Wenn die innere Ruhe fehlt

Fallbericht

Frau Lieselotte R. klagt beim Apothekenbesuch darüber, sich oft erschöpft und sehr gestresst zu fühlen. Sie meint, es könnte am Blutdruck liegen, obwohl sie mit 25 Jahren eigentlich noch gar nicht zu einer Risikogruppe gehört. Das Angebot, gleich den Blutdruck zu messen, nimmt sie gerne an. Im Anschluss erzählt sie von ihren coronavirusbedingten Arbeitsplatzängsten. Der ständige Stress im Beruf und die latente Anspannung lassen sie schlecht schlafen, sie ist schon morgens müde und kann sich schlecht konzentrieren. Mit dem Arzt hat sie noch nicht darüber gesprochen, weil sie vor den Nebenwirkungen der Psychopharmaka großen Respekt hat.


Neurobiologisch ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, dass das Gehirn in Pausensituationen nicht einfach abschaltet, sondern die Gedanken schweifen lässt, weil es nicht mehr unter dem „Diktat des Verstandes“, samt der damit verbundenen Verarbeitungsleistung steht. Dieser Zustand wird allgemein als Tagträumen bezeichnet. Organisch ist daran ein Cluster aus fünf Gehirnregionen beteiligt, der als „Default Mode Network“ bekannt ist.

Scheinbares Nichtstun ist durch ein aktives Ruhenetzwerk gekennzeichnet. Dabei ist der Kopf vom zielgerichteten Wollen befreit und bietet Kapazität für Gedankenspielereien und kreative Ideen. Diese Phase im Gehirn bleibt den Patientinnen bei Angst und Spannungszuständen verschlossen.

Generalisierte und subsyndromale Angststörungen (GAD)

Angst bekommt einen pathologischen Status, wenn sie überzogen oder übertrieben ist und nicht mit einem externen Bedrohungsszenario im Einklang steht. Nach der heute üblichen Klassifikation sind folgende Kriterien maßgeblich:

Generalisierte Angststörung (GAD)

  • Exzessive Angst und Besorgnis, die länger als 6 Monate anhalten.
  • Es bestehen Schwierigkeiten, diese Sorgen zu kontrollieren, gemeinsam mit zumindest 3 der folgenden Symptome, wie
  • Ruhelosigkeit oder Aufregung,
  • leichte Ermüdbarkeit,
  • Konzentrationsschwierigkeiten,
  • Irritabilität,
  • Muskelanspannung und
  • Schlafstörungen.

Diese Symptome bedeuten eine klinisch signifikante Belastung oder beeinträchtigen die Funktion im Alltagsleben.

Die GAD ist mit zahlreichen Komorbiditäten verbunden. Mehr als 30 % der Menschen mit Angststörungen leiden auch an einer Depression und 12 % gelten als alkoholabhängig!

Subsyndromale Angststörung (SSAD)

Erfüllt ein Patient nicht sämtliche Kriterien oder wird das zeitliche Kriterium von ­6 Monaten Dauer unterschritten, so ist die Diagnose „GAD“ nach den heutigen Kriterien nicht mehr zulässig, stattdessen spricht man von „subsyndromaler Angststörung“ (SSAD). Patienten mit SSAD leiden überproportional an Schlafstörungen und Fatigue-Symptomen. In der Tabelle werden die jeweiligen Symptome von GAD und SSAD gegenübergestellt.

 

 

Obwohl Antidepressiva und andere anxiolytisch wirksame Medikamente im Vergleich zu Benzodiazepinen (Sedierung, Aufmerksamkeitsstörungen, Amnesie, Depression, Abhängigkeit und Entzugssymptome) ein günstigeres Nebenwirkungsprofil aufweisen, fürchten Patienten die Nebenwirkungen aller Psychopharmaka. Phytopharmaka wären daher eine willkommene Alternative, wenn sie tatsächlich wirken, was bislang in klinischen Studien nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Ein Phytopharmakon aus dem Pflanzenreich: Lavendelöl

Die Lavendelblüten (Lavandula angustifolia) kommen bei Stress sowie Schlafstörungen und ängstlicher Verstimmung zum Einsatz. Ihre Blüten enthalten reichlich ätherisches Öl mit den Hauptinhaltsstoffen Linalylacetat und Linalool. Man geht davon aus, dass beide Kalziumkanäle modulieren und so die Menge erregender Neurotransmitter wie Noradrenalin und Serotonin reduzieren, was das Gleichgewicht unter den Neurotransmittern positiv verändert. Verwendet wird das durch Wasserdampfdestillation isolierte Lavendelöl in Einzeldosen zu 80 mg.

Exotisches für den Teller und die seelische Gesundheit

Vom Safran als exotische Pflanze sind, neben den geschmacklichen Besonderheiten als Gewürz, eine Fülle von traditionellen Anwendungsgebieten überliefert. Tierexperimentell gewonnene Daten deuten auf eine eventuell medizinische Anwendung von Safran bei depressiver Stimmungslage hin. Gesichert ist die Anwendung in der Homöopathie. In Safran dominieren mit 30 % der Trockenmasse die gelbroten wasserlöslichen Crocine aus der Gruppe der Karotinoide. Daneben findet sich noch ätherisches Öl als Geruchsträger. Zur Nahrungsergänzung sind Mengen von 30 mg Safran-Trockenextrakt im Handel, die gedrückte Stimmung, Stress, Müdigkeit, Leere, Interessenverlust sowie ständige Sorge, Unruhe oder Antriebslosigkeit bessern sollen.