Brüchigkeitsfrakturen der Hüfte – Kann Sterblichkeit gesenkt werden?

Eine aktuelle Studie, die kürzlich im Rahmen des EFORT (European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology)-Kongresses rund 7.000 Orthopäden vorgestellt wurde, hat die diesen Todesfällen zugrunde liegenden prä- und postoperativen Komplikationen analysiert. Das Ergebnis weist den Weg für eine bessere Prävention und eine bessere Versorgung der Betroffenen. Internationalen Daten zufolge sterben 8,3 bis 9,3 Prozent der Patienten mit Osteoporose- bedingten Hüftfrakturen innerhalb von 30 Tagen, 20 bis 24 Prozent innerhalb eines Jahres. Selbst bei sorgfältiger Überwachung in Übereinstimmung mit bestehenden Richtlinien und Qualitätsstandards bleibt noch fünf Jahre nach dem Bruch ein erhöhtes Sterberisiko bestehen. Als häufigste Ursachen wurden Thoraxinfektionen, Herzversagen und Sepsis identifiziert. „Die derzeit angewandten Behandlungsstandards betreffen größtenteils den Umgang mit der Fraktur selbst. Unsere Daten zeigen jedoch, dass wir den Komorbiditäten der Patienten und den Komplikationen, denen wir im Gefolge solcher Verletzungen begegnen, mehr Aufmerksamkeit widmen müssen, wenn wir die Sterblichkeitsraten weiter reduzieren wollen“, sind sich die Studienautoren der britischen University Hospitals Bristol einig.
Brüchigkeitsfrakturen werden durch Stürze aus Standhöhe oder einer noch geringeren Fallhöhe verursacht – Stürze also, die bei Patienten ohne Knochenerkrankungen wie Osteoporose nicht zu Brüchen führen würden. Allein in Großbritannien werden jährlich 300.000 Patienten mit Brüchigkeitsfrakturen in die Krankenhäuser eingeliefert, 76.000 davon sind Hüftfrakturen. Die große Mehrheit der Betroffenen sind Frauen, vor allem, weil Osteoporose mit dem Alter korreliert und Frauen wesentlich länger leben als Männer. Die Zahl solcher Verletzungen steigt daher mit der steigenden Lebenserwartung. Wenn sich der Trend fortsetzt, wird es im Jahr 2020 in Großbritannien bereits 101.000 Brüchigkeitsfrakturen der Hüfte geben. Letztere ziehen unter der Gesamtheit der Brüchigkeitsfrakturen die schwerwiegendsten sozioökonomischen Folgen nach sich. Großbritanniens National Health Service (NHS) schätzt die jährlichen Behandlungskosten auf rund 1,6 Mrd. Euro. Die Zahl verdoppelt sich sogar, wenn auch die Pflegekosten mit eingerechnet werden.

Daten liefern Anhaltspunkte für Verbesserungen

Die Studie analysierte 82 Todesfälle (Durchschnittsalter: 87,8 Jahre) unter den insgesamt 648 Patienten, die zwischen Dezember 2006 und Jänner 2009 mit Brüchigkeitsfrakturen der Hüfte in die Universitätshospitäler Bristol eingeliefert worden waren. Vorbestehende Erkrankungen sowie die unmittelbaren Todesursachen wurden untersucht. 9,4 Prozent der ursprünglich 648 Patienten starben innerhalb eines Monats. Nach einem Jahr betrug die Sterberate 13,9 Prozent. Die Hauptursachen der Todesfälle waren Infektionen des Brustkorbs (42,7 Prozent), Infektionen des Blutstroms (Sepsis, 39 Prozent), Nierenerkrankungen (28 Prozent) und Herzversagen (26,8 Prozent). Bei 41,5 Prozent lag dem Tod eine einzige Ursache zugrunde, bei 30,5 Prozent zwei. In vielen Fällen stand die Todesursache mit einer vorbestehenden Erkrankung in Zusammenhang.

Trainings für Ärzte und mehr Bewusstsein

Die Einführung verbesserter orthogeriatrischer Prozeduren erlaubt eine bessere Vorbereitung gebrechlicher Patienten auf die Operation sowie die Optimierung ihrer Behandlung danach. Das würde etwa eine raschere Untersuchung auf Thoraxinfektionen sowie deren intensive Behandlung mit einschließen. Andere Maßnahmen, die in Bristol infolge der Studie bereits ergriffen wurden, beinhalten den Entwurf spezieller Aufnahmeformulare für Patienten mit Hüftfrakturen, in denen alle in den nationalen Richtlinien vorgesehenen Schritte zur Standar disierung und Optimierung der Behandlung vor und nach der Operation aufgelistet sind. Regelmäßige Trainings für Ärzte, die an der Behandlung stationärer Patienten beteiligt sind, sensibilisieren junge Ärzte für die komplexen medizinischen Probleme, denen sie hier begegnen. Zu den weiteren Verbesserungen, die in den Universitätsspitälern Bristol eingeführt wurden, zählt der regelmäßige Input erfahrener orthogeriatrischer und orthopädischer Spezialisten in einer Spezialabteilung, die der hochqualitativen Versorgung gebrechlicher älterer Patienten mit komplexen Krankheitszuständen gewidmet ist.

