„Wir tragen zu einer Entlastung des Gesundheitswesens bei“

Apotheker Krone: Die Pharmabranche hat sich nun doch mit den Krankenkassen auf einen neuen Rahmen-Pharmavertrag geeinigt. Im Sommer waren es vor allem Generikahersteller, die gebremst haben. Werden Sie nun zustimmen?

Bernd Leiter: Die Steigerungsraten bei den Arzneimittelausgaben kommen nicht von den Generika. Hier gibt es kein Mengenwachstum und Mehrverordnungen, hier geht es um hochpreisige Medikamente. Generika haben vielmehr einen ungemein positiven Effekt auf unser Gesundheitssystem: Nach Schätzungen des unabhängigen Marktforschungsunternehmens IMS Health hat die Verfügbarkeit von Generika in den Jahren 2008 bis 2014 zu Einsparungen im Gesundheitssystem von rund 515 Millionen Euro geführt und wird bis zum Jahr 2020 durch weitere Patentabläufe zu zusätzlichen Einsparungen von mindestens 331 Millionen Euro beitragen.

Das stellt wohl niemand in Abrede – aber wie beurteilen Sie den nun vorliegenden Vertrag?

Leiter: Noch immer zähneknirschend. Aber man kann es zähneknirschend unterschreiben, und es haben auch alle Mitglieder des Generikaverbandes bereits schriftlich ihre Zustimmung bekundet.

Was hat sich hier zur ursprünglichen Kritik geändert?

Leiter: Zum einen ist der Vertrag jetzt mehrjährig und erhöht damit die Planbarkeit für die Unternehmen. Zum anderen wird im kommenden Jahr der ursprüngliche Plan nicht umgesetzt, dass die Kassen eine Gleichpreisigkeit mit dem günstigsten Produkt gefordert haben. Das ist nun vom Tisch. Geplant war, dass alle Anbieter auf einen engen Preiskorridor zum jeweils günstigsten Produkt einschwenken müssen. Stattdessen wird für die Jahre 2017 und 2018 dann ein neuer Erstattungskodex entwickelt. Es ist allerdings ein Trugschluss, zu glauben, dass durch Zwangspreissenkungen bei ohnehin sehr preiswerten Generika auf den Preis des billigsten Anbieters, maßgeblich bei den Ausgaben des Hauptverbandes eingespart werden kann. Gerade in diesem Bereich herrscht unter den Anbietern ein massiver Wettbewerb, der schon bisher zu sehr günstigen Therapiekosten führte.

Wie beurteilen Sie generell den Anteil generischer Produkte am heimischen Arzneimittelmarkt?

Leiter: Die österreichische Generikawirtschaft unterstützt auch seit nunmehr sieben Jahren als Teil der heimischen pharmazeutischen Industrie gemeinsam mit anderen Unternehmen und dem pharmazeutischen Großhandel die Krankenkassen mit Solidarbeiträgen in Millionenhöhe. Damit tragen wir seit Jahrzehnten zu einer erheblichen Entlastung des Gesundheitssystems bei. Die heimische Generikawirtschaft wird sehr stark unter Druck gesetzt. Anstatt – wie von der EU gefordert – Generikaverordnungen zu forcieren und so weitere Einsparungen zu erzielen, werden die heimische Medikamentenversorgung und Arbeitsplätze gefährdet. In Österreich hinkt der Anteil der Generikaverordnungen am Gesamtmarkt mit 35 Prozent weiter hinter anderen EU –Länder nach.

Wie wird sich generell der Markt für Generika in den kommenden Monaten entwickeln?

Leiter: Wir versuchen auch in Zukunft ein wichtiger Impulsgeber für die österreichische Wirtschaft zu sein und leisten einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung und zur Kostendämpfung bei Gesundheitsausgaben. Neben Generika stellen Biopharmazeutika eines der am schnellsten wachsenden Segmente des Pharmamarktes dar. Preiswerte Biosimilars schaffen einen breiteren Zugang zu bezahlbarer medizinischer Versorgung mit einer neuen Generation lebensrettender beziehungsweise lebensverlängernder Arzneimittel und sind für die Arzneimittelversorgung ebenso bedeutsam wie die klassischen Generika seit ihrer Markteinführung.

Wie wirkt sich die Öffnung des Versandhandels im Generikabereich aus?

Leiter: Auch im OTC-Bereich gewinnen Generika immer mehr an Bedeutung durch Preiswettbewerb und die daraus resultierenden günstigen Preise und größere Auswahl an Darreichungsformen. Für den Konsumenten wird im OTC-Bereich der Preisvorteil direkt spürbar. Mehr Mitbewerber sorgen für eine größere Auswahl. Das ist sicher im Sinne der kosten- und qualitätsbewussten Österreicher. Die Intention, durch die Öffnung Fälschungen zu verhindern, betrifft uns weniger. Grundsätzlich sind Fälschungen von Generika aufgrund der niedrigen Preise ja unattraktiv. Hier stehen teure Präparate im Fokus der Kriminellen. Potenzmittel beispielsweise werden als hochpreisiges Life-Style-Produkt von kriminellen Fälschern oft über dubiose Internetportale vertrieben. Für die Patienten ein gesundheitlich hochriskantes „Schnäppchen“. Mit der Möglichkeit, das rezeptpflichtige Präparat als preiswertes Sildenafil-Generikum in den heimischen Apotheken zu erwerben, sinkt der Anreiz, auf illegale Internetanbieter auszuweichen. Die österreichische Generikawirtschaft unterstützt aber alle Maßnahmen, die dazu beitragen, Arzneimittelfälschungen zu verhindern. Wir haben bereits technische Maßnahmen wie etwa Hologramme, Wasserzeichen und anderes umgesetzt und werden die Kosten für die von der EU geplanten Serialisierung tragen, womit jede einzelne Arzneimittelpackung identifiziert und der einzelne Wirkstoff bis zum Ort des Entstehens zurückverfolgt werden kann.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei den Apotheken?

Leiter: In heimischen Apotheken werden nur hochwertige, streng geprüfte Arzneimittel angeboten. Apotheker sind ein wichtiger Distributionspartner, stehen in direktem Kontakt mit den Patienten und können den Patienten konkret beraten und informieren. Viele Apotheken bieten Zusatzleistungen an und können daher auf einen gesünderen Lebensstil der Bevölkerung direkt Einfluss nehmen.

Wie sehen Sie das Thema Lieferfähigkeit – nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Rahmenvertrag und die Zahlungen an die Kassen?

Leiter: Das wird sicher eine Frage der Zukunft sein, ob alle Hersteller auch Produkte anbieten. Aktuell kann es vorkommen, dass einzelne Packungsgrößen eines bestimmten Herstellers nicht lagernd sind, allerdings ist seit dem Bestehen der Generika durch die Vielzahl der Anbieter das Risiko bei einem Wirkstoff in Österreich nicht lieferfähig zu sein faktisch nicht mehr gegeben. Die Arzneimittelvielfalt ist für den Patienten sehr positiv. Patienten und Ärzte steht eine große Auswahl von generischen Präparaten mit unterschiedlichen Packungsgrößen, Wirkstärken und Darreichungsformen zur Verfügung. Damit kann die Arzneimitteltherapie der Patienten individuell und möglichst optimal gestaltet werden, was im Sinne des Patienten und des therapeutischen Erfolges ist. Die Apotheken haben sich auf die Ärzte in ihrem Nahbereich eingestellt. Gemeinsames Ziel muss es sein, eine nachhaltige Gesundheitspolitik zum Nutzen der Patienten zu erreichen.