Myrtengewächse – mehr als nur Expektoranzien

Bei einer akuten Bronchitis treten in der Regel erst trockener, dann produktiver Husten, häufig Fieber, Halsschmerzen, Schnupfen und mitunter Zeichen einer bronchialen Obstruktion auf. Von chronischer Bronchitis spricht man, wenn Husten und Auswurf bzw. vermehrte Schleimsekretion über mindestens drei Monate während der letzten zwei Jahre vorlagen. Hält der Husten, besonders in Verbindung mit Rhinorrhö, eitrigem Sekret und Kopfschmerzen im Frontalbereich (verstärkt beim Vorwärtsbeugen des Kopfes), länger an, besteht Verdacht auf eine Sinusitis. Bei einer chronischen Rhinosinusitis besteht die Symptomatik über acht Wochen bzw. treten mehr als vier Episoden pro Jahr auf.
Sowohl bei Bronchitiden als auch bei Sinusitiden sollte – abgesehen von Risikopatienten – auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden, da sie nur eine marginale Erleichterung der Symptome sowie eine geringe Verkürzung der Krankheitsdauer bewirken können. Darüber hinaus begünstigt deren unbedachter Einsatz die Resistenzentwicklung. Günstiger sind pflanzliche Arzneimittel, darunter jene, die Cineol als Hauptwirkstoff beinhalten. Dazu zählen die traditionell angewandten ätherischen Öle aus Myrte (Myrti aetheroleum) und Eukalyptus (Eucalypti aetheroleum).

 

Empfehlungen für die Praxis

Statement von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kubelka, Department für Pharmakognosie, Universität Wien

Wenn sich eine „Verkühlung“ (ein banaler Infekt?) ankündigt, sollte man möglichst rasch agieren. Neben anderen pflanzlichen Hilfen lassen sich Arzneidrogen mit ätherischen Ölen bei katarrhalischen Erkrankungen der oberen und mittleren Atemwege besonders erfolgreich einsetzen. Myrte und Eucalyptus nehmen eine Sonderstellung ein: Myrtenöl wird bei uns nur als Fertigarzneimittel in Kombination mit anderen ätherischen Ölen, z. B. Eucalyptusöl, verwendet, während von Eucalyptus neben dem ätherischen Öl auch die Blätter Verwendung finden.
Für Inhalationen (nicht zu heiß!) empfiehlt sich die Anwendung der geschnittenen Arzneidrogen, aus denen die flüchtigen Komponenten langsamer, in niedrigerer Konzentration, über längere Zeit, in den Dampfraum freigegeben werden als beim Einsatz des ätherischen Öles direkt. Zur Wirkungsverstärkung kann man aber durchaus einige Tropfen ätherisches Öl, den Inhalt einer aufgeschnittenen Kapsel mit einer Mischung von ätherischen Ölen oder einen alkoholischen Auszug, z. B. aus Kamillenblüten, zugeben.
Je nach Symptomen bewährt sich auch die Anwendung von Lutschpastillen, Gurgellösungen (z. B. wieder gefragt: Salbeitee, einige Tropfen Tct. Pimpinellae oder Tct. Capsici auf ein Glas warmes Wasser) oder das Trinken von „Erkältungstees“.
Nachweislich werden ätherische Öle bzw. deren Bestandteile auch pulmonal, durch Einatmen, sowie über die Haut aufgenommen; ein warmes Bad mit entsprechenden Zusätzen kann deshalb die Wirksamkeit oraler Zufuhr von ätherischen Ölen, vorzugsweise in magensaftresistenten Kapseln, noch unterstützen.

 

Monoterpene als wesentliche Inhaltsstoffe

1,8-Cineol ist sowohl in der Myrte als auch im Eukalyptus einer der Hauptwirkstoffe. Das Monoterpen wirkt in Bronchien und Nebenhöhlen sekretolytisch und bakterizid. In einer Studie mit COPD-Patienten konnte auch eine relevante antiobstruktive und damit spasmolytische Wirkung nachgewiesen werden (Wittmann M et al., Atemw.-Lungenkrkh. 1998). Eine rezentere Studie zeigt auf, dass die sekretolytische und spasmolytische Wirkung über die Blockierung der Aktivität von Histaminrezeptoren erfolgt (Sagortchev P et al., Z Phytother 2012). α-Pinen ist ebenfalls ein Monoterpen. Es weist eine bronchodilatatorische und, nach neueren Erkenntnissen, auch eine antimikrobielle Wirkung auf (Rivas da Silva AC et al., Molecules 2012).

