Die Zahl der Publikationen steigt massiv

Wie werden Probleme mit dem Nervensystem in der traditionellen tibetischen Medizin erklärt?

Dr. Florian Ploberger: Beschwerden wie Nervosität, Herzklopfen, Schlaflosigkeit oder Panikattacken werden in der tibetischen Medizin auf eine Störung der ­r-Lung-Energie zurückgeführt. Der Hintergrund dafür ist übermäßige Begierde. Die r-Lung-Problematik ergibt sich, wenn man sich oftmals Dinge wünscht, die man nicht hat. Das wirkt sich in verstärkter Unruhe aus und lässt sich neben einer Befragung durch Tastung des Pulses, Betrachtung des Urins und der Zunge erkennen.

Welche Faktoren haben noch Einfluss?

Schlafmangel sowie Blutverluste durch Operationen oder im Rahmen der Menstruation sorgen dafür, dass r-Lung verstärkt wird. Der Konsum von Schwarztee und Kaffee verstärkt r-Lung ebenfalls.

Sprechen Sie diesbezüglich Ernährungsempfehlungen aus?

Ich versuche, die Ernährung ein bisschen zu optimieren. Daher empfehle ich Menschen mit einer r-Lung-Störung den Konsum von Kürbis, Karotten, Mais, Walnüssen und Samen. Auch eine Suppe aus Tierknochen ist ein guter Tipp. Außerdem wichtig ist ausreichender Schlaf und regelmäßige Bewegung. Allerdings nur mit mäßiger Intensität, also so lange, bis man zu schwitzen beginnt.

Was sagt die Forschung aus westlicher Sicht zur TTM?

Mir ist in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass die Zahl der Publikationen, die man auf PubMed findet, massiv nach oben geht. Vor allem chinesische Wissenschafter forschen mittlerweile sehr intensiv. Zunächst galt eher noch die Zielrichtung Einzelpräparate, auch die Forschung zu Vielstoffgemischen wird langsam mehr.

Wäre es möglich, auch mehrere tibetische Vielstoffgemische gleichzeitig einzunehmen?

Ja, das ist möglich. Ich empfehle dann die Einnahme zu verschiedenen Tageszeiten. Rezepturen für die Nerven würde ich eher am Abend einnehmen.

 

Seit dem 12. Jahrhundert existiert ein Basistext zur traditionellen tibetischen Medizin. Es heißt in der Originalsprache „rgyud bzhi“, übersetzt „Die vier Tantra der tibetischen Medizin“. Dr. Florian Ploberger übersetzt die Texte ins Deutsche. Die Umsetzung in Empfehlungen und für Rezepturen beschreibt er als teilweise schwierig. „Es steht nicht im Originalwerk, welcher Pflanzenteil verwendet wird. Daher sind wir auch auf mündliche Überlieferungen angewiesen.“