Digitalisierung in der Pflege: Mehr Hände ans Bett

„Auch im sozialwirtschaftlichen Bereich führt kein Weg am digitalen Wandel vorbei. Eine Umstellung auf digitale Prozesse kann die Branche immens voranbringen und für mehr Hände am Bett sorgen“, ist Karsten Glied, Geschäftsführer der Techniklotsen GmbH und Experte für die Begleitung bei der positiven Gestaltung der Digitalisierung, überzeugt. Allerdings schwingt beim Stichwort „Digitalisierung“ häufig die Angst vor Wegrationalisierungen mit. Wie weit sie begründet ist – oder nicht –, formuliert Glied so: „Es kommt darauf an, was die Gesundheitseinrichtungen daraus machen. Die Technik per se bringt zuerst einmal Erleichterungen, wenn wir etwa an Dokumentationsaufgaben denken oder das Ersetzen von Routinearbeiten. Das eröffnet jedenfalls Chancen, sich mehr um die Patienten zu kümmern.“

Einsparen ist der falsche Zugang

Dass manche Krankenhausträger dabei auch Personaleinsparungen anpeilen, will er nicht bestreiten, steht aber für ihn als Ziel nicht im Vordergrund, wenn IT-Lösungen geplant und implementiert werden. „Wenn wir eine neue Software entwickeln, dann stellen wir uns ja nicht die Frage, wie kann ich die Pflegekraft überflüssig machen, sondern wir stellen zu allererst die Frage, wie der Alltag der Mitarbeiter einfacher gestaltet werden kann, also die Entlastung der Pflegekräfte. Der zunehmende Einsatz mobiler Lösungen wie Tablets etwa zur Dokumentation am Krankenbett oder zur Erfassung der Medikation macht Prozesse schneller und fehlerfreier. „Ein gutes Beispiel ist auch die Krankenhaustechnik. Viele Aufgaben, die früher manuell erledigt und notiert werden mussten, können jetzt mit einem mobilen Datenerfassungsgerät viel rascher und besser erfasst werden“, so Glied. So werden etwa Kühltemperaturen im Medikamentenschrank automatisch erfasst, aufgezeichnet und bei Fehlern automatisch Alarm geschlagen. „Wir kennen noch die Zeiten, in denen das von einer Person regelmäßig kontrolliert werden musste, diese Errungenschaften machen zweifelsohne den Tagesablauf einfacher, ohne dabei auf Manpower zu verzichten.“ Aber er geht noch einen weiteren Schritt zurück: „Digitalisierung fängt im ganz Kleinen an, beispielsweise bei einer schnellen Internetverbindung oder dem automatischen Staubsauger, der zusätzliche Arbeit abnimmt. Das sind kleine Veränderungen, die Großes bewirken können“, betont Glied.

Wenig läuft im Regelbetrieb

Studien, wie viel Zeit damit tatsächlich im Krankenhausprozess eingespart oder noch in Zukunft optimiert werden kann, gibt es derzeit keine. Aber die Frage muss nach Ansicht des Experten anders lauten: „Der Gesundheitssektor ist massiv von der Finanzierung durch die öffentliche Hand abhängig. Ich sehe hier derzeit wenig Interesse oder Anreize in solche zukunftsweisenden Themen zu investieren und damit auch wenig Potenzial, dass die Technologien Eingang in den Regelbetrieb finden und ihr Vorteile voll ausspielen können. Wenn wir die Förderungen für Personal ausschöpfen und für Technologien keine bekommen, dann fällt es Spitälern schwer, sich für den Fortschritt zu engagieren“, meint Glied. Gleiches gilt nach Ansicht des Experten aber auch für den extramuralen Sektor: „Viele sensorische Hilfsmittel, die es ja bereits gibt, finden keinen Eingang in die Erstattungssysteme der Krankenkassen. Solange das nur von wenigen Patienten, die es sich leisten können genutzt werden kann, wird sich keine Technologie am Markt bewähren. Wir stecken zwar oft Forschungsgeld in gute Ideen, aber wenn es um die Umsetzung geht, hört die Förderung schon wieder auf.“

Ohne Strategie kein Plan

IT und Telekommunikation gehören heute zu den fundamentalen Arbeitsmitteln, auch im Gesundheitswesen. Sie müssen zuverlässig arbeiten, sicher, einfach und intuitiv bedienbar sein. In diesem Bereich hat die gesamte Branche noch immensen Nachholbedarf. Um die richtigen Schritte in Richtung Digitalisierung zu gehen, ist eine durchdachte Strategie vonnöten. „Die Verantwortlichen müssen sich aktiv um eine Strategie bemühen. Der digitale Wandel muss endlich auch im Gesundheitssektor als strategisches Thema begriffen werden“, fordert Glied. Spitäler müssen in der Digitalisierung echte Chance sehen, dazu braucht es Konzepte, die den Weg und die Ergebnisse beschreiben, wenn sich ein Haus darauf einlässt – das muss weit über Leuchtturmprojekte hinausgehen.

Digitale Klassiker

Gerade in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Pflegeheimen können vernetzte IT- und Kommunikationslösungen das Personal unterstützen und Zeit für das Wesentliche schaffen: die Pflege direkt am Menschen. Eine verlässliche Kommunikation und Planung sowie Dokumentation sind entscheidend für die Prozesse in sozialen Einrichtungen. Gerade digitale Lösungen für den Verwaltungsbereich, wie etwa die elektronische Pflegedokumentation oder die Dienstplanung, erleichtern den Arbeitsalltag enorm. „Weniger Verwaltung, mehr Zuwendung – das sollte das Motto der Branche sein“, so Glied. Teil eines digitalen Ausbaus sind auch passgenaue technische Lösungen wie Bewohner-Telefonie, intelligente Lichtrufanlagen bis hin zu integrierten Hinläuferschutzlösungen.

Mobile Pflege braucht mobile ­Lösungen

Auch in der ambulanten Pflege kann die Digitalisierung für ein effizienteres Arbeiten und damit für mehr Zeit bei den Hausbesuchen sorgen. Ein mobiler Zugriff auf Klientendaten, Dokumentation, Tourenplanung und Kalender ermöglicht ein flexibles und sicheres Arbeiten. Anstatt nach der Tour noch alle Tätigkeiten im Büro erfassen zu müssen, sind die Daten bereits MDK-konform gespeichert und zugänglich. Die Kostenträger fordern schon lange „ambulant vor stationär“ – dies bedarf immer effizienterer Lösungen, die den Verwaltungsaufwand minimieren und so für mehr Spielraum beim Hausbesuch sorgen. Entscheidend bei der Auswahl digitaler Lösungen sollten immer die sichere und komfortable Bedienung sowie der Nutzen für den Tagesablauf des Pflegepersonals sein. Ein solches System muss alle Leistungen komplett und übersichtlich erfassen und eine minutengenaue Dokumentation der Pflegezeiten zur Abrechnung ermöglichen.