Hyperhidrose stoppen

Der menschliche Körper verfügt über rund zwei Millionen Schweißdrüsen. Die Sekretion des Schweißes ist ein natürlicher Vorgang, der einen wesentlichen Bestandteil der physiologischen Thermoregulation darstellt.1 Die Entwicklung der Schweißsekretion war ein wesentlicher Schritt in der Evolution des Menschen. Zwar machte ihn der Verlust von Körperfell schutzloser und es erhöhte sich die Gefahr des Wasserverlustes, gleichzeitig aber strahlte die nackte Haut die Hitze wirksamer ab, und die Verdunstung des Wassers beim Schwitzen sorgte für Kühlung. Dies war eine wichtige Voraussetzung für ausdauerndes Laufen unter Hitzeeinwirkung und ermöglichte es dem Urmenschen, weit verstreute Nahrung zu sammeln und zu jagen und so sein Überleben besser abzusichern.2

So sinnvoll diese „Erfindung“ der Natur ist, so sehr macht sie im Alltag der modernen Zeit vielen Menschen das Leben schwer. Schwitzen wird oft als lästig empfunden, und Schweißflecken sind bei vielen Betroffenen mit einem Schamgefühl behaftet. Die Folge: Die Betroffenen ziehen sich in vielen Fällen sozial zurück und sind in ihrer beruflichen Weiterentwicklung negativ beeinflusst.

Einteilung von Hyperhidrosen

Eine über das normale Maß hinausgehende Sekretion (Hyperhidrose) wird in zwei Varianten gegliedert:3

  • die primäre Form, bei der keine Erkrankung zugrunde liegt
  • die sekundäre Form, deren Ursache Infektionskrankheiten, neurologische Erkrankungen, Krebserkrankungen, hormonelle Störungen oder Rückenmarksverletzungen sein können

 

Die primäre Hyperhidrose kann den gesamten Körper betreffen, in den meisten Fällen ist der betroffene Bereich jedoch eingrenzbar. Hauptbetroffen sind die Hände, die Füße, die Achseln und der Gesichtsbereich. Die Problematik beginnt meist schon im frühen Erwachsenenalter, wobei auffällig ist, dass es nicht nur bei hoher Umgebungstemperatur und bei körperlichen Tätigkeiten zu vermehrter Schweißsekretion kommt. Erst im Schlaf hört das Schwitzen der Achseln und der Hand- und Fußflächen typischerweise auf. Als einer der Gründe für übermäßiges Schwitzen kommt emotionaler Stress in Frage. Es handelt sich gewissermaßen um ein Missverhältnis zwischen auslösendem Reiz und dem Ausmaß der Schweißproduktion.3

Evolutionär bedingter Nachteil für Männer

Von 100 Menschen sind Statistiken zufolge ein bis fünf Personen von einer primären Hyperhidrose betroffen. Das Problem betrifft Frauen und Männer gleichermaßen.4 Männer dürften allerdings einen natürlichen Nachteil haben, denn sie schwitzen etwas mehr als Frauen. Der weibliche Körper enthält weniger Wasser und schützt sich durch ein geringeres Ausmaß des Schwitzens vor Austrocknung, wie Forscher der japanischen Osaka International University feststellten. Es handelt sich wieder um ein Vermächtnis der Evolution, denn der geringe Schweißverlust der Frau gilt als Anpassungsstrategie für das Überleben in heißer Umgebung, während dem männlichen Urmenschen eine effizientere Jagdaktivität ermöglicht wurde.5

Schweiß und Körpergeruch

Eine besonders unangenehme Form der Hyperhidrose ist die Bromhidrose, bei der es zu starkem Körpergeruch kommt. In der Literatur wird zwischen jener Form, die von den ekkrinen Schweißdrüsen ausgeht, und der Form, die von den apokrinen Schweißdrüsen ausgeht unterschieden. Bei der apokrinen Bromhidrose entsteht der ­Geruch durch das Zusammenwirken von organischen Schweißbestandteilen und Bakterien auf der Haut (meist Corynebakterien). Die Schweißbestandteile werden durch Bakterien mithilfe von Enzymen gespalten, es entstehen kurzkettige Fettsäuren und Ammoniak. Der Geruch kann durch mangelnde Hygiene verstärkt werden, sie ist aber nicht der Auslöser. Bei der ekkrinen Bromhidrose führt der übermäßige Schweiß zu einer Imbalance des Haut-Mikrobioms. Es kann allerdings bei dieser Form auch eine Stoffwechselstörung vorliegen, bei der mit dem (in der primären Form geruchlosen) Schweiß kurzkettige Fettsäuren, Ammoniak, Amine und Dimethylsulfoxide produziert werden.6

Eine Sonderform der Hyperhidrose stellt die gustatorische Hyperhidrose dar, die auch als Geschmacksschwitzen bezeichnet wird. Diese entsteht oft schon während des Essens und wird besonders durch gewürzte Speisen gefördert.6

Behandlung der primären Hyperhidrose

Zur Behandlung der primären Hyperhidrose steht eine Reihe von Therapieverfahren zur Verfügung. Dabei erfolgt üblicherweise ein stufenweises Vorgehen, wobei am Beginn eine topische Therapie durchgeführt wird. Sowohl bei der axillären als auch bei der plantaren und palmaren Hyperhidrose wird in der S1-Leitlinie zur Definition und Therapie der primären Hyperhidrose die topische Therapie mit Antiperspiranzien als erste Therapiemodalität genannt. Aluminiumsalze bewirken durch Verschluss der Ausführungsgänge der ekkrinen Schweißdrüsen eine Schweißreduktion. Die Salze diffundieren in den Gang, es bilden sich Komplexe zwischen Metallionen und Mukopolysacchariden, und die Oberfläche der unverhornten Zellen wird geändert. Als weitere Externa stehen topische Anticholinergika und gerbsäurehaltige Externa zu Verfügung. Eine Anwendung des Antiperspirans vor der Nachtruhe erhöht die Wirksamkeit. In der Leitlinie wird ein Behandlungsversuch über mehrere Wochen empfohlen. Die Anwendung bei gestörter Hautbarriere wie zum Beispiel nach Achselrasur soll vermieden werden.7

 

Zahlen zum menschlichen SchweißDurchmesser einer Schweißdrüse 0,4 mmGesamtschweißsekretion unter Normalbedingungen 800 ml täglichSekretionsleistung pro Schweißdrüse 4 bis 15 µl/TagWärmemengenverlust pro Liter Schweiß 2428 kJNicht sichtbare Schweißabgabe bei Temperaturen > 30 °C 20 bis 30 ml/hpH-Wert 5,7 bis 7,0Menge der Trockenmasse 5 bis 10 g/lQuelle: Schaal S, Kunsch K, Kunsch S, Der Mensch in Zahlen, 4. Auflage. Springer Verlag 2016

Literatur:

1 Schaal S, Kunsch K, Kunsch S, Der Mensch in Zahlen, 4. Auflage. Springer Verlag 2016

2 Junker T, Die Evolution des Menschen. Verlag C.H. Beck 2018

3 Österreichische Gesellschaft für Dermatochirurgie (ÖGDC): Hyperhidrose. 

4 medizin-transparent.at

5 The Physiological Society: Men Pespire, Women Glow.

6 Bechara FG, Schmidt J, Hoffmann K et al., Krankhaftes Schwitzen. Verlag W. Kohlhammer 2009

7 Rzany B, Bechara FG, Feise K et al., S1-Leitlinie zur Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. AWMF-Registernummer 013/059