Aktuelle Entwicklungen in der Implantattechnik

Der Forschungsbereich Knochenregeneration am Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für experimentelle und klinische Traumatologie umfasst unter anderem die Verbesserung und Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und Ersatzmaterialien. Durch den Einsatz hochentwickelter Verplattungs- und Verschraubungssysteme können in der modernen Unfallchirurgie eine Vielzahl von komplexen Knochenbrüchen und Zertrümmerungen immer besser versorgt werden. Doz. Dr. Patrick Weninger, Facharzt für Unfallchirurgie von Knie & Sport, gibt Einblick in aktuelle Entwicklungen.

Welche zentralen Veränderungen beobachten Sie im Hinblick auf die Implantattechnologie?

Die Materialien haben sich verändert – weg von den Stahlimplantaten hin zu Titan, weil es leichter ist und die Knochenheilung verbessert. Auch Unverträglichkeiten sind kein Thema, weil der Werkstoff nickelfrei ist. Winkelstabile Implantate sind bei Knochenbrüchen biomechanisch die erste Wahl und haben die Behandlung von osteoporotischen Brüchen deutlich vereinfacht.

Stichwort Osteoporose – wie haben sich hier die Anforderungen verändert?

Wir beobachten eine drastische Zunahme von Knochenbrüchen aufgrund von Osteoporose. Verändert hat sich hier insbesondere das Bewusstsein für die Osteoporose als Krankheit, auch in der Unfallchirurgie. Wir gehen hier in Richtung eines Gesamtbehandlungskonzeptes, das heißt: Es steht nicht nur die Behandlung des Knochenbruchs im Vordergrund, sondern auch die Osteoporose als Ursache. Sie ist natürlich eine Domäne der Internisten, aber wir brauchen hier eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Bei Patienten, die gar nicht wissen, dass sie an Osteoporose erkrankt sind, spielt der Unfallchirurg die Rolle des Vorsorgemediziners und leitet in den entsprechenden Behandlungspfad über, wie etwa zur Knochendichtemessung.

Worauf ist bei der Versorgung von Knochenbrüchen bei osteoporotischen Patienten zu achten?

Die Schrauben verhalten sich wie bei einer Rigipswand – sie haben wenig Halt in den Knochen. Das kann zur Auslockerung führen und in der Folge zu Verschiebungen des Bruches, sodass wir neuerlich operieren müssen. Verhindert kann das durch sogenannte winkelstabile Implantate werden.

Welche Vorteile haben winkelstabile Implantate?

Hier sind die Schrauben fix in der Platte verankert. Werden sie in die Platte gedreht, so verblocken die Schrauben mit dem Schraubenkopf im Plattenloch. Es gibt damit keine Möglichkeit, dass die Schrauben in der Platte zu wackeln beginnen. Es wackelt dann zwar die ganze Platte leichter, aber das ist biomechanisch gesehen besser, weil es zu einer optimaleren Lastübertragung kommt.

Welche möglichen Nachteile haben die winkelstabilen Implantate?

Nachdem sie besser fixiert sind, ist die logische Konsequenz, dass eine Entfernung schwieriger ist, wenn die Implantate Beschwerden bereiten und re-operiert werden muss. Spezielle Instrumente wurden entwickelt, um die Schrauben dann zu entfernen.

Ist die Technik neu?

Die Technik ist schon zehn Jahre alt. Aber wir konnten am LBI wesentlich zur Verbesserung und zum Verständnis der Grundlagen beitragen.

Woran forschen Sie konkret?

Es geht im Wesentlichen darum, die Implantate noch biologischer zu machen. Das heißt, dass die Implantate den Anforderungen der Patienten noch mehr entgegenkommen und dass man auf jeden Fall versucht, häufige Knochenbrüche wie zum Beispiel Brüche des Handgelenks mit minimalinvasiven Methoden zu behandeln. Über kleine Schnitte werden hier Knochenersatzstoffe eingebracht, etwa über injizierbare Knochenersatzmaterialien, die auch die Stabilität des Knochens wieder verbessern. Damit verkürzen wir die Behandlungs- und Heilungsdauer erheblich und tragen zu einer schnelleren Mobilisierung des Patienten bei. Ein Umstand, der auch hilft, die Komplikationsraten wie zum Beispiel Lungenentzündungen zu senken.

Welchen Herausforderungen steht die klassische Unfallchi­rurgie derzeit gegenüber?

Es gibt einen klaren Trend: Wir haben weniger Polytraumapatienten und Schwerverletzte, dafür einen deutlichen Anstieg der Knochenbrüche bei älteren Patienten. Der typische Schwerverletzte ist vielleicht zwischen 20 und 30 Jahre alt, dafür haben wir ein großes Patientengut im Alter von 50 bis 60 plus und die Verschiebung hin zu 70 plus ist absehbar. Außerdem sind die älteren Menschen viel sportlicher als früher und da kommt es zu einem steigenden Verletzungsrisiko.

Welche Entwicklungen erwarten Sie im Hinblick auf Ersatzmaterialien?

Mit Magnesiumimplantaten wollen wir künftig noch biologischer arbeiten. Möglicherweise ist auch die Verwendung von resorbierbaren Materialien ein Thema, wie etwa Zuckerverbindungen, die nicht mehr entfernt werden müssen, sondern sich im Körper auflösen.

Und bei der Technik?

Hier sind wir mit den winkelstabilen Implantaten schon recht weit, da wird sich in den nächsten Jahren wenig ändern. Der Traum für uns ist es, irgendwann Knochenbrüche kleben zu können.

Welche Wünsche haben Sie an die Industrie?

Für mich ist die enge Kooperation zwischen Anwender und Hersteller enorm wichtig, denn nur dadurch lassen sich wirklich Synergien finden. Anwender kennen die Probleme, Hersteller haben die Möglichkeit, sie zu lösen.