Neue Vakzine beleben die Impfszene

Mit den enorm wandlungsfähigen Influenza-Viren ist nicht zu spaßen. Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin: „Die echte Virusgrippe wird grob unterschätzt! Zwar sind 30–50 % der Infizierten klinisch symptomlos, jedoch sind sie circa 24 Stunden vor und bis 5 Tage nach dem Krankheitsbeginn Virusausscheider.“ Für Risikogruppen wie ältere Personen, Menschen mit chronischen Grunderkrankungen, Kinder und Schwangere sind sie somit durchaus gefährlich. „Die Influenza ist Hauptursache für Behinderungen im Alter. Ältere Personen verlieren bis zu 5 % ihrer Muskelkraft und die Sterblichkeit ist mit 800–1.200 Fällen pro Jahr deutlich höher als im Straßenverkehr“, verdeutlicht Kollaritsch. Hinzu kommt der ökonomische Schaden, denn 10–12 % aller Krankenstände sind auf die echte Grippe zurückzuführen.

Risikogruppen schützen

Die einzige Möglichkeit, eine Erkrankung zu verhindern oder zumindest abzuschwächen, ist die Impfung. „Eine Metaanalyse (Osterholm MT et al., Lancet Infect Dis 2012) ergab eine Wirksamkeit der Vakzine von 60 %, wobei Lebendimpfstoffe etwas besser abschnitten. Bei Senioren wird das Hospitalisationsrisiko um 27 % reduziert, das Sterberisiko sogar um 50 %“, beziffert Kollaritsch. Auch für Schwangere bestehe eine klare Impfindikation, da die verfügbaren Totimpfstoffe keinerlei Risiko darstellen.
MR Dr. Rudolf Schmitzberger, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Impfreferent der Österreichischen Ärztekammer: „Kinder haben nicht nur ein erhöhtes Grippe-Infektionsrisiko, sie erleiden auch häufiger Komplikationen wie Otitis media, Sinusitis, Pneumonien oder Fieberkrämpfe und haben eine hohe Hospitalisationsrate“. Bei der Kinderschutzimpfung gilt auch das Motto „Kleine schützen Große“, da Kinder ihre Eltern und Großeltern anstecken können. Eltern sollen daher aufmerksam gemacht werden, Kindern die wichtigsten Basishygiene-Maßnahmen zu lernen: Händewaschen und Husten in die Ellenbeuge!

Apotheken leisten ihren Beitrag

„Kein anderes Land hat so schlechte Durchimpfungsraten wie Österreich“, hebt Kollaritsch hervor. Die Impfmüdigkeit und -skepsis ist auf die niedrige Risikowahrnehmung zurückzuführen, die wiederum vom Erfolg der Impfprogramme abhängig ist. „Weil Programme so erfolgreich waren, ist der Schrecken verloren gegangen“, erläutert Prof. Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der MedUni Wien. Auch fehlendes Vertrauen in die Impfung sowie die Verunsicherung hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen werden häufig als Gründe angegeben, sich nicht impfen zu lassen. Besonders kritisch ist die Impfskepsis der Eltern: „Nur 40 % befolgen die Impfempfehlungen des Nationalen Impfgremiums zu 100 %. Ein fast ebenso großer Teil befürwortet Impfungen zwar grundsätzlich, modifiziert die Pläne der Experten aber. Die Impfskeptiker tun dies in einem noch viel größeren Maße. 3–4 % Prozent der Eltern sind Impfgegner“, beziffert Prof. Dr. Reinhold Kerbl, Leiter der Abteilung für Kinder und Jugendliche am LKH Leoben.
„Die Apotheken sehen sich als niederschwelliger Zugang für Impfberatung. Diesen wollen wir nutzen, um das Impfbewusstsein der Bevölkerung zu stärken und die schlechte Durchimpfungsrate anzuheben“, betont Mag. pharm. Dr. Christian Müller-Uri, 2. Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer, und erklärt weiter: „Skeptische Apothekenkunden und Patienten können beruhigt werden, denn für alle Impfstoffe bestehen Zulassungen mit eingehenden Nutzen-Risiko-Überprüfungen. Impfnebenwirkungen, wie Reaktionen an der Einstichstelle, können auftreten. Ein zeitlich nah auftretender banaler Husten oder Schnupfen hat jedoch nichts mit der Grippeimpfung zu tun!“ Impfkomplikationen treten nur in sehr seltenen Fällen auf und stehen in keinem Verhältnis zu den Folgekomplikationen der Grippe.

Gesundheitspersonal hat hohe Verantwortung

Doch nicht nur unter Laien herrscht eine große Sorglosigkeit: „Mit einer enttäuschenden Durchimpfungsrate von 17 % stellt das Gesundheitspersonal einen großen Risikofaktor dar, trägt aber gleichzeitig eine hohe Verantwortung für ihre Patienten“, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien. Mit regelmäßig ausgesandten Impfempfehlungen für das Gesundheitspersonal, wird versucht „sanften Druck“ auszuüben, um den Prozentsatz der Durchimpfungsrate signifikant anzuheben.

Aktuelle Impfstoffe

Die WHO empfiehlt für den Grippeimpfstoff der Nordhalbkugel in der Saison 2014/2015 die gleiche Stammzusammensetzung wie in der Saison 2013/2014:

  • A/California/7/2009 (H1N1)
  • A/Texas/50/2012 (H3N2)
  • B/Massachusetts/2/2012
  • Mittlerweile routinemäßig wird auch ein vierter Stamm für quadrivalente Grippeimpfstoffe geführt: B/Brisbane/60/2008.

Auch in diesem Jahr steht eine große Bandbreite von Influenza-Impfstoffen zur Verfügung. Einen langen Schutz bieten Spezialimpfstoffe für Ältere und Personen mit Grunderkrankungen. Neu ist ein attenuierter Lebendimpfstoff als Nasenspray. Er ist in Österreich für Kinder und Jugendliche im Alter von 24 Monaten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zugelassen. Bei einem massivem Schnupfen empfiehlt Schmitzberger die Impfung zu verschieben.
Preisaktionen auf die Impfstoffe wird es heuer nicht geben, einige Krankenkassen gewähren aber eine Bezuschussung und so mancher Arbeitgeber übernimmt die Kosten.

Quellen:
„JETZT! INFLUENZA IMPFEN“, Pressekonferenz des ÖVIH, 23. 9. 2014, Wien
„Schutzimpfungen – rechtliche, ethische und medizinische Aspekte“, Tagung des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin, MUW, 18. 09. 2014, Wien