Digitalisierung aus der Patientenperspektive

Die Digitalisierung stellte sich als hilfreiches Tool heraus, in dieser zunächst unbekannten Situation neue und durchaus zukunftsträchtige Lösungen zu finden. Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger resümiert, was gut gelungen ist und Chancen haben sollte, auch künftig im Gesundheitswesen verankert zu werden.

Aktuell steht das Gesundheitswesen ganz im Zeichen der Digitalisierung. Wo sind die Vorteile, wo die Nachteile für Patienten?

Patienten und das Gesundheitspersonal waren vor der Pandemie eher skeptisch im Hinblick auf den Einsatz von digitalen Lösungen. Es hat sich aber gezeigt, dass es zum Teil die einzige Möglichkeit war, auf Distanz die Versorgung aufrechtzuerhalten. Wir haben hier gezwungenermaßen einen rasanten Kulturwandel durchgemacht und ich sehe keine Nachteile. Auch der Datenschutz ist gut handhabbar, denn es gibt die Rahmenbedingungen dazu.
Das größte Hindernis ist die mutlose Politik. Wir wissen zum Beispiel, dass die Vernetzung von Gesundheitsdaten viel bringen würde, doch hier passiert viel zu wenig.

Gibt es positive Beispiele?

Ein kleiner Schritt in eine positive Richtung ist zum Beispiel die Datenplattform COVID-19. Für die Erforschung von SARS-CoV-2 und COVID-19 wird wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen die Nutzung von Daten aus dem Österreichischen Epidemiologischen Meldesystem (EMS) ermöglicht. Für diesen Zweck hat das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) die Einrichtung dieser Datenplattform beauftragt. Sie soll sowohl die nationale als auch die internationale wissenschaftliche Community dabei unterstützen, die Evidenz und das Verständnis für SARS-CoV-2 und COVID-19 zu erhöhen. Forschungseinrichtungen haben auf dieser Plattform die Möglichkeit, sich für einen Zugang zu den Daten aus dem Epidemiologischen Meldesystem akkreditieren zu lassen.

Bleiben Patienten, denen die digitale Gesundheitskompetenz fehlt, auf der Strecke?

Das ist sicher richtig. Wir müssen die Betroffenen ins Boot holen, aber insgesamt dürfen wir nicht auf alle Patienten warten. Wenn wir gute Tools anbieten, können wir trotzdem nicht davon ausgehen, dass sofort alle dabei sind. Die Gesundheitskompetenz wird in Österreich sträflich vernachlässigt, das sehen wir an der wissenschaftsfeindlichen Impfdiskussion.

Verbessern digitale Anwendungen (DiGa)die Gesundheit tatsächlich?

Ich bin ein Verfechter der Evidenz. Im digitalen Bereich laufen die Entwicklungszyklen sehr rasch voran und wir stehen noch am Anfang, da darf man die Latte auch nicht so hoch legen. Bei vielen gibt es die Evidenz noch gar nicht.

Sollen Krankenkassen die Finanzierung von DiGA übernehmen?

Auch da sind wir noch sehr weit entfernt, aber ich denke es wird nicht anders gehen, als in Deutschland mit einem völlig neuen Finanzierungstopf. Aus den bestehenden Budgets wird man nichts umschichten können. Dann muss man auch dafür sorgen, dass für die Regelfinanzierung eine eigene Position geschaffen wird.

Was wäre Ihr Wunsch für die weitere ­Entwicklung?

Ich hätte gerne Politiker, die mutig voranschreiten und sich nicht durch Widerstände abschrecken lassen. Mein Zugang lautet: Der Rahmen und das Regelwerk sind vorhanden, wir brauchen nur mehr den Mut, die Themen auch umzusetzen.