Koffein: ein medizinischer Allrounder

Koffein gilt als die weltweit am häufigsten aufgenommene pharmakologisch wirksame Substanz. Eine Substanz, die bis zum 19. Jahrhundert unentdeckt blieb. Die Isolierung der Reinsubstanz war dem deutschen Chemiker Friedlieb Ferdinand Runge im Jahr 1820 vorbehalten. Aus Tee wurde Koffein sieben Jahre später erstmals isoliert. Die Synthese gelang erst einige Jahrzehnte später, nämlich im Jahr 1895 durch den deutschen Chemiker Emil Fischer.1 Von da an feierte die Substanz einen wahren Siegeszug, der auch zahlreiche medizinische Anwendungen umfasst.

Koffein ist ein geruchloses, weißes, kristallines, bitter schmeckendes Pulver. Rein pharmakologisch wird die Substanz zu den Alkaloiden gezählt. In der Lebensmittelchemie wird Koffein zu den Purinen gezählt und darunter zu den Xanthin-Derivaten und weiter zu den Methylxanthinen. Darunter fallen dann auch das dem Koffein strukturell ähnliche Theophyllin (1,3-Dimethylxanthin) und das Theobromin.1

Koffein ist natürlicher Inhaltsstoff von Kaffee, Tee, Guarana, Mate, Kolanuss und Kakao. Im Kaffee ist es hauptsächlich an Chlorogensäure gebunden, in anderen Pflanzen vor allem an Gerbsäuren. Koffeinkomplexe werden durch die Magensäure gespalten. Das Alkaloid liegt dann in freier Form vor. Die Resorption erfolgt in Magen und Duodenum zu fast 100 %. 20–60 Minuten nach der Aufnahme ist die maximale Blutkonzentration erreicht. Verzögert wird die Aufnahme bei gleichzeitiger Aufnahme einer Mahlzeit und bei Aufnahme von Flavonoiden aus Tee.2

Koffein verteilt sich gleichmäßig im Körper. Es passiert auch die Plazenta und ist in der Muttermilch nachweisbar. 95 % der zugeführten Menge werden in der Leber durch Demethylierung abgebaut, wobei Paraxanthin der Hauptmetabolit ist. Entgegen früheren Annahmen entsteht bei Abbau von Koffein keine Harnsäure. Die Substanz gilt daher bei Hyperurikämie als unproblematisch. Die Halbwertszeit für den Abbau liegt normalerweise bei 3 bis 7 Stunden. Verzögert wird die Elimination durch Einnahme von Kontrazeptiva, in der Schwangerschaft und bei Leberschäden. Raucher haben eine beschleunigte Elimination. Auch genetische Faktoren dürften eine Rolle spielen.2

Die anregende Wirkung von Koffein hat die Substanz einst so populär gemacht. Die Europäische Lebensmittelsicherheitbehörde EFSA hat sich 2011 in einem Gutachten dazu geäußert und befunden, dass Koffein die Wachsamkeit erhöht. Dies wurde anhand von Tests auf Reaktionszeiten ermittelt. Die notwendige Menge sind 75 mg pro Dosis und gilt für beide Geschlechter.3

Sehr wertvoll erweist sich Koffein in der Schmerztherapie. Medizinisches Koffein beschleunigt den Effekt der Schmerzlinderung, wenn es zusätzlich zu Standardanalgetika verabreicht wird. Eine Cochrane-Analyse hat dies bestätigt. Sie zeigte für 20 Studien mit 7.238 Teilnehmern eine Schmerzerleichterung von 5 bis 10 % verglichen mit den Einzelsubstanzen. Diese Werte wurden als „high-quality evidence“ eingestuft. Es wurde dabei die Koffeinmenge verwendet, die circa einer Tasse Kaffee entspricht. Die Teilnehmer hatten unterschiedliche akute Schmerzen, wie etwa Kopfweh, Gelenkschmerzen, Zahnweh, Menstruationsbeschwerden und postoperative Beschwerden. Es wurden in den 20 Studien keine nennenswerten adversen Effekte durch die zusätzliche Verabreichung von Koffein berichtet.

Interessant ist auch der Effekt auf die Atemwege. Koffein führt zu einer Erweiterung und verbessert die Funktion der Atemmuskulatur. Außerdem wird der Zilienschlag des Flimmerepithels gefördert. Dies fördert die Reinigung der Atemwege. Bei akuten und chronischen Atemwegs­erkrankungen kann sich der Genuss von Getränken mit Koffein daher positiv auswirken.2

Koffein für Sportler

In Dosierungen von rund 3 mg/kg Körpergewicht erhöht Koffein die Leistungsfähigkeit und Ausdauer von Sportlern. Daher wird es als ergogene Substanz bezeichnet. Der Effekt beruht auf einer Stimulierung des Zentralnervensystems, wo Koffein als Antagonist von Adenosinrezeptoren wirkt und negative Auswirkungen von Adenosin auf Erregungsleitung und Schmerz­wahrnehmung unterdrückt.* Bis 2004 stand Koffein sogar auf der Dopingliste der World Anti-Doping Agency (WADA), wurde danach allerdings als Substanz zur Leistungsförderung im Sport zugelassen.

Quelle: Hahn A, Ströhle A, Wolters M, Ernährung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2016

Koffeinkonsum in der EU*

Personengruppe durchschnittliche Aufnahme/TagSehr alte Menschen (≥ 75 Jahre) 22–417 mgÄltere Menschen (65–75 Jahre) 23–362 mgErwachsene (18–65 Jahre) 37–319 mgJugendliche (10–18 Jahre) 0,4–1,4 mg/kg KGKinder (3–10 Jahre) 0,2–2,0 mg/kg KGKleinkinder (12–36 Monate) 0–2,1 mg/kg KG* basierend auf Datenbanken der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA

Literatur:
1 Seemann A, Einfluss von Koffein auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Dissertation Medizinische Universität Graz 2014
2 Weiß C, ErnährungsUmschau 2007
3 EFSA Journal 2011; 9(4):2054