Neue Inkretin-Analoga vor der Markteinführung und in der Pipeline

Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) ist aktuell das bekannteste der zahlreichen Inkretine, einer Familie von Hormonen, die im Magen-Darm-Trakt gebildet und als Reaktion auf eine Mahlzeit ausgeschüttet werden. Inkretine stimulieren eine vom Blutzuckerspiegel abhängige Insulinausschüttung und hemmen die Glucagonsekretion. Aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit kann GLP-1 nicht direkt zu therapeutischen Zwecken genützt werden. Stattdessen kommen GLP-1-Analoga zum Einsatz, die die Wirkung von GLP-1 an dessen Rezeptor imitieren. GLP1-Rezeptoragonisten sind eine mittlerweile gut etablierte Option in der Therapie des Typ-2-Diabetes. Sie führen zu einer deutlichen Reduktion des HbA1c und des Körpergewichts und senken darüber hinaus das kardiovaskuläre Risiko. Auch zu anderen in der Diabetes-Population relevanten Endpunkten laufen klinische Studien. Beispielsweise wird Semaglutid in der Behandlung der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD) untersucht. Gleichzeitig befinden sich weitere Substanzen, die neben dem GLP-1-Rezeptor auch andere Inkretinrezeptoren stimulieren, in der Pipeline oder stehen vor der Markteinführung. Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit, mit Mono-Agonisten unterschiedliche Rezeptoren zu blockieren, oder mit einem unimolekularen Dual- oder Triple-Agonisten mehrere Rezeptoren zu erreichen.

Tirzepatid bewährt sich in mehreren Phase-III-Studien

Unter diesen dualen bzw. Dreifach-Agonisten ist Tirzepatid in seiner klinischen Entwicklung am weitesten fortgeschritten und mittlerweile in den USA und seit kurzem auch in Europa zugelassen. Die Zulassung beruht auf den Studien des SURPASS-Programms, die Tirzepatid in unterschiedlichen Settings sowie mit unterschiedlichen Antidiabetika inklusive Insulin verglichen. In sämtlichen Phase-III-Studien zeigte sich neben einer blutzuckersenkenden Wirkung mit absoluten HbA1c-Reduktionen dosisabhängig zwischen 1,9 und 2,6 %, vor allem ein deutlich günstiger Effekt auf das Körpergewicht. Mit TZP 15 mg erreichten jeweils rund die Hälfte der Probanden ein HbA1c unter 5,7 % sowie einen Gewichtsverlust in der Größenordnung von zehn Kilogramm. Bis zu 40 % der Patienten konnten ihr Körpergewicht um 15 % reduzieren. Eine Substudie von SURPASS-3, die die Effekte von Tirzepatid in Kombination mit einem oder zwei oralen Antidiabetika auf die Leber untersuchte, konnte über ein Jahr eine Reduktion des Leberfetts um 52% zeigen.1

Ein weiteres Hormon von diabetologischem Interesse ist Amylin, ein neuroendokrines Peptid, das gemeinsam mit Insulin in der Beta-Zelle produziert und ausgeschüttet wird. Seine Wirkungen können durch das Amylin-Analogon Cagrilintide imitiert werden. In einer Phase-II-Studie wurde mit Cagrilintide dosisabhängig über ein Jahr ein Verlust an Körpergewicht von bis zu zehn Prozent erreicht.2 Durch die Kombination mit Semaglutid konnte der Gewichtsverlust sogar auf 15 % gesteigert werden.3 Ein weiterer Hoffnungsträger ist Cotadutid, ein dualer Agonist des GLP-1 und des Glukagon-Rezeptors, der die mitochondriale Funktion und die Lipogenese beeinflusst. Die klinische Entwicklung ist in diesem Fall bis zur Phase II fortgeschritten, eine Phase-IIb/III-Studie ist in Planung. Die Phase II zeigte deutliche HbA1c-Senkungen, Verbesserungen von Leber-Parametern sowie Gewichtsreduktion.4 Schließlich wurde mit einer Substanz namens LY3437943 auch bereits der erste gegen die Rezeptoren für GLP-1, GIP und Glukagon gerichtete Triple-Agonist in einer Phase-I-Studie untersucht, wobei sich ebenfalls ein günstiger Effekt auf das HbA1c zeigte. Sicherheit und Verträglichkeit waren mit anderen Inkretinmimetika vergleichbar.5