Österreich ist vor Arzneimittelfälschungen NICHT sicher …

Am 30. September 2014 lud die Pharmig Academy zum Academy-Dialog mit dem brisanten Thema „Ist Österreich vor gefälschten Arzneimitteln sicher?“. Das hochkarätig besetzte Podium diskutierte sowohl über Maßnahmen, um den Handel mit gefälschten Arzneimitteln zu stoppen, als auch über Strategien, um das Eindringen derselben in die legale Lieferkette zu unterbinden. Ein schwieriges Unterfangen in einem globalisierten Arzneimittelmarkt, in dem Arzneimittel oft mehrere Zwischenhändler durchlaufen. EU-Verordnungen, die den freien Handel mit Rx- und OTC-Arzneimitteln forcieren, machen es nicht leichter.

Illegale Vertriebswege stoppen

„Jeder vierte Österreicher hat bereits rezeptpflichtige Arzneimittel über das Internet bestellt“, erklärte Prof. Dr. Robin Rumler, Vizepräsident der Pharmig Academy und Präsident des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Die Fälschungen kommen dabei nicht nur aus dem Ausland. Die Ermittlungen der Sonderkommission „Vigorali“ des Bundeskriminalamtes haben deutlich aufgezeigt, dass der illegale Vertrieb gefälschter Medikamente auch Österreich erreicht hat (die Apotheker Krone hat in der Ausgabe 17 berichtet). Zu denken gibt die Aussage eines geständigen Täters: Er gab an, dass er innerhalb von zwei Jahren einen Umsatz von 12 Millionen Euro lukrieren konnte. „Der Problematik, dass Kriminelle die Patienten gefährden, müssen sich alle Stakeholder gemeinsam annehmen“, forderte Rumler. Die wichtigste Maßnahme, um dem illegalen Handel den Nährboden zu entziehen, ist die Aufklärung. „Wir müssen die Kunden warnen, warnen, warnen“, sagte Dipl.-Ing. Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES Medizinmarktaufsicht.
Weiters wurde ein neuer Kriminalitätstrend aufgezeigt. In den letzten Monaten kam es in Europa vermehrt zu äußert professionell durchgeführten Überfällen auf Arzneimitteltransporte. Für die Diebe ein lohnendes Geschäft, denn sie ergattern Originalpräparate und haben keinerlei Herstellungskosten für Fälschungen, schilderte Andreas Mohringer, Vorstandsmitglied des EAEPC, der Europäischen Gesellschaft der Paralleldistributeure: „Diese erhebliche Sicherheitslücke bei den Transportdienstleistern muss zeitnah in den Griff bekommen werden.“

Legale Vertriebswege schützen

„Die bewährten Vertriebswege – Produzent, Zwischenhändler, (Anstalts-)Apotheker – für Arzneimittel sind in Österreich sicher“, erklärte Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig. Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO), äußerte diesbezüglich sein Unbehagen, da mittlerweile auch Fälschungen hoch wirksamer Krebsmedikamente in Spitälern aufgetaucht seien. Man müsse sich als Arzt darauf verlassen können, keine Fälschung an den Patienten zu verabreichen.
Einig waren sich alle Diskutanten, dass es stetig Verbesserungen an der legalen Lieferkette geben muss. Wirthumer-Hoche forderte, so viel Transparenz wie möglich zu schaffen. In Arbeit ist eine nationale Verordnung zu den Transport- und Lagerungsbedingungen beim Arzneimittelversand. Für die Einhaltung der Kühlkette sei eine nationale Verordnung in Arbeit. Auch Huber sprach sich für mehr Transparenz und für noch mehr Kommunikation zwischen Herstellern, Behörden, Apothekern, Großhändlern und Parallelimporteuren aus. Eine Möglichkeit, die legale Lieferkette zu schützen, sieht er in der europäischen Fälschungsrichtlinie. Ab 2018 wird es ein Kontrollsystem für Rx geben, das neue Sicherheitsmerkmale auf Arzneimittel­packungen und ein europaweites Datenerfassungssystem inkludiert. „Der Weg legaler Medikamente wird dann in ganz Europa lückenlos nachvollziehbar und der legale Vertriebsweg für Arzneimittel noch sicherer sein“, so Huber. Ein Teileinspruch kam von Senatsrat Mag. pharm. Dr. Wolfgang Gerold, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer und Stabsstellenleiter beim Wiener Krankenanstaltenverbund: „Die ohnehin sichere legale Lieferkette machen wir damit mit großem – auch finanziellen Aufwand – nachvollziehbar, aber die illegale Lieferkette über den Versandhandel wird damit um nichts sicherer.“
Breite Zustimmung fand die Forderung nach einer gemeinsamen Plattform, bei der alle Marktbeteiligten Beobachtungen über Verdachtsfälle illegaler Aktivitäten innerhalb der legalen Lieferkette zusammenführen könnten, nicht zuletzt, um kriminalpolizeiliche Ermittlungen zu beschleunigen.

Zankapfel Parallelhandel

Für emotionalen Sprengstoff sorgten die Themen Parallelimport und -export von Arzneimitteln, die je nach EU-Land höchst unterschiedlich rechtlich geregelt und kontrolliert werden. „Wie viele ‚Vigorali‘ müssen noch passieren, bis die EU aufwacht?“, fragte Gerold. „Der OTC-Versandhandel muss wieder verboten werden, und der Parallelhandel mit Arzneimitteln ist absoluter Schwachsinn. Wir haben uns immer gegen den Parallelhandel gewehrt, denn die Gesundheit der Menschen muss vor dem EU-Recht auf freien Warenverkehr stehen.“ Unterstützung kam von Samonigg: „Gelegenheit macht Diebe! Deshalb ein deutliches Nein zum Parallelimport. Die Krankenhäuser und die Ärzteschaft setzen sich dafür ein, dass Arzneimittel nur noch vom Originalhersteller bezogen werden.“ Naturgemäß anders sah dies Mohringer: „Jeder Einkäufer ist frei in der Wahl des Bezugs von Arzneimitteln und kann beim pharmazeutischen Unternehmen seines Vertrauens einkaufen.“ Die Parallelhändler seien überdies zur Good Distribution Praxis (GDP) verpflichtet. Gegen schwarze Schafe unter den Paralleldistributeuren werde jedoch scharf vorgegangen.

 

Quelle: Pharmig-Academy-Dialog – Ist Österreich vor gefälschten Arzneimitteln sicher? 30. 09. 2014, Wien