HIV: „Lebensqualität hat sich deutlich verbessert“

 

Apotheker Krone: Sie betreuen seit rund 25 Jahren in Ihrer Apotheke schwerpunktmäßig HIV-positive Kunden. Welche besonderen Entwicklungen konnten Sie in dieser Zeit beobachten und begleiten?

Mag. pharm. Katharina Horcher: Als wir Mitte der 1990er-Jahre damit begonnen haben, war das die Zeit der Einführung der antiretroviralen Therapie, kurz ART genannt. Darunter versteht man den Einsatz von in der Regel drei unterschiedlichen Wirkstoffen. Zu Beginn mussten die Patienten eine Vielzahl an Tabletten verteilt über den ganzen Tag und manchmal sogar nachts einnehmen. In den vergangenen Jahren gab es jedoch große Fortschritte, auch hinsichtlich Einnahme und Anzahl der Tabletten. Heutzutage werden vorwiegend Single-Tablet-Regime eingesetzt. Die Betroffenen nehmen einmal täglich eine Tablette, die mehrere Wirkstoffe enthält.
Durch die Einführung sehr potenter Wirkstoffe kam es im vorigen Jahr zu einem Paradigmenwechsel: Während die Therapie zuvor ausschließlich aus dem Einsatz von mindestens drei unterschiedlichen Wirkstoffen bestand, werden neuerdings bei Patienten mit gutem Immunstatus und einer Viruslast unter der Nachweisgrenze duale Therapien angeboten – also der Einsatz von nur zwei unterschiedlichen Wirkstoffen. Nebenwirkungen können somit weiter reduziert werden. In Zukunft wird es möglich sein, die ART auch in monatlichen Abständen zu verabreichen. Es bleibt also spannend.

Wie viele HIV-Patienten zählen Sie ­zu Ihren Kunden, und wie geht es diesen Patienten hinsichtlich ihrer Lebens­qualität?

Zu uns kommen mehrere hundert Patienten im Monat. Manche wünschen sich eine diskrete Abgabe der Medikamente, wir expedieren in diesem Fall die Medikamente im blickdichten Sackerl. Die Lebensqualität unserer Patienten hat deutlich zugenommen, von Nebenwirkungen wird wenig berichtet. Mit den neuen Medikamenten kann es manchmal allerdings zu einer Gewichtszunahme kommen, was naturgemäß bei den meisten unerwünscht ist.

Worin liegen Ihre Schwerpunkte hinsichtlich Betreuung und Beratung?

Wir haben immer alle gängigen Medikamente vorrätig und erledigen gegebenenfalls auch die erforderlichen Bewilligungen. Wir beraten unsere Patienten hinsichtlich der korrekten Einnahmemodalitäten. So gibt es beispielsweise Medikamente, die mit ausreichend Nahrung eingenommen werden sollten.

Natürlich ist auch die Begleitmedikation ein Thema: bei Rilpivirin sind Protonenpumpeninhibitoren kontraindiziert, weil sie die Wirksamkeit abschwächen können. Auch eine zeitverzögerte Einnahme ist problematisch, da PPI eine sehr lange Wirkdauer aufweisen. Bezüglich OTC ist Johanniskraut bei den meisten Kombinationen kontraindiziert.
Seit fast 3 Jahren bieten wir auch die HIV-Präexpositionsprophylaxe PrEP an: Patienten mit einem erhöhten HIV-Risiko können sich mit der Einnahme 1 Tablette täglich vor einer HIV-Infektion schützen, müssen aber alle 3 Monate beim betreuenden Arzt einen HIV-Test machen, dabei wird auf andere sexuell übertragbare Krankheiten geprüft und auch die Nierenfunktion überwacht.

Seit rund zwei Jahren gibt es nun Selbsttests. Welche Hinweise und Aspekte sind hier bei der Abgabe wichtig?

Beim HIV-Schnelltest handelt es sich um einen Antikörpertest, der ein Ergebnis in wenigen Minuten liefert. Dabei ist zu beachten, dass dieser Test ein diagnostisches Fenster von zwölf Wochen hat. Erfolgte eine Ansteckung innerhalb der letzten drei Monate, könnte der Test also ein falsch negatives Ergebnis liefern. Beim Beratungsgespräch muss dieser Umstand natürlich berücksichtigt werden.

Gibt es in COVID-19-Zeiten besondere Empfehlungen an der Tara für diese Patienten?

Studien haben gezeigt, dass gut behandelte HIV-Infizierte mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze kein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 haben, sofern keine anderen Begleiterkrankungen vorliegen.

 

Rund um den Welt-AIDS-Tag: Wichtige Fakten zu HIV am Arbeitsplatz

Menschen mit HIV können bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung heutzutage nicht nur alt werden und leben wie alle anderen, sie können auch einen normalen Arbeitsalltag bis zur Pension verbringen. Die Realität am Arbeitsplatz ist für viele HIV-Patienten jedoch schwierig. Viele verschweigen ihre Infektion im Arbeitsleben aus Sorge vor Benachteiligungen, heißt es von den AIDS-Hilfen Österreich. Durch diese Heimlichkeit würden Kreativität und Arbeitskraft eingeschränkt.

Die AIDS-Hilfen Österreich haben einige Schlüsselbotschaften zum Thema zusammengestellt und Mythen entkräftet:

  • Der HIV-Status ist für die berufliche Tätigkeit nicht relevant, es gibt kein gesetzliches Berufsverbot; HIV-Positive können somit jeden Beruf ausüben.*
  • Der HIV-Status muss am Arbeitsplatz nicht mitgeteilt werden. Es besteht keine Auskunftspflicht gegenüber Arbeitgeber oder Kollegen. Nur wenige invasive chirurgische Tätigkeiten bei einer unbehandelten HIV-Infektion können eine Ausnahme bilden.
  • HIV-Positive sind nicht häufiger krank.
  • Selbst im Erste-Hilfe-Fall reichen die üblichen Schutz- und Hygienevorschriften aus, um eine Übertragung zu verhindern.

Anlässlich des Welt-AIDS-Tages am 1. Dezember präsentierten die AIDS-Hilfen Österreichs ein österreichweites Projekt zum Thema HIV und Arbeit: Rund 70 Unternehmen (darunter IBM und SAP), sechs Bundesministerien und zahlreiche Landesorganisationen setzten mit ihrem Bekenntnis zur Gleichstellung von HIV-positiven Menschen am Arbeitsmarkt ein Zeichen gegen Diskriminierung.

www.positiv-arbeiten.at
www.aids.at

* Ausgenommen ist die gewerbsmäßige Ausübung sexueller Handlungen, siehe AIDS-Gesetz 1993, § 4