Infektionen im Schatten von COVID-19

„Omikron hat die Spielregeln geändert“ – aufgrund relativ niedriger Belagszahlen in den Spitälern in Relation zu den Fallzahlen taucht dieser Satz immer öfter auf. Impfungen und wirksame Medikamente haben ebenfalls unsere Lesart der Pandemie neugestaltet. Für die AGES hingegen bleibt die Pandemie natürlich trotzdem eine Herausforderung. Unterstützung der Bundesländer beim Contact-Tracing, Clusteranalysen, Datenmanagement und Berichtswesen, Sequenzieren und Variantenupdates sind nur ein Ausschnitt aus dem derzeitigen und noch immer beherrschenden Aufgabengebiet.

Rechtzeitiges Erfassen von Krankheitsausbrüchen wie zum Beispiel Masern oder – lebensmittelbedingt – Salmonellen ist jedoch tägliches Geschäft der Öffentlichen Gesundheit in der AGES; natürlich auch abseits der Pandemie.
Um auf respiratorische Infektionen zurückzukommen: Die klassische Influenza war auch in der Saison 2021/22 einigermaßen zurückhaltend, dafür haben respiratorische Synzytial-Viren (RSV) im Herbst 2021 für eine frühe Infektionswelle gesorgt, die phasenweise dazu geführt hat, dass mehr Kinder wegen RSV als wegen COVID-19 hospitalisiert werden mussten. Die Welle flachte dann jedoch ebenso schnell ab wie sie gekommen war, und ­bereits Ende des Jahres waren nur noch wenige Fälle nachzuweisen – üblicherweise zieht sich die Welle bis zum Ende der ­Wintersaison.

Reisemobilität und Fluchtbewegungen ­verlangen zudem einen globalen Blick und zeigen, dass der Kampf gegen viele Infektionskrankheiten nur weltweit gemeinsam geführt werden kann. Zu beachten ist in Österreich unter anderem auch der geringere Impfschutz bei Personen mit Migrationshintergrund, laut Statistik Austria unter anderem bei: FSME (41 % zu 69 %), Tetanus (61 % zu 78 %), Diphtherie (47 % zu 67 %) und Polio (45 % zu 64 %). Dazu passend wurde 2022 nach über 20 Jahren erstmals wieder eine respiratorische (klassische) Diphtherie in Österreich diagnostiziert, nachdem schon seit ein paar Jahren immer wieder Fälle von Hautdiphtherie auftreten.

Hepatitis mit unbekannter Ursache bei Kindern

Anfang des Jahres 2022 kamen aus Schottland Meldungen über eine ungewöhnliche Häufung an Hepatitis-Fällen bei Klein­kindern, ohne dass eine bekannte Ursache dafür gefunden werden konnte. Die betroffenen Kinder mussten sich meist übergeben und zeigten Symptome wie Gelbsucht, Fieber, Müdigkeit, Bauchschmerzen und Appetitverlust. In seltenen Fällen kam es zu schweren Verläufen, und Lebertransplantationen wurden notwendig. Durch die Lage in Schottland aufmerksam geworden, ging man weltweit auf die Suche nach ähnlichen Fällen.
WHO und ECDC entwickelten eine gemeinsame Falldefinition samt Reporting, bis 28. Juli 2022 wurden so in Europa insgesamt 508 Fälle aus 21 Ländern gemeldet. In Österreich wurden bisher sechs Fälle registriert.

Ob diese Entwicklung tatsächlich eine Zunahme der Häufigkeit der Fälle repräsentiert oder inwieweit der Anstieg auf die erhöhte Aufmerksamkeit und die gezielte Suche nach Fällen zurückzuführen ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Das macht natürlich auch die Suche nach Ursachen schwierig, und sämtliche Erklärungsansätze sind noch mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten:
Laut WHO und ECDC gelten Adenoviren, die bei den meisten betroffenen Kindern nachgewiesen wurden, als die hauptverdächtigen Erreger. Doch Adenoviren sind normalerweise in der Bevölkerung weit verbreitet und lösen allein zumeist nur leichte Erkältungskrankheiten aus. Daher wird vermutet, dass sie noch einen „Komplizen“ haben – dass es also dann zu schweren Verläufe kommt, wenn die Adenoviren gemeinsam mit einem weiteren Kofaktor auftreten. Dieser ist weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Investigation.

Die Zahl der gemeldeten Fälle geht jedenfalls nach einem Höhepunkt im April ­europaweit kontinuierlich zurück.

Affenpocken

Der weltweite Ausbruch der Affenpocken wird uns allem Anschein nach noch länger begleiten. Erstmalig kam es nachgewiesenermaßen außerhalb von Afrika zu Mensch-zu-Mensch-Übertragungen und zu teils ungeklärten Infektionswegen. Obwohl die Erkrankung nur durch enge bzw. engste Nähe übertragen werden kann, ist es nicht gelungen, den Ausbruch im Ansatz einzudämmen. Mit Anfang August 2022 waren es allein in Europa fast 16.000 Fälle, und auch in Österreich erkrankten mittlerweile rund 253 Personen. Infektionen mit Affenpocken der westafrika­nischen Variante, die dem aktuellen ­Ausbruchsstamm entspricht, verlaufen überwiegend mild, es wurden mittlerweile international aber auch schon die ersten Todesfälle gemeldet. Ein Großteil der Ansteckungen passiert derzeit immer noch zwischen Männern, die Sex mit Männern haben, bei häufigem Partnerwechsel. Das Risiko ist aber freilich nicht auf diese Menschen beschränkt – jeder, der engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person hat, kann sich infizieren. Im Prodromalstadium typisch, aber nicht obligat sind: Fieber, Schüttelfrost, Myalgie, Ar­thralgien, Zephalgie, Rückenschmerzen, schmerzhafte Lymphadenopathie (lokalisiert oder generalisiert), Fatigue, dann folgt ein makulopapulöses oder vesikulopustulöses Exanthem (auch im Perianal-/-genitalbereich) bzw. Enanthem (oral, ggf. auch rektal, genital). Anamnestisch hinweisend sind Kontakte zu Infizierten innerhalb der letzten 21 Tage vor Symptombeginn sowie sexuelle Kontakte in den letzten 21 Tagen, auch mit wechselnden Partnern. Bei Verdacht sollte in jedem Fall ein trockener Abstrich der offenen Läsion, Vesikelflüssigkeit bzw. von Krustenmaterial durchgeführt werden und zur PCR-Diagnostik an ein dafür spezialisiertes Labor gesandt werden. In der EU ist ein Pocken-Impfstoff zugelassen, der auch zum Schutz vor Affenpocken eingesetzt werden kann.

Stand der Information: 26.08.2022