisse aller Beteiligten an das neue Rezeptsystem zu erfüllen. Außerdem wurde 2020 ein weiteres elektronisches System eingeführt, um die Planbarkeit der Lieferungen und der Lagerung zu erfassen und zu verbessern. Während hierzulande die ­COVID-19-Maßnahmen in der ersten Corona-Welle in der Gesellschaft größeres Verständnis fanden als in der zweiten, war es in Bulgarien genau umgekehrt: Apotheken waren im Frühjahr 2020 mit ungeduldigen panischen Kunden konfrontiert, die sich weigerten, die Hygieneregeln einzuhalten. Vom Staat, der die Gesundheitsförderung nicht hoch priorisiert, kommt nicht viel Unterstützung.

Sorgenvoll in die Zukunft

Bulgariens Apothekerschaft blickt einerseits hoffnungsvoll, andererseits mit großer Sorge in die Zukunft. Kleine unabhängige Apotheken bekommen von den Großhändlern kaum Rabatte und müssen in der Krise die Konkurrenz der Apothekenketten noch mehr fürchten. Hinzu kommt die fehlende Unterstützung vom Staat, viele gesetzliche Restriktionen, mangelndes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung sowie die Tatsache, dass die Kaufentscheidung der Kunden aufgrund der niedrigen Kaufkraft sehr preisorientiert ist und die Konkurrenzsituation noch weiter verschärft wird. Einige Apotheken merken allerdings den Beginn einer leichten Veränderung in der Gesellschaft und wagen zu hoffen, dass auch für Bulgariens Apotheken bessere Zeiten anbrechen.


Quelle: IQVIA | Internationale Insights – Daten und Fakten zur bulgarischen Apotheken-Landschaft