Onkologische Patienten an der Tara

Welche Rolle spielt der Apotheker bei der Betreuung onkologischer Patienten?
Mag. pharm. Gampenrieder: Krebs gehört bereits zu den am häufigsten gestellten Diagnosen. Dank der großen Fortschritte in der Therapie wird aus einer unmittelbar lebensbedrohlichen Krankheit immer häufiger ein chronisches Leiden. Ein Krebspatient ist oft längst kein bettlägeriger Spitalspatient mehr, sodass der Apotheker heute öfter als früher mit Fragen zur onkologischen Therapiebegleitung konfrontiert wird. Onkologische Patienten stellen zudem eine besonders betreuungsbedürftige Patientengruppe dar. Ihre Arzneimitteltherapie ist häufig komplex, die onkologischen Therapien sind mit zahlreichen Nebenwirkungen behaftet. Krebspatienten haben daher einen besonders hohen Informationsbedarf z. B. in Bezug auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen und supportive und komplementär-onkologische Therapiemöglichkeiten. Der Apotheker kann helfen, arzneimittelbezogenen Problemen vorzubeugen, sie zu erkennen und zu lösen.

Mit welchen Beschwerdebildern können onkologische Patienten in die Apotheke kommen?
Die klassischen Behandlungssäulen in der Onkologie sind nach wie vor chirurgische Eingriffe, eine strahlentherapeutische sowie die medikamentöse Therapie. Diese erfolgen in Spezialzentren oder -ambulanzen. Nichtsdestotrotz kommt der Krebspatient mit Fragen zu Nebenwirkungen und deren Management in die Apotheke. Das reicht von der Anämie über Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Haut- und Nagelveränderungen, Entzündungen der Mundschleimhaut und Fatigue bis hin zu schwerwiegenden Fällen mit Blutungen oder Organtoxizitäten.

Wann gilt besondere Alarmbereitschaft?
Im Allgemeinen gilt, dass Krebspatienten sehr gut über ihre Krankheit Bescheid wissen und in der Regel auch die Compliance hoch ist. Es gibt aber eine Reihe von Nebenwirkungen, die etwa bei neuen Therapien oder Veränderungen des Therapiemanagements plötzlich auftreten, wo der Pharmazeut erste Anlaufstelle sein kann. Patienten unter laufender Chemotherapie mit Fieber und Infektionszeichen, mit plötzlich gehäuftem Auftreten von Nasen- oder Zahnfleischbluten oder chemotherapieinduzierter Diarrhö ist dringend anzuraten, ihren Arzt aufzusuchen.

Häufige und bekannte Nebenwirkungen von oralen Zytostatika sind Übelkeit und Erbrechen, welche konkreten Tipps haben Sie hier?
Bei oralen Zytostatika bzw. oralen „modernen“ onkologischen Arzneimitteln kann die Einnahme mit der Nahrung bzw. die Nüchterneinnahme einen Einfluss auf die gastrointestinale Verträglichkeit haben. Bei einigen Präparaten wird die Einnahme mit dem Essen empfohlen, um eine bessere Verträglichkeit im Magen-Darm-Trakt zu erreichen. Es gibt aber auch Substanzen, die nüchtern einzunehmen sind, da die Nahrungsfette die Bioverfügbarkeit – und dadurch die Wirksamkeit der Therapie – vermindern oder genau gegenteilig deutlich erhöhen und so zu noch mehr Übelkeit führen. Wenn einige Stunden nach der Einnahme des Zytostatikums Erbrechen eintritt, soll normalerweise keine Ersatzdosis eingenommen werden. Die Aufklärung des Krebspatienten über diese Zusammenhänge und die genaue Einhaltung der Einnahmeempfehlungen sind daher wichtig für die Wirksamkeit und können das Potenzial für Übelkeit und Erbrechen erheblich reduzieren.

Eine Reihe von Supportivtherapeutika führt zu Obsti­pation. Zu welchen unterstützenden Maßnahmen ­raten Sie?
Im Allgemeinen genügen einfache stuhlregulierende Maßnahmen wie Mikroklismen, quellende Suppositorien oder osmotisch wirksame Laxanzien. Unter Opiattherapie ist zur Prophylaxe einer Obstipation von Anfang an eine begleitende Therapie mit Laxanzien erforderlich. Mittel der Wahl sind hier Macrogolpräparate. Die Obstipation unter 5-HT3-Antagonisten ist ein bis drei Tage nach Therapieende in der Regel spontan reversibel. Sie erfordert keine prophylaktischen Maßnahmen und meist auch keine Therapie.

