Studie zeigt Gender Bias beim Thema Schmerz

Aufgrund von Erkenntnissen aus der Gendermedizin wurden in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Unterschiede bei Krankheitsverläufen zwischen Frauen und Männern dokumentiert. Auch klinisch relevante geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln sind bereits erforscht, wobei das Hormon Östrogen eine der wesentlichen Ursachen für pharmakokinetische und pharmakodynamische Aspekte darstellt. Zu all diesen für eine individuell abgestimmte Therapie wichtigen Faktoren gesellt sich ein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Schmerzhäufigkeit. Chronische Schmerzen treten bei Frauen öfter auf als bei Männern. Weibliches Geschlecht gilt als Risikofaktor für die Chronifizierung von Rückenschmerzen und postoperativen Schmerzen. Es existieren außerdem Hinweise auf ein ausgeprägteres Schmerzsensorium bei Frauen.1

Doch nicht nur das eigene Schmerzerleben, sondern auch die Außenwahrnehmung dürfte Unterschiede zwischen den Geschlechtern offenbaren, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie dokumentiert. Demnach wird Schmerz bei Frauen weniger ernst genommen. In Experiment 1 (n = 50) wurden den Teilnehmern Videoclips von weiblichen und männlichen Patienten mit chronischen Schulterschmerzen gezeigt. Die Probanden mussten dazu die Schmerzintensität der Patienten schätzen und taten dies anhand des Gesichtsausdrucks. Dabei zeigte sich nach Auswertung der tatsächlichen Schmerzintensität, dass die Schmerzen der weiblichen Patienten im Vergleich zu jenen der männlichen unterschätzt wurden – und das, obwohl die Patienten auf einer Skala die gleiche Schmerzintensität angegeben hatten und sich der Schmerz auch gleichermaßen in den Gesichtsausdrücken zeigte. In einem zweiten Experiment (n = 200) wurden diese Erkenntnisse repliziert. Hinzu kamen aber noch weitere diskussionswürdige Ergebnisse. Es kam offenbar zu geschlechtsstereotypen Einschätzungen betreffend des männlichen bzw. weiblichen Ausdrucks bei Schmerzen. Bei den Frauen wurde angenommen, dass diese ausdrucksstärker waren, dementsprechend bestand die Tendenz, ihre Symptome eher zu ignorieren. Weiters nahmen die Probanden an, dass Frauen eher eine Psychotherapie gegen ihre Schmerzen helfen würde, Männer hingegen von einer Schmerzmedikation profitieren würden. Somit erstreckt sich der Gender Bias auf die Außenwahrnehmung des Schmerzes, auf den Schmerzausdruck und auch auf die Therapie. Die Studienautoren verweisen auf die Problematik in Diagnose und Behandlung, die durch solche Klischees entstehen kann.2


Literatur:

  1. Schopper M, Geschlechteraspekte in der Schmerzwahrnehmung. Zeitschrift für Komplementärmedizin 2014; 6(3):10–16
  2. Zhang L, Reynolds Losin EA, Ashar YK et al., Gender Biases in Estimation of Others’ Pain. J Pain 2021 Mar 5; S1526-5900(21)00035-3