Neue Erkenntnisse ermöglichen bessere Rehabilitation

Neben der Prävention spielt auch die Erhaltung der Mobilität von Betroffenen – auch hier vor allem älterer Patienten – nach Hüftgelenksfrakturen eine zunehmend große Rolle in der Orthopädie. Eine dänische Studie zeigt Kriterien auf, die es erlauben, immobilitätsgefährdete Patienten vorab zu erkennen und eröffnet damit neue Wege, um Rehabilitationsprogramme zu optimieren. Die Wiederherstellung der Mobilität ist das oberste Ziel der Rehabilitation nach Hüftgelenksfrakturen. 24 Prozent aller Betroffenen erreichen dieses Ziel jedoch nicht und können nach Abschluss der Spitalsbehandlung nicht nach Hause entlassen werden. Selbstständige Mobilität – die Fähigkeit, selbst aufzustehen und zu Bett zu gehen, sich auf einen Sessel zu setzen und von ihm aufzustehen sowie gehen zu können – ist eine der Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Geht sie verloren, verlieren Patienten auch wesentliche Aspekte der Lebensqualität und haben erhöhten Pflegebedarf.
Dr. Morten Tange Kristensen vom Kopenhagener Universitätsspital in Hvidovre untersuchte den Heilungsverlauf von 213 Patienten im Durchschnittsalter von 82 Jahren, die vor ihrer Hüftfraktur eigenständig zu Hause gelebt hatten. Immerhin 24 Prozent erreichten ihre selbstständige Mobilität durch das während der Spitalsbehandlung angewandte multimodale Fast-Track-Rehabilitationsprogramm nicht wieder. „Die statistische Auswertung ergab dafür drei unabhängige Risikofaktoren: das Alter der Patienten, die Art des Bruchs sowie den mobilen Funktionsstatus der Patienten vor der Verletzung“, erklärt Kristensen.
Patienten, die schon vor der Fraktur Mobilitätsprobleme hatten, wiesen ein sechsfach höheres Risiko auf, ihre Mobilität während des Spitalsaufenthalts nicht wiederzugewinnen. Patienten, die statt eines relativ einfach zu behandelnden Bruchs am Gelenkshals eine kompliziertere, sogenannte intratrochantäre Fraktur erlitten hatten, zeigten ein vierfach erhöhtes Risiko. Weiters stieg die Wahrscheinlichkeit, nicht nach Hause entlassen werden zu können, mit jedem zusätzlichen Lebensjahr um neun Prozent.
„Obwohl durch die Erkenntnisse das Patientengut nicht verändert werden kann, geben die Daten im Vorhinein Aufschluss, welche Personen wahrscheinlich Mobilisierungsprobleme zu erwarten haben und ihre Rehabilitation entsprechend optimieren müssen“, meint der Experte. So kann etwa dem für intratrochantäre Frakturen typischen Verlust an Muskelkraft durch früheres und intensiveres Krafttraining entgegengearbeitet werden. Weitere Studien sollten untersuchen, ob diese oder andere Interventionen auch Ödeme am Ort der Fraktur verringern können, die mit einen Faktor für den Verlust an Muskelkraft darstellen.

 

Hüftfrakturen:
Orthopädische Allround-Chirurgen sind nicht weniger erfolgreich als Hüftspezialisten

Die Operation gewöhnlicher Hüftfrakturen aufzuschieben bis spezialisierte Hüft-Orthopäden dafür verfügbar sind, bringt Patienten keinen zusätzlichen Vorteil. Dies weist eine aktuelle Studie nach, die am EFORT vorgestellt wurde. Die Daten belegen, dass Chirurgen spezialisierter Hüft-Abteilungen und solche allgemeiner orthopädisch-chirurgischer Abteilungen ähnlich niedrige Raten an Infektionen des Operationsareals erzielen – ein aussagekräftiger Indikator für die Sicherheit eines Eingriffs. Da eine verzögerte Operation das Risiko anderer Komplikationen erhöht, sollten Patienten mit Hüftfrakturen so rasch operiert werden, wie es ihr Zustand erlaubt, egal ob dafür gerade ein allgemeiner oder ein spezialisierter orthopädischer Chirurg zur Verfügung steht. Für schwierige Eingriffe wie Gelenksersatz in komplexen Fällen von Hüftosteoarthritis oder Revisionsoperationen, wenn bei schon einmal ersetzten Gelenken Komplikationen auftreten, sind speziell ausgebildete Chirurgen nötig.