Vegane Arzneimittel und Nahrungsergänzungen (Teil 2)

Der völlige Verzicht auf tierische Inhaltsstoffe und auf Produkte, für deren Entwicklung Tierversuche durchgeführt wurden, macht Veganer an der Tara zu einer herausfordernden Kundengruppe – sei es nach Verordnung eines Arzneimittels oder bei Nachfrage zu bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln oder diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke. Nicht nur die Therapie, sondern auch eine dem Lebenskonzept angepasste Nährstoffzufuhr erfordert daher ausführliche Beratung.
Mikronährstoffe sind sicher ein bedeutendes Thema bei Veganern“, sagt Mag. pharm. Kornelia Baumgartner, Apothekerin in Graz. „Veganer sind meiner Erfahrung nach sehr gesundheitsbewusst und kommen häufig schon mit einer Blutanalyse in die Apotheke. Die meisten kennen ihre Mängel genau. Vitamin D spielt dabei eine große Rolle, häufig ist aber auch die Versorgung mit Vitamin B12 unzureichend.“ Defizite gäbe es zudem bei Zink. Mag. pharm. Doris Auinger, Apothekerin in Linz, unterstreicht den Bedarf an Mikronährstoffen. „Bei Veganern sind oft Mängel an Vitaminen und Spurenelementen feststellbar. Hier braucht es gezielt Nahrungsergänzungsmittel, die ohne Gelatine und andere tierische Produkte auskommen. Auch bei Arzneimitteln erlebe ich, dass genau nach tierischen Inhaltsstoffen nachgefragt wird.

Algenöl und Salben ohne Wollfett

„Mittlerweile wissen relativ viele Menschen, dass zum Beispiel Kapseln oft aus Gelatine gemacht werden, und fragen deshalb nach, woraus die Kapselhülle besteht“, schildert Mag. pharm. Katharina Ender, Apothekerin in Salzburg, ihre Erfahrungen mit dem Thema Veganismus. „Auch Algenöl anstelle von Fischölkapseln wird vermehrt nachgefragt. Zuletzt hatte ich eine Anfrage nach einer veganen Heilsalbe als Alternative. Auslöser war der in einem Produkt enthaltene Lebertran.“ Jedoch müsse bedacht werden, dass in den meisten klassischen Heilsalben auch Wollfett enthalten ist und dass diese somit ebenfalls nicht vegan sind. Ender bemüht sich, die Kundenanfragen ernst zu nehmen und Alternativen zu suchen oder auszuloten, was zumutbar ist. „Manchmal wird dann auch die vegetarische Variante akzeptiert.“ Bei Arzneimitteln wird unter den möglichen tierischen Inhaltstoffen am häufigsten die Laktose erfragt, schildert sie.

 

 

Vegane Alternativen nicht immer „auf einen Klick“ ersichtlich

Mag. pharm. Jaroslaw Skipiol, Apotheker in Wien, beschreibt Veganer an der Tara als „topinformierte Kundengruppe“, die sich proaktiv nach möglichen tierischen Inhaltsstoffen erkundigt. Hier sei es notwendig, die Zusammensetzung des Produktes im Austria Codex aufzurufen. Gerade im OTC-Bereich ist es allerdings durch die Vielzahl an Firmen nicht so leicht, den Überblick zu behalten, wenn es darum geht, vegane Alternativen für den Kunden zu finden. „Man bekommt nicht alles auf einen Klick“, sagt Skipiol, der es daher schätzt, wenn ein Produkt bereits die Auslobung „vegan“ hat. Dies erspart den zeitlichen Aufwand für die Rückfrage beim Hersteller. Bei Produkten ohne diese Bezeichnung ist eine Rückfrage trotz Zutatenliste manchmal unumgänglich. „Bei Magnesiumstearat zum Beispiel müssen wir beim Hersteller nachfragen, da die Stearinsäure auch tierischen Ursprungs sein kann.“ Wie geht man damit um, dass der Begriff „vegan“ gesetzlich weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene geschützt ist und es gewissermaßen eine Vertrauensfrage ist? Skipiol: „Bei den bekannten OTC-Herstellern verlassen wir uns auf die Angaben.
Die Suche nach veganen Alternativen beschäftigt auch niedergelassene Ärzte. Dr. Markus Kolm, Allgemeinmediziner in Wien und selbst vegan lebend, beschreibt die Herausforderung: „Man steht in einem moralischen Zwiespalt, wenn man hinter Tierschutz steht, aber die Wirksamkeit der meisten Arzneimittel an Tieren erprobt wurde. Als Arzt sehe ich es jedoch als meine Pflicht an, meine Patienten nach aktuellem wissenschaftlichem Stand zu behandeln, was die Orientierung an medizinischen Leitlinien betrifft. In vielen Situationen ist es jedoch möglich, Medikamente von Herstellern zu verordnen, die keine Tierversuche durchführen. Das betrifft zum Beispiel Generika, weil hier lediglich Äquivalenzstudien gemacht werden. Außerdem bestehen Möglichkeiten zur Verordnung gelatine- und laktosefreier Präparate.

 

 

Impfen

Beim Thema Impfen stößt der strikte Veganer an Grenzen, da es keine rein veganen Impfstoffe gibt. Meist sind es Stoffe wie Hühnereiweiß, Gelatine oder Laktose, die enthalten sind. Für die Herstellung einer Vakzine werden zudem tierische Zellkulturen oder befruchtete Hühnereier benötigt. Auch für die Prüfung eines Impfstoffes bleibt kein Platz für Veganismus, da Tierversuche erforderlich sind.* Alternativen gibt es dazu keine – außer aus Gründen des Lebensstils auf das Impfen zu verzichten …

 

Alternativen zu tierischen Inhaltsstoffen

  • Zellulose statt Gelatine
  • Kartoffelstärke oder Saccharose als Füllstoff anstelle von Laktose
  • Algenölkapseln anstelle von Fischölkapseln
  • Vitamin D aus Flechten

 

Literatur:

* Schuster N, Vegane Arzneimittel. Anspruchsvolles Betätigungsfeld. Pharmazeutische Zeitung, 8. 2. 2019.