 

Eukalyptusöl (Eucalypti aetheroleum)

Hauptkomponenten:
1,8-Cineol (= Eucalyptol), α-, β-Pinen, Phellandren

Eigenschaften:
expektorierend, hyperämisierend, sekretolytisch, sekretomotorisch, spasmolytisch und antibakteriell

Indikation:

  • Entwurf einer Monografie des HMPC*: Traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Erleichterung des Erkältungssymptoms Husten
  • Kommission E** Traditionell angewendet zur Unterstützung der Schleimlösung im Bereich der Atemwege.
  • ESCOP***: Asthma bronchiale (als Add-on), chronisch obstruktive respiratorische Beschwerden inklusive Bronchitis (als Add-on), Erleichterung der Hustenymptomatik bei Erkältungskrankheiten und Katarrhen (topisch, inhalativ)

Der Einsatz bei Kindern unter 30 Monate ist kontraindiziert sowie nicht empfohlen bei Kindern unter 12 Jahren (Gefahr eines Glottiskrampfs oder Atemstillstands) sowie bei schwangeren und stillenden Müttern.

 

 

Myrtenöl (Myrti aetheroleum)

Hauptkomponenten:
vor allem 1,8-Cineol, α-Pinen und d-Limonen

Eigenschaften:
sekretolytisch, sekretomotorisch, expektorierend und antibakteriell

Indikation:
In der Volksmedizin bei akuten und chronischen Erkrankungen der Atemwege (u. a. akute sowie chronische Sinusitiden und Bronchitiden)

 

Interessante Studien

Eukalyptusöl ist in mehreren apothekenexklusiven Kombinationspräparaten, u. a. in Form von Balsam, Salben, Tropfen, Gurgellösungen oder Lutschpastillen enthalten. Für Myrtenöl ist in Österreich allerdings nur ein standardisiertes Präparat verfügbar, das neben rektifiziertem Eukalyptus- und Myrtenöl zusätzlich rektifiziertes Süßorangen- und Zitronenöl enthält. Der Einsatz des Präparats bei akuten und chronischen Bronchitiden sowie bei Sinusitiden ist gut durch Studien dokumentiert:

  • Im Rahmen einer Sinusitis gilt es die gestörte mukoziliäre Clearance zu reaktivieren, durch Beeinflussung der Transportgeschwindigkeit des entzündlichen Sekrets über die Zilientätigkeit. Eine Studie bestätigt hier, dass ätherische Öle, wie in der beschriebenen standardisierten Mischung, als pflanzliche Sekretolytika wirken und einen deutlichen Einfluss auf den Mukoziliarapparat aufweisen. Im Gegensatz dazu wird Acetylcystein eine zilientoxische Wirkung nachgesagt (Behrbohm et al., Laryngo-Rhino-Otologie 1995).
  • Eine Studie bei Patienten mit akuter Bronchitis konnte nachweisen, dass sekretolytische und sekretomotorische Substanzen wie die standardisierte Mischung dazu beitragen, symptomatische Beeinträchtigungen wie Husten untertags sowie gestörter Schlaf infolge von nächtlichem Husten im Vergleich zu Placebo effektiv lindern (Gillissen A et al., Drug Res 2013).
  • In einer Studie (Meister R et al., Drug Res 1999) konnte die Anzahl der akuten Exazerbationen einer Bronchitis im Vergleich zu Placebo signifikant gesenkt werden, was einen niedrigeren Bedarf an Antibiotikatherapien sowie eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität (Allgemeinbefinden, Beeinträchtigung durch Husten und Auswurf) zur Folge hatte.

 

* HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products): Gremium der europäischen Zulassungsbehörde (EMA)

** Kommission E: Sachverständigenkommission für pflanzliche Arzneimittel des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

*** ESCOP (European Scientific Cooperative on Phytotherapy)