Was sollten Patienten hinsichtlich der Mukositis beachten?
Die Mukositis ist eine besonders belastende Nebenwirkung von Chemo- und Strahlentherapie. Sie kann zu einer ausgeprägten Beeinträchtigung der Befindlichkeit und der Lebensqualität der Betroffenen führen, die Compliance verschlechtern und Therapieverzögerungen verursachen. Zur Prophylaxe, aber auch zur Therapie der chemo- oder radiotherapieinduzierten Mucositis gibt es nur sehr wenige evidenzbasierte Maßnahmen. Kausale Therapieansätze sind diesbezüglich schwer bis kaum möglich. Viele der eingesetzten Rezepturen basieren auf klinischer Erfahrung.
Zu den allgemeinen Maßnahmen, die hilfreich sein können, zählen die regelmäßige Untersuchung der Mundschleimhaut, das Vermeiden von Rauchen und Alkoholkonsum sowie eine konsequente umfassende, aber vorsichtige Mundhygiene. Nach jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen sollte mit Mundspüllösungen gespült werden. Zusätzlich sollten säurehaltige, stark gewürzte, salzige und grobkörnige Speisen vermieden werden.

Haut- und Nagelveränderungen belasten Patienten im Alltag oft schwer und reduzieren die Compliance. Welche Tipps aus der Apotheke können Sie den Patienten mitgeben?
Eine häufige Nebenwirkung moderner onkologischer Arzneimittel ist ein akneähnlicher Hautausschlag. Diese Hautveränderung läuft in unterschiedlichen Phasen ab, eine jeweils entsprechende prophylaktische und interventionelle Hautpflege ist dabei sehr wichtig. Wohltuende Unterstützung bieten Cremen, wenn sie gekühlt gelagert werden. Ein Austrocknen der Haut ist unbedingt zu vermeiden. Von zu heißen Duschen oder Sonnenbädern ist abzuraten. Betroffene Körperregionen sollten nur mit lauwarmem Wasser gewaschen werden, und die Patienten sollten leichte, nicht einengende Kleidung tragen.
Nagelveränderungen zeigen sich in weichen, brüchigen Nägeln, Querrillen und weißen Querstreifen, Verfärbungen, Nagelbettentzündungen oder dem Ablösen der Nagelplatte vom Nagelbett. Den Patienten ist anzuraten, die Nägel kurz zu schneiden und darauf zu achten, dass sie nicht abbrechen oder einreißen. Die Nagelhaut soll nur vorsichtig zurückgeschoben, aber nicht geschnitten werden. Weiche Nägel können mit Nagellack verstärkt werden, und trockenen Nägeln tun Feuchtigkeitscremes besonders gut. Verfärbungen sollen keinesfalls weggefeilt werden, denn dadurch können sich leicht Infektionen bilden. Während einer Chemotherapie soll auf Kunstnägel ebenso verzichtet werden wie auf die Verwendung von acetonhaltigem Nagellackentferner. Nagelpilze und Nagelbettentzündungen müssen ärztlich behandelt werden.

Wozu kann der Apotheker beim Hand-Fuß-Syndrom raten?
Das Ausmaß des Hand-Fuß-Syndroms variiert von einer schmerzlosen Schwellung bis hin zu stark schmerzenden Blasen und Hautablösungen mit entsprechenden Funktionseinschränkungen. Da die Pathogenese ungeklärt ist, beschränkt sich die Behandlung auf symptomatische Maßnahmen wie die Gabe von Schmerzmitteln oder topischen Kortikosteroiden. Der behandelnde Arzt wird die Therapieentscheidung treffen. Der Apotheker kann allgemeine prophylaktische Maßnahmen empfehlen: Vermieden werden soll der Kontakt mit heißem Wasser oder starke mechanische Belastung der Handflächen. Mehrmals täglich Kaltwasserbäder für Hände und Füße sowie die Applikation von fettenden Hautsalben z. B. über Nacht unter Baumwollsocken und -handschuhen können dem Hand-Fuß-Syndrom ebenfalls vorbeugen.

 

Rezeptur für Mundspülungstee (165 g)
50 g Rosmarin
40 g Bohnenkraut
25 g Thymian
35 g Salbei
15 g Majoran
Zimtrinde
Zubereitung: Alle Bestandteile bis auf die Zimtrinde werden homogen gemischt. Zimtrinde wird separat mitgegeben. Ein kleines Stück Zimtrinde wird in 2 l kaltem Wasser angesetzt und aufgekocht, anschließend werden 5 TL der Mischung hinzugefügt. 10 min ziehen lassen.
Dosierung: nach Bedarf spülen, mindestens 4-mal täglich.
Rezeptur für Mundspüllösung (1 l)
6,5 g Natriumhydrogencarbonat
4,5 g Natriumchlorid
2 gtt Pfefferminzöl
18 ml Hydrogenatum peroxydatum
ad 1 l Aqua dest.
Zubereitung: Substanzen mischen, lösen
Dosierung: nach Bedarf spülen, mindestens 4-mal täglich.
Quelle: C. Baldinger, J. Thaler, „Supportivtherapie in der Onkologie 2012“