Highlights der ÖPhG-Tagung 2014

Die 23. wissenschaftliche Tagung der Österreichischen Pharmazeutischen Gesellschaft (ÖPhG) fand heuer von 23.–25. 04. 2014 in den neu renovierten Räumlichkeiten der Abteilung für Pharmazeutische Chemie und Pharmazeutische Technologie an der Karl-Franzens-Universität in Graz statt.
Die berühmte Doppelwendeltreppe aus dem Jahr 1499 in der Grazer Burg – eine Vorläuferin der DNA-Doppelhelix – war logisches Ziel eines kurzen Abstechers vor dem Empfang des Landes Steiermark. Bei der anschließenden Verkostung der steierischen Weine entspannte sich dann auch eine Diskussion über die genetischen Unterschiede von Normal-, Super- und Nichtschmeckern – wobei sich die fachliche Diskussion selbstverständlich auf Bitterstoffe und nicht auf den Schilcher bezog.

Die Zukunft pflanzlicher Arzneimittel?

Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger, AGES, erläuterte die Problematik der Zulassung pflanzlicher Arzneimittel, was v. a. für Offizinapotheker eine allgegenwärtige Thematik darstellt. Die Bemühungen der letzten Jahrzehnte, die Phytotherapie weg von der traditionellen Anwendung hin zu einer kontrollierten Therapie durch zugelassene pflanzliche Arzneimittel zu führen, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Mit dem Auslaufen nationaler Sonderregelungen im Jahr 2011 müssen jedoch alle in der EU zugelassenen oder registrierten Arzneimittel dem EU-Recht entsprechen. Dies führt zu zahlreichen „Herabstufungen“ wirksamer Arzneipflanzen bzw. der Empfehlung, diese „nur“ als traditionelle pflanzliche Arzneimittel einzustufen. Die Folge sind eine Vielzahl weniger streng regulierter Produktgruppen mit pflanzlichen Inhaltsstoffen, wie Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukte, diätetische Lebensmittel etc., die pflanzliche Arzneimittel zunehmend verdrängen.

Individualisierte Medizin

Univ.-Prof. Dr. Theodor Dingermann, Goethe-Universität Frankfurt, zeigte sehr deutlich die Bedeutung und Notwendigkeit individualisierter Therapien für die Medizin der Zukunft auf. Bisherige Behandlungsformen richten sich nach statistisch evaluierten Erfolgen hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit. Tatsächlich hängt der individuelle Therapieerfolg jedoch auch stark von der Genetik des jeweiligen Patienten ab. Heute sind bereits eine Vielzahl an Genen bekannt, welche die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln mitbestimmen. Durch die Ermittlung genetischer Marker wird in Zukunft die individuelle Therapie des Patienten die Behandlung der Erkrankung ablösen. In dem seitens Prof. Dingermann gewohnt fulminanten Vortrag wurde somit klar, warum es „ziemlich unintelligent“ ist, Non-Responder zu behandeln, warum Kinder vor einer hoch dosierten Codein-Gabe „eigentlich genotypisiert“ werden sollten und was „Pharmacogenetics“ für das Medikationsmanagement in Zukunft bedeutet. Darüber hinaus ist absehbar, dass es durch pharmokogenetische Begleitung mehr Arzneistoffe bis zur Zulassung schaffen, da Wirksamkeit und Sicherheit gezielter bestimmt werden.

NPS – gefährliche Naturstoffe

Prof. Simon Gibbons, UCL School of Pharmacy, London, gab einen Überblick über neue psychoaktive Substanzen (NPS). Dies sind Chemikalien bzw. Naturstoffe, die sowohl bereits bekannten und kontrollierten Drogen, aber auch körpereigenen Überträgerstoffen (Serotonin, Dopamin etc.) strukturell ähnlich sind, jedoch vom Gesetz noch nicht erfasst wurden. Sie werden daher häufig als „Legal Highs“ bezeichnet und dienen außerdem als Ausgangssubstanzen für die illegale Herstellung diverser Modedrogen wie Ecstasy. Gibbons veranschaulichte, wie einfach NPS über Vertriebswege wie z. B. das Internet erhältlich sind, häufig deklariert als Forschungschemikalien, pflanzliche Lebensmittel oder sogar als Badesalz. Dies erschwert den Kampf gegen den Missbrauch und die negativen Folgen der NPS erheblich.

Biosimilars: Patente laufen aus

Univ.-Prof. Dr. Verena M. Dirsch, Department für Pharmakognosie der Universität Wien, befasste sich mit dem Thema der Biosimilars. Der Patentschutz einiger Biologicals wird in den nächsten Jahren auslaufen, und so genannte Biosimilars werden vermehrt auf den europäischen Arzneimittelmarkt drängen. Den bereits am Markt befindlichen Biosimilars (z. B. Somatotropin, Erythropoetin) werden in den nächsten Jahren zahlreiche weitere, wie z. B. monoklonale Antikörper, folgen. Biosimilars sind im Gegensatz zu Generika nicht ident mit ihren jeweiligen Referenzarzneimitteln, jedoch ähnlich hinsichtlich ihrer Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit.

Arzneimittelsicherheit in der Pädiatrie

Mag. pharm. Gabriele Pfaffenthaler, MedUni Graz, stellte das Österreichische Expertenforum OKIDS vor. In der Pädiatrie werden zahlreiche Arzneimittel, insbesondere bei selteneren Erkrankungen, im Rahmen eines Off-Label-Use angewandt. Vor allem im Intensivbereich bzw. der Neonatologie sind bis zu 90 % der verabreichten Arzneimittel nicht für diese Altersgruppe zugelassen. Das Expertengremium OKIDS versteht sich als Netzwerk öster­reichischer Kinderärzte und Spezialisten, das sicherstellen soll, dass Arzneimittelprüfungen für die Pädiatrie in Zukunft mehr Platz und finanzielle Mittel eingeräumt werden.

Nanomedizin – Chancen und Risiken

Prof. Rogerio Gaspar, Universität Lissabon, zeigte eindrucksvoll, welchen Einfluss Nanotherapeutika bereits in der gegenwärtigen Diagnostik und Therapie haben. Er wies aber auch auf deren Risiken hin und empfahl eine Bündelung der Kräfte zur Generierung umfassender klinischer und toxikologischer Daten.

Die ÖPhG stellt sich vor
Die Österreichische Pharmazeutische Gesellschaft (ÖPhG) wurde 1979 von Prof. Gottfried Heinisch und Prof. Wolfgang Kubelka in Wien gegründet. Aktuell zählt die Organisation mehr als 600 Mitglieder aus allen Bereichen der Pharmazie. Regelmäßige wissenschaftliche Tagungen, Seminare und Vorträge dienen dem Wissensaustausch, der Leistungsschau und fördern die Kommunikation zwischen Universitäten, Industrie, Offizin- und Krankenhausapothekern im In- und Ausland.
Die ÖPhG sieht sich aber auch als wichtiger Partner zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Sie unterstützt regelmäßig die Finanzierung wissenschaftlicher Arbeiten und prämiert herausragende Diplomarbeiten.
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Einige Plenarvortragende und die Tagungspräsidenten. V. l. n. r.: Prof. Gerrit Borchard (Genf), Prof. Verena Dirsch (Wien), Prof. Rogerio Gaspar (Lissabon), Prof. Franz Bucar (Graz), Prof. Martin Schmid (Graz)