Überschießende Narbenbildung: Risiken, Behandlung, Vorbeugung

Kleine Verletzungen des Alltags, wie sie bei Küchenarbeit oder Heimwerken schon einmal auftreten können, repariert die Epidermis in der Regel selbst. Anders verhält es sich bei Störungen der physiologischen Wundheilung nach Verletzungen der tieferen Dermis, wie sie durch Verbrennungen, Schnittwunden, Abschürfungen oder nach operativen Eingriffen, durch Piercings oder Impfungen entstehen können, erklärt Dr. Alexander Pötscher, Facharzt für Chirurgie, im Gespräch mit der Apotheker Krone. „Wenn eine Wunde starken Zugkräften ausgesetzt ist oder wenn sich die Epithelisierung über zehn bis 14 Tage hinaus verzögert, kann sich innerhalb von vier bis acht Wochen eine hypertrophe Narbe bilden, die bis sechs Monate rasch wächst.“ Zu unterscheiden sind hypertrophe Narben von Keloiden: „Die hypertrophe Narbe neigt zur Wulstbildung und erhebt sich über das sie umgebende Hautniveau, bleibt allerdings grundsätzlich auf das ursprüngliche Verletzungsgebiet beschränkt. Ein Keloid hingegen ist eine wulstige Hautwucherung, die sich über das ursprünglich verletzte Gebiet hinaus auch auf unbeschädigte Haut ausdehnen kann.“ Hypertrophe Narben flachen während der Folgejahre nach der Verletzung ab. „Eine spontane Rückbildung kann vorkommen, ist aber nicht die Regel“, sagt Pötscher und verweist auf die Problematik von Keloiden, die sich von allein nicht zurückbilden würden.

Das physiologische Geschehen
Aus physiologischer Sicht verläuft bei überschießender Narbenbildung die Exsudativphase (erste Phase der physiologischen Wundheilung, gefolgt von der ­Granulationsphase und der Epithelisierungsphase) in verstärktem Maß ab und ist zudem verlängert. Pötscher erläutert die Problematik, die sich dabei ergibt: „Verschiedene Zytokine und Wachstumsfaktoren werden vermehrt ausgeschüttet, wie zum Beispiel TGF-beta-1 und TGF-beta-2* sowie PDGF**“. Dermale Fibroblasten werden dadurch zu gesteigerter Proliferation angeregt und produzieren während der Granulationsphase vermehrt extrazelluläre Matrixproteine wie Kollagen, Fibronectin und Laminin. Während die Produktion der extrazellulären Matrix gesteigert ist, bleibt der Abbau des Narbengewebes in der Phase der Epithelisierung zu gering, weil antiproliferativ wirksame Zytokine wie Interferon-gamma oder TGF-beta-3, Kollagenasen und Matrixmetalloproteinase-9 vermindert sezerniert werden.

Ein höheres Lebensalter, Adipositas, psychischer Stress, Lebensstilfaktoren (Rauchen, Alkoholabusus, schlechter Ernährungszustand), Malignome und Arzneimitteleinnahme (Kortikoide) können die Wundheilung negativ beeinflussen. Das gilt auch für Stoffwechselstörungen, allen voran Diabetes mellitus.

Zug vermeiden, Narbengewebe beobachten
Welche Möglichkeiten gibt es seitens der Wundbehandlung, aber auch für den Patienten selbst, einer überschießenden Narbenbildung vorzubeugen? Pötscher rät den Betroffenen dazu, frische Narben von Vornherein wenig Zug, Druck und Dehnung auszusetzen. „Das bedeutet auch, je nach Lokalisation der Narbe, Sport für einen Zeitraum von vier bis acht Wochen zu pausieren.“ Wichtig sei weiters ein konsequenter Sonnenschutz und sich bei plötzlicher Wachstumszunahme des frischen Narbengewebes möglichst frühzeitig beim Operateur zu melden. Bei bekannter Neigung zur Ausbildung von Keloiden und hypertrophen Narben werde von ärztlicher Seite oft auch gleich postoperativ Kortison in die frische Operationswunde injiziert. „Weiters kann die frühzeitige Anwendung – circa zwei bis drei Wochen postoperativ – von Druckverbänden, Silikongelen, -pflastern oder Zwiebelextrakt enthaltenden Gelen, inklusive Narbenmassage, das Risiko unschöner Narbenbildungen reduzieren“, so Pötscher abschließend.

* „transforming growth factor beta“

** „platelet-derived growth